Entferntes Echo aus den 80-ern
Nach der Auflösung 1993 und der Wiedervereinigung gut zehn Jahre später wurde es ruhiger um die Pixies. Morgen erscheint eine neue CD von den Pixies: "Head Carrier". Carsten Beyer hat die Pixies getroffen und sagt uns, was von der Band heute noch zu erwarten ist.
Hoppla – das geht ja gleich ganz schön heftig los! "Um Chagga Lagga" heißt dieser Songs, die erste Single – Auskopplung aus dem neuen Album der Pixies: Schlagzeuger David Lovering und Bassistin Paz Lenchantin knüppeln um die Wette, Joey Santiago drischt in die Gitarrensaiten – und Ober-Pixie Black Francis schreit, als sei der Leibhaftige hinter ihm her.
Also gut, denke ich, vielleicht wollen die Pixies einfach mal ein Zeichen setzen, dass sie noch nicht zum alten Eisen gehören, dass sie es auch jenseits der 50 noch ordentlich krachen lassen können. Außerdem waren die Pixies ja noch nie für leise Töne und einfühlsame Balladen bekannt: Aber was heißt eigentlich "Um Chagga Lagga"? Um was geht es in diesem Lied?
Paz Lenchantin: "Sex! Es geht um Sex auf Tour. Um Chagga Lagga ist einfach ein Statement – und den Rest kannst Du Dir selber ausmalen. Denk Dir einen guten Rhythmus dazu - dann hast du es. Also Um Chagga Lagga ist einfach ein anderes Wort für Sex."
Bassistin Paz Lenchantin ist die Neue bei den Pixies. Schon als ihre Vorgängerin Kim Deal vor drei Jahren überraschend die Band verließ, half sie bei Konzerten aus - jetzt haben ihre Kollegen sie zu einem vollwertigen Bandmitglied gemacht. Doch die Lücke, die Kim Deal hinterlassen hat, kann Lenchantin nicht wirklich schließen. Schließlich war Deal nicht nur Gründungsmitglied, sondern auch musikalisch enorm wichtig für die Pixies. An ihrem sperrigen Charme konnten sich die Anderen reiben, ihr dunkler Sopran bildete den Kontrapunkt zu Black Francis' kratzigem Lead-Gesang.
"All I Think About Now" heißt dieses Stück – das einzige auf dem neuen Album, bei dem Paz Lenchantin singen darf. Es klingt wie ein entferntes Echo aus den 80ern, wie ein trauriger Abklatsch des Pixies-Klassikers "Where is my mind?". "All I Think About Now" ist eine Art Abschiedslied für Kim Deal, sagt Francis Black, ein Dankeschön für mehr als 20 Jahre bei den Pixies.
Black Francis: "Jeder denkt doch mal darüber nach: Okay, wenn ich noch mal von vorne anfangen könnte, was würde ich dann anders machen? Ich glaube, ich wäre heute vermutlich etwas geduldiger und etwas netter als damals, als Kim auf einmal aussteigen wollte. Darum geht es in dem Lied. Aber es ist jetzt nicht wirklich ein Kim-Song, sondern jeder kann da sein eigenen Geschichten hineindenken, sein eigenes Leben: Es ist also ein universelles Stück."
Die Pixies haben den Turbo eingeschaltet
Nachdenkliche Töne sind aber eher die Ausnahme auf "Head Carrier". Die meisten der neuen Songs klingen, als hätten die Pixies den Turbo eingeschaltet. Hauruck- Punk der übelsten Sorte - immer auf die Zwölf, ohne melodische Linie und strukturelle Finesse. Kaum zu glauben, dass die Band das neue Material 6 Wochen lang geprobt haben soll, bevor es ins Studio ging. Auch die Texte helfen einem nicht wirklich weiter – was Black Francis da in sein Mikrofon schreit, klingt oft nur wie eine wahllose Aneinanderreihung von Wörtern. Ich wage einzuwenden, dass man ja auch mal ein paar aktuelle Themen hätte aufgreifen können, die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen in den USA beispielsweise, doch Gitarrist Joey Santiago winkt angewidert ab.
Joey Santiago: "Wir machen Musik. Wir lassen die anderen Leute über Politik reden. Was wir darüber denken, geht niemand etwas an. Glaub mir, das ist besser so. Man redet nicht über Religion, über Politik - über Sex kann man reden. Das ist Rock'n Roll. Das wollen die Leute hören. Aber nichts über Politik – das ist nicht erlaubt!"
Man kann es nicht anders sagen: "Head Carrier" ist eine Enttäuschung. Eine Enttäuschung allerdings mit Ansage, denn bereits das letzte Studioalbum der Pixies, "Indie Cindy" war alles andere als eine Offenbarung. Vielleicht sollte sich die Band darauf beschränken, jeden Sommer ein paar Festivals zu spielen – und dabei die alten Fans mit ihren Klassikern glücklich zu machen. Das wäre zwar nicht gerade ein innovatives Konzept, aber zumindest kundenfreundlich. Und tatsächlich: Es scheint, als hätte zumindest Francis Black darüber auch schon mal nachgedacht:
Black Francis: "Das ist nun mal das Problem von legendären Bands. Jeder der seit 20 Jahren erfolgreich Musik macht, der weiß doch: Okay, da gibt es viele Leute da draußen, die wollen uns sehen und unsere alten Hits hören. Das ist was Anderes als bei jungen Bands, die sich den Arsch abspielen müssen, wenn sie nicht gerade einen Hit in den Charts haben. Wenn du schon länger dabei bist, dann hast Du einfach dein Publikum. Das ist der Grund, warum es mittlerweile so viele alte Bands gibt."