Wenig Neues von Dercon
Seit Monaten wird über die Personalie Chris Dercon, zukünftiger Intendant der Berliner Volksbühne, gestritten. Jetzt hat der Belgier in Zeitungsinterviews seine Pläne ab 2017 vorgestellt. Neben bereits bekannten Namen hat er zum Schauspiel aber wieder nichts gesagt.
Nun also doch noch Konkretes vor Ende des Jahres: Der französische Choreograf Boris Charmatz soll die neue Volksbühnenspielzeit im Sommer 2017 eröffnen: Zwei Wochen lang wird er choreografische Versammlungen auf dem Tempelhofer Feld inszenieren und dazu die "Stadtgesellschaft" einladen. Exkurse in einzelne Stadtbezirke inbegriffen. Klingt ein bisschen so wie Matthias Lilienthals "Weltausstellung" zum Abschied vom HAU.
"Stadttheater ohne Grenzen" nennt das Programmchefin Marietta Piepenbrock. Angesichts einer bis August für das neue Team verschlossenen Volksbühne eine schlüssige Ausweichoption.
Susanne Kennedy wird Filmstoff inszenieren
Die schon bei der ersten Pressekonferenz genannten Namen – wie die dänische Choreografin Mette Ingvartsen, die Filmemacher Alexander Kluge oder Romuald Karmakar und die Theaterregisseurin Susanne Kennedy sind jetzt mit Projekten verknüpft: Susanne Kennedy beispielsweise wird einen Filmstoff inszenieren. Viele Künstler-Namen fallen in Dercons Ankündigung: Francis Keré – der Architekt eines mobilen Theaterbaus auf dem Tempelhofer Feld, der thailändische Filmregisseur Apichatpong Weerasethakul, dessen Installation "Fever Room" bereits in Brüssel und Graz zu sehen war.
Dass bildende Künstler in Zukunft verstärkt Regie führen sollen, ist für alle, die Dercons Werdegang kennen – aber auch jene, die die aktuelle Berliner Immersions-Theater-Debatte verfolgen, wenig überraschend. So wie auch der Fokus auf Tanz. Eine schöne Idee des Teams: die Wiederbelebung alter Positionen: die Re-Lektüre legendärer Avantgarde-Stücke. Hier soll Alexander Kluge helfen. Auch eine Beckett-Renaissance wird ausgerufen.
Dass bildende Künstler in Zukunft verstärkt Regie führen sollen, ist für alle, die Dercons Werdegang kennen – aber auch jene, die die aktuelle Berliner Immersions-Theater-Debatte verfolgen, wenig überraschend. So wie auch der Fokus auf Tanz. Eine schöne Idee des Teams: die Wiederbelebung alter Positionen: die Re-Lektüre legendärer Avantgarde-Stücke. Hier soll Alexander Kluge helfen. Auch eine Beckett-Renaissance wird ausgerufen.
Kein einziger Schauspielername wird genannt
Ratlos bleibt bei all dem, wer sich (weil noch nicht grenzenlos spartenübergreifend denkend) für Schauspiel interessiert: Kein einziger Schauspielername wird genannt. Auch nicht auf Nachfrage.
Dafür fallen Namen, wie der des 93-jährigen Theater-Regie-Altmeisters Claude Régy und immer wieder Leerformeln: von Vernetzung ist die Rede, von der Volksbühne als "Haus für Künstler", verbunden mit einem merkwürdigen Bekenntnis zum "armen Theater" im Gegensatz zu beschleunigten, expressiven Rhetorik von Castorf und Pollesch.
Klar, Chris Dercon und Marietta Piepenbrock sollten jetzt zeigen dürfen, wie sie ihre Pläne mit Leben füllen. Nur: Was ist an der von Dercon beschworenen "Biopolitik von Tanz" so interessant? Wie füllt man mit vielen kleinen Formaten – die auch an anderen Orten der Stadt zu finden sind – ein so großes Haus mit 800 Plätzen? Und wer sollen die Zuschauer der zukünftigen "Traumfabrik für Künstler" sein, die sich explizit nicht als "soziales Labor" versteht? Fortsetzung folgt.