Plädoyer für den Rechtsstaat
Heribert Prantl, Leiter des Ressorts Innenpolitik bei der Süddeutschen Zeitung gehört zu den wenigen verbliebenen Überzeugungstätern, die mit Verve den Rechtsstaat gegen den herrschenden Zeitgeist verteidigen. Mit seinem neuen Buch "Der Terrorist als Gesetzgeber. Wie man mit Angst Politik macht" hat er ein engagiertes Plädoyer für das Recht und gegen den Sicherheitswahn vorgelegt.
Prantl schreibt mit der ihm eigenen Nachdrücklichkeit gegen die Politik der Inneren Sicherheit an: Ein Mahner, nein ein Kämpfer, ein Rufer in der Wüste des allgemeinen Sicherheitswahns, der Savonarola des Rechtsstaats. Seine Diagnose im Vorwort ist knapp und präzise:
"Bismarck hat seinerzeit ein Attentat auf Kaiser Wilhelm I. benutzt, um den Liberalen in Deutschland den Garaus zu machen. Die Attentate der islamistischen Fundamentalisten führen dazu, dass in der westlichen Welt dem freiheitlichen Rechtsstaat und der Liberalität der Garaus gemacht wird. Eine Welt, die vom Terror in Angst und Schrecken versetzt wird und sich daraus nicht befreit, ist jedoch ihrer selbst nicht mehr sicher. Innere Sicherheit braucht die Sicherheit, dass die Grundsätze, die sie verteidigen will, sich auch bei dieser Verteidigung bewähren. Innere Sicherheit verlangt innere Festigkeit und unerschütterliches Vertrauen in die Grundrechte der Verfassung. Mit diesem Vertrauen gilt es, kollektive Sicherheit und innere Freiheit auszutarieren."
Prantl holt weit aus und sein Buch ist gespickt mit ebenso instruktiven wie polemischen Ausflügen in die Geschichte des Straf- und Kontrollwahns. Anklagend, scharfzüngig und unerbittlich streift er durch die gegenwärtige Politik der Inneren Sicherheit. Prantl blickt von der Kanzel herab. Er sieht das Große und Ganze mit kritischem Blick und hält über 200 Seiten eine feurige Verteidigungsrede für die Grundprinzipien des modernen Rechtsstaats. Nur ist zu befürchten, dass die Kirche leer bleibt. Es ist vermutlich der rhetorische Modus des Appells an die Prinzipien, der auf Dauer einfach nur mehr in Wiederholungen endet. Das Argument und die moralische Verve tragen für einen Leitartikel. Ausgebaut auf das Format eines Buches stellt sich irgendwann Ermüdung ein. Nicht dass er nicht recht hätte. Jeden Satz, den Prantl schreibt, jede Kritik an der real existierenden Sicherheitsparanoia kann man als engagierter Zeitgenosse unterschreiben. Aber irgendwann fragt man sich doch: und was nun?! In der tiefer gehenden Analyse bleibt sein Buch eher im Allgemeinen. Die moralische Deckungsreserve für seine Anklage bringt er bei. Lücken zeigen sich dann, wenn es darum geht, das Ganze in seine Teile zu zerlegen und die komplexeren Mechanismen zu beleuchten, die uns diese Politik bescheren.
Prantl schreibt als Journalist und das ist legitim. Er präsentiert keine gelehrt ziselierte Abhandlung, auch kein kritisch-monolithisches Pamphlet, das alles auf die bekannten Grundwidersprüche zurückführt, sondern eine streitbar engagierte Polemik. Allerdings geht ihm beim Versuch, die Dinge plastisch zu beschreiben, gelegentlich die Bildlogik durch. Das klingt dann so:
"Angst, Terror und Politik: der Mechanismus der Angst funktioniert wie eine riesige Orgel. Vor ihr sitzen viele Spieler, nicht nur Terroristen, sondern auch Politiker, Chefredakteure und Chefkommentatoren. Diese Orgel verfügt über eine Klaviatur mit mannigfachen Registern, ein Windwerk und eine Windlade, welche die verdichtete Luft den Pfeifen zuleitet. Und wenn dann von so vielen kräftig georgelt wird und alle Register gezogen werden, dann erbebt und erschauert alles. Beim Thema Terror funktioniert das noch besser als bei jedem anderen Thema; es ist Toccata und Fuge auf der Orgel der Angst."
