Plädoyer gegen die Todesstrafe

27.04.2013
Elend, Mundraub, Gefängnis, Misshandlung, Mord, Todesstrafe: Das sind die Stationen, die der Opern-Einakter "Claude" von Thierry Escaich und Robert Badinter in 90 Minuten durcheilt. Die Bühne der Oper von Lyon wird zum politischen Forum.
"Justice – Injustice": Unter diesem Motto hat die Oper in Lyon an die politische Dimension des Musiktheaters angeknüpft. Es geht um Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit – und darum, wie man ein solch großes Thema durch Repertoireklassiker wie Beethovens "Fidelio", aber auch durch ein neues Werk wie die Oper "Claude" von Thierry Escaich und Robert Badinter beleuchten kann. Das Opernhaus der südostfranzösischen Metropole gilt als innovativstes Haus des Landes – bekannt nicht nur durch seine musikalische Neugier, sondern auch durch seine soziale Offenheit: Zahlreiche unkonventionelle Projekte haben Menschen in den Bann der Opéra gezogen, die sonst nie einen Hochkulturtempel von innen sehen.

Mit "Claude" hat die Opéra de Lyon erneut ihren Führungsanspruch bewiesen: Die Uraufführung wurde zum Publikumserfolg und griff in eine nationale Debatte über die von Populisten lautstark geforderte Wiedereinführung der Todesstrafe ein. Eine Strafe, die in Frankreich noch 1977 durch die Guillotine (!) vollstreckt und erst 1981 abgeschafft wurde. Treibende Kraft dieser markanten Verfassungsänderung war der damalige französische Justizminister Robert Badinter: Er, dessen jüdische Familie Opfer des Holocaust wurde, hatte sich als Anwalt für Hinrichtungskandidaten eingesetzt und als Politiker dafür gesorgt, dass NS-Verbrecher faire Verfahren bekamen. Mit einer bewegenden Rede vor der französischen Nationalversammlung setzte Badinter am 17. September 1981 fraktionsübergreifend die Abschaffung der Todesstrafe durch.

Nun hat der inzwischen 85-jährige Jurist sein Lebenswerk literarisch gekrönt und für die Oper von Lyon das Libretto zu "Claude" geschrieben. Es beruht auf der Novelle "Claude Gueux" von Victor Hugo, in der die wahre Geschichte eines Arbeitslosen aus dem Jahr 1834 erzählt wird: Wegen eines Brotdiebstahls kommt er ins Gefängnis, wird dort misshandelt, bringt den Direktor um und wird zum Tode verurteilt. Der Organist und Komponist Thierry Escaich hat daraus ein griffiges Drama gemacht, das wir in der Produktion der Uraufführung übertragen.

Opéra de Lyon
Aufzeichnung vom 27.03.13


Thierry Escaich
"Claude"
Oper in einem Akt
Libretto von Robert Badinter nach Victor Hugo
(Uraufführung)

Claude – Jean-Sébastien Bou, Bariton
Le Directeur – Jean-Philippe Lafont, Bariton
Albin – Rodrigo Ferreira, Countertenor
L’Entrepreneur / Le Surveillant Général – Laurent Alvaro, Bariton
Coeurs et Maîtrise de l’Opéra de Lyon
Orchestre de l’Opéra de Lyon
Leitung: Jérémie Rhorer

ca. 21:57 Uhr Nachrichten