Viel wolkiges Wortgeklingel
Mit viel Weltpathos hat die Gründungsintendanz des Humboldtforums das Programm des Hauses vorgestellt. Doch ob der Bogen zwischen chinesischer Hochkultur und den Computerspielen wirklich gelingt, wird sich noch zeigen müssen, kommentiert Christiane Habermalz.
Wenn Neil MacGregor, Ex-Direktor des British Museum und Gründungsintendant des Humboldtforums von Deutschland spricht, kommt er leicht ins Schwärmen. So auch heute, als er sich nach langem Schweigen und Abwarten erstmals seit seiner Ernennung im vergangenen Sommer der Presse stellte, um über seine Pläne für das Humboldtforum zu sprechen.
Deutsche Museen, mit ihrem Anspruch, die ganze Welt zu sammeln, seien einst Vorbild für ganz Europa gewesen, lobte MacGregor. Und Alexander von Humboldt sei der wichtigste Universalgelehrte gewesen, der die Sicht auf die Welt wie kein anderer verändert habe - einflussreicher noch als Darwin. Doch wer sich vom heutigen Auftritt der drei Gründungsintendanten plus Paul Spies, dem aus Amsterdam stammenden Chefkurator für den Berlin-Teil der Ausstellung, Konkreteres erhoffte, wurde enttäuscht.
Berlin - die weltoffenste Stadt von allen
Stattdessen war wieder sehr viel Weltpathos im Spiel. Im Humboldt-Forum sollen die Weltkulturen in eine große umfassende Narrative gebracht werden, ein großer Bogen soll geschlagen werden von der Berliner Stadtgeschichte zu den chinesischen und afrikanischen Hochkulturen, bis hin zum Islamischen Staat und Computerspielen. Vergangenheit und Gegenwart sollen verknüpft werden in einem neuen Weltbürgergefühl, das die Besucher im Humboldtforum befallen soll. Und kein Ort auf der Welt eignet sich besser dafür, als Berlin, die weltoffenste aller Städte.
Ist dieser Anspruch nun berechtigt und richtig – oder vermessen? Zugegeben, für manche von uns, die wir, wie Co-Intendant Horst Bredekamp es ausdrückt, in der Kultur der "Selbstverkleinerung" aufgewachsen sind, ist das doch ein bisschen viel der deutschen Usurpation und des teutonischen Geltungsanspruchs. Es wärmt zwar das Herz, dass die neue nationale Kultur-Begeisterung von einem Briten und einem Niederländer formuliert werden. Und von einem jeglichem nationalen Pathos unverdächtigen Kulturwissenschaftler wie Bredekamp, der sich in Begeisterung redet, wenn er davon spricht, dass selbst der Welterfolg von Apple erst durch die deutsche Gestaltpsychologie der 20er Jahre möglich geworden sei.
Nüchtern betrachtet werden ethnologische Sammlungen gezeigt
Doch wird das Ganze dadurch nicht weniger zweifelhaft. Die Welt bewundere Deutschland für seinen Mut, ein solches Mega-Projekt zu starten, erzählte MacGregor. Aber die Welt wird in jedem Fall auch genau hinsehen, was am Ende dabei herauskommt: Ein Sammelsurium von ethnologischen Artefakten präsentiert mit deutscher Selbstbeweihräucherung – oder eine wirklich interessante neue Sicht auf die Zusammenhänge in der Welt.
Nüchtern betrachtet bleibt das Humboldt-Forum zunächst eine Präsentation ethnologischer Sammlungen , darunter viele Trophäen, zusammengetragen in kolonialer Sammelleidenschaft und zur Schau gestellt in einem rekonstruierten Hohenzollernpalast im Herzen Berlins. Die Objekte sollen modern und in ihrem kulturellen Kontext präsentiert werden – das aber tun mittlerweile die meisten großen ethnologischen Museen der Welt. Der Rest bleibt auch jetzt noch viel wolkiges Wortgeklingel. Ob die großen Bögen, die Narrative der Weltgeschichte a la MacGregor am Ende gelingen – und von den Besuchern auch verstanden werden und gar etwas auslösen, muss sich erst noch zeigen.
Eines jedoch macht Hoffnung: Mit den vier Gründungsintendanten sind die vielleicht kreativsten intellektuellen Köpfe am Werk, die die Museumslandschaft derzeit zu bieten hat. Und sie haben Spaß an ihrer Aufgabe. Der Schlossbau schon zu weit fortgeschritten, Änderungen am Konzept nicht mehr möglich? Alles kein Problem, man muss nur frei denken, sagt Paul Spies. Und Horst Bredekamp ergänzt: Das Erdgeschoss muss frei sein und wild, ein Ort für den Chaos-Computerclub und Iggy Pop. Der hat ja schließlich auch mal in Berlin gelebt.