Toccata und Fuge auf der Orgel der Angst – das ist wie eine Mischung aus Bach und Bunuel: beides schwer religiös geprägte Figuren. Prantls Text ist ein Beispiel für die Unerbittlichkeit des Sicherheitswahns, der mit seinem hektisch erregten Ton gelegentlich auch die Kritiker infiziert. In einer als dramatisch wahrgenommen weltpolitischen Situation greifen auch diejenigen, die sich die umfassende Gefährdungsdiagnose der Sicherheitspolitiker nicht zu Eigen machen, in die rhetorische Trickkiste der Dramatisierung. Souveränität hört sich anders an. Prantls Warnungen sind berechtigt, aber in ihrem Pathos gleichen sie manchmal auf unangenehme Art den Szenarien jener, die er attackiert. Auch wenn er in weiten Teilen nichts anderes tut, als die Leser an jene Prinzipien zu erinnern, die eigentlich unverbrüchlich in jedem Rechtsstaat gelten sollten, so durchzieht doch ein alarmistischer Grundton seinen Text.
Aber vielleicht muss man in der hektischen Aufregung über den demnächst bevorstehenden Untergang des Abendlandes, den die üblichen Verdächtigen mit ihrer Politik der Angst beschwören, zu solchen Mitteln greifen. Vielleicht muss man sich einfach aufregen und diese Aufregung auch mit Prantl’scher Prägnanz artikulieren. Vielleicht aber braucht es auch eine neue Perspektive, die über das Nullsummenspiel Sicherheit oder Freiheit hinausweist. Die ist im Moment allerdings nicht in Sicht. Bis dahin wollen wir Bücher wie das von Heribert Prantl loben und jeden seiner Sätze in die Köpfe der verängstigten Bürger hämmern. Vielleicht hilft es ja doch.
Heribert Prantl: Der Terrorist als Gesetzgeber - Wie man mit Angst Politik macht
Droemer Verlag, München 2008
"Bismarck hat seinerzeit ein Attentat auf Kaiser Wilhelm I. benutzt, um den Liberalen in Deutschland den Garaus zu machen. Die Attentate der islamistischen Fundamentalisten führen dazu, dass in der westlichen Welt dem freiheitlichen Rechtsstaat und der Liberalität der Garaus gemacht wird. Eine Welt, die vom Terror in Angst und Schrecken versetzt wird und sich daraus nicht befreit, ist jedoch ihrer selbst nicht mehr sicher. Innere Sicherheit braucht die Sicherheit, dass die Grundsätze, die sie verteidigen will, sich auch bei dieser Verteidigung bewähren. Innere Sicherheit verlangt innere Festigkeit und unerschütterliches Vertrauen in die Grundrechte der Verfassung. Mit diesem Vertrauen gilt es, kollektive Sicherheit und innere Freiheit auszutarieren."
