Plage in Mecklenburg-Vorpommern

Kormorane bedrohen Fischzüchter

Kormoran in der Stuttgarter Wilhelma
Kormorane breiten sich in Mecklenburg-Vorpommern derzeit stark aus. © dpa / picture alliance / Friedel Gierth
Von Silke Hasselmann |
Kormorane stehen unter Artenschutz. In Mecklenburg-Vorpommern werden die Tiere allerdings zum wirtschaftlichen Problem. Deswegen brach die Umweltbehörde mit einem Tabu: In bestimmten Regionen dürfen Kormorane abgeschossen werden.
Die "Lewitz-Fisch" GmbH liegt mitten im platten Lewitz-Naturschutzgebiet. Bis Anfang Mai werden in den 750 Hektar großen Teichen bis zu 150 Tonnen Fische ausgesetzt sein - vor allem Karpfen, aber auch Barsch und Hecht, sagt Pächter und Geschäftsführer Hermann Stahl. Der Wind kräuselt die Wasseroberfläche. Wir können im Moment keine Fische sehen.
"Aber erstaunlicherweise - das Wasser ist relativ trübe - ist das Erbeuten von Karpfen für Kormorane, Fischadler, Otter sowieso überhaupt kein Problem."
Wohl aber für Hermann Stahl und seine Leute. Denn was für sie ihre wirtschaftliche Existenzgrundlage ist, ist für die hiesigen Adler, Reiher und Otter fette Beute, leicht gemacht. Ist ja klar, sagt Hermann Stahl. Er versteht auch, dass sich der Kormoran bei ihm wohlfühlt. Doch der sei ein Feind seiner Fischbestände.
"Mit einem Kormoran, gegen den ich nichts tun kann, kann ich die Teichwirtschaft abmelden. Die Fische sind ja hier nicht ausgesetzt, um den Vögeln als Nahrung zu dienen, sondern sie gehören mir privat. Jeder Fisch ist von mir bezahlt und erzeugt worden. Stellen Sie sich vor: Wenn hier 100 Kormorane sind, dann fressen die jeden Tag 50 Kilogramm Fisch. Nun frage ich Sie: Machen Sie Ihr Portemonnaie auf und geben Sie jeden Tag den Wert für 50 Kilogramm Fisch in den Wind? Verbrennen Sie das Geld?"
Wenn Naturschützer von "Berufsrisiko" sprechen, weil er nach der Wende beim Pachten der Teiche doch gewusst habe, dass es hier Kormorane gibt, sagt Hermann Stahl: "Stimmt, aber":
"Zur Vergrämung" nun ganzjähriger Abschuss möglich
"Wir hatten zu DDR-Zeiten in Mecklenburg 800 Brutpaare. Das Ganze hat sich verfünfzehnfacht in der Schärfe. Das verstehen Naturschützer und es ist längst anerkannt, dass in Teichwirtschaften die Fische extrem gefährdet sind."
Christoph Herrmann, Kormoran-Spezialist am Landesumweltamt MV (Sitz in Güstrow)
Christoph Herrmann, Kormoran-Spezialist am Landesumweltamt MV (Sitz in Güstrow)© Silke Hasselmann
Christoph Herrmann versteht das Problem. Zwar weiß der Dezernatsleiter für Arten- und Lebensraumschutz im Landesumweltamt Güstrow, dass in Europa alle Vögel - auch der Kormoran - unter Artenschutz stehen und somit weder getötet noch an ihren Ruheplätzen gestört werden dürfen. Doch in seinem "Kormoran-Bericht MV 2014" hat Christoph Herrmann 17 größere Brutkolonien von Oder-Mündung über Peenetal bis zu den Lewitz-Fischteichen festgehalten. Tendenz: weiter steigend.
"In den letzten Jahren schwankte das zwischen etwa 8.000 Brutpaaren nach dem harten Winter 2010. Wir hatten mehr als 14.000 Brutpaare nach zwei sehr milden Wintern im Jahr 2008 und jetzt haben wir wieder etwa 12.500 Brutpaare. An den großen Fischteichanlagen in Boek und in der Lewitz ist es ganz klar, dass der Kormoran ein Problem darstellt und ohne Gegenmaßnahmen zu ökonomischen Totalausfällen führen würde. Deswegen dürfen dort ganzjährig Kormorane zur Vergrämung abgeschossen werden."
Wegen des nahezu eis- und schneefreien Winters 2014/15 rechnet Kormoran-Spezialist Herrmann rechnet für dieses Jahr damit, dass die Population des schwarzen Vogels weiter wachsen wird - womöglich auf Rekordstand. Auch an den Lewitz-Teichen schrillen die Alarmglocken.
"Ja, wir reden im Moment über etwa 50 Kormorane, die hier sind. Die Genehmigung, die ich bekomme, sagt aus, dass ab einer Anzahl von 25 Vögeln vergrämt werden darf an allen Teichen, wo sich Ruheplätze bilden. Und das ist das alles Entscheidende, dass man die Kormorane an ihren Ruheplätzen stört. Denn auf den Teichen, beim Fressen, beim Tauchen sind sie im Grunde nicht zu grämen."
Adler und Reiher lassen sich von Attacken nicht stören
In Spitzenzeiten hatten sie schon 200 Kormoran-Paare gleichzeitig an ihren Teichen, erinnert sich Hermann Stahl. Dazu hunderte Jungvögel. Sie verputzten innerhalb kurzer Zeit 70 Tonnen Fisch - sein Betrieb ging fast pleite. Daraufhin stellten sie den Antrag, auch die Ruheplätze beschießen zu dürfen. Man habe lange überlegt, ob man dieses Tabu brechen sollte, sagt Christoph Hermann vom Umweltamt Mecklenburg-Vorpommern. Doch dann - Überraschung:
"Man muss die Kormorane ja ein, zwei Abende, wenn sie dort einfallen, beschießen. Dann verschwinden sie eine Zeit lang, und es macht natürlich einen Unterschied im Schadensgeschehen, ob die Kormorane direkt auf dem Gelände übernachten oder erst 20 Kilometer anfliegen müssen. Das Ergebnis war: Es wurden weniger geschossen, weil einfach weniger da waren. Und es waren mehr Fische da, weil weniger Kormorane da waren."
Dass voriges Jahr allein an den Lewitz-Teichen fast 1.000 Kormorane getötet worden sind - "unerheblich für den Gesamtbestand", so Christoph Herrmann. Und: die Adler, Reiher, Weihen in der Lewitz lassen sich von den Attacken auf die Kormorane überhaupt nicht stören.
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