Prantl holt weit aus und sein Buch ist gespickt mit ebenso instruktiven wie polemischen Ausflügen in die Geschichte des Straf- und Kontrollwahns. Anklagend, scharfzüngig und unerbittlich streift er durch die gegenwärtige Politik der Inneren Sicherheit. Prantl blickt von der Kanzel herab. Er sieht das Große und Ganze mit kritischem Blick und hält über 200 Seiten eine feurige Verteidigungsrede für die Grundprinzipien des modernen Rechtsstaats. Nur ist zu befürchten, dass die Kirche leer bleibt. Es ist vermutlich der rhetorische Modus des Appells an die Prinzipien, der auf Dauer einfach nur mehr in Wiederholungen endet. Das Argument und die moralische Verve tragen für einen Leitartikel. Ausgebaut auf das Format eines Buches stellt sich irgendwann Ermüdung ein. Nicht dass er nicht recht hätte. Jeden Satz, den Prantl schreibt, jede Kritik an der real existierenden Sicherheitsparanoia kann man als engagierter Zeitgenosse unterschreiben. Aber irgendwann fragt man sich doch: und was nun?! In der tiefer gehenden Analyse bleibt sein Buch eher im Allgemeinen. Die moralische Deckungsreserve für seine Anklage bringt er bei. Lücken zeigen sich dann, wenn es darum geht, das Ganze in seine Teile zu zerlegen und die komplexeren Mechanismen zu beleuchten, die uns diese Politik bescheren.
Prantl schreibt als Journalist und das ist legitim. Er präsentiert keine gelehrt ziselierte Abhandlung, auch kein kritisch-monolithisches Pamphlet, das alles auf die bekannten Grundwidersprüche zurückführt, sondern eine streitbar engagierte Polemik. Allerdings geht ihm beim Versuch, die Dinge plastisch zu beschreiben, gelegentlich die Bildlogik durch. Das klingt dann so:
"Angst, Terror und Politik: der Mechanismus der Angst funktioniert wie eine riesige Orgel. Vor ihr sitzen viele Spieler, nicht nur Terroristen, sondern auch Politiker, Chefredakteure und Chefkommentatoren. Diese Orgel verfügt über eine Klaviatur mit mannigfachen Registern, ein Windwerk und eine Windlade, welche die verdichtete Luft den Pfeifen zuleitet. Und wenn dann von so vielen kräftig georgelt wird und alle Register gezogen werden, dann erbebt und erschauert alles. Beim Thema Terror funktioniert das noch besser als bei jedem anderen Thema; es ist Toccata und Fuge auf der Orgel der Angst."
Toccata und Fuge auf der Orgel der Angst – das ist wie eine Mischung aus Bach und Bunuel: beides schwer religiös geprägte Figuren. Prantls Text ist ein Beispiel für die Unerbittlichkeit des Sicherheitswahns, der mit seinem hektisch erregten Ton gelegentlich auch die Kritiker infiziert. In einer als dramatisch wahrgenommen weltpolitischen Situation greifen auch diejenigen, die sich die umfassende Gefährdungsdiagnose der Sicherheitspolitiker nicht zu Eigen machen, in die rhetorische Trickkiste der Dramatisierung. Souveränität hört sich anders an. Prantls Warnungen sind berechtigt, aber in ihrem Pathos gleichen sie manchmal auf unangenehme Art den Szenarien jener, die er attackiert. Auch wenn er in weiten Teilen nichts anderes tut, als die Leser an jene Prinzipien zu erinnern, die eigentlich unverbrüchlich in jedem Rechtsstaat gelten sollten, so durchzieht doch ein alarmistischer Grundton seinen Text.
Aber vielleicht muss man in der hektischen Aufregung über den demnächst bevorstehenden Untergang des Abendlandes, den die üblichen Verdächtigen mit ihrer Politik der Angst beschwören, zu solchen Mitteln greifen. Vielleicht muss man sich einfach aufregen und diese Aufregung auch mit Prantl’scher Prägnanz artikulieren. Vielleicht aber braucht es auch eine neue Perspektive, die über das Nullsummenspiel Sicherheit oder Freiheit hinausweist. Die ist im Moment allerdings nicht in Sicht. Bis dahin wollen wir Bücher wie das von Heribert Prantl loben und jeden seiner Sätze in die Köpfe der verängstigten Bürger hämmern. Vielleicht hilft es ja doch.
Heribert Prantl: Der Terrorist als Gesetzgeber - Wie man mit Angst Politik macht
Droemer Verlag, München 2008