Plakative Nostalgie
"Tour de Suisse" ist ein farbenprächtiger Bildband mit Text vom Typ "coffee-table-book": Zu groß, zu schwer, um ihn in der Hand zu lesen, legt man ihn auf den Kaffee-Tisch und blättert darin, betrachtet, verweilt.
"Tour de Suisse" ist in erster Linie ein Buch, dass die Kunstform der Plakatkunst, in deren großer Zeit von den 1920-er Jahren bis in die 50-er zeigt, anhand von 70 ganzseitigen Vierfarbdruck-Plakaten aus der Schweiz. Schön die Idee des Verlages: Zehn Plakate kann man heraustrennen, auffalten und rahmen lassen. Noch schöner: Man macht das Buch damit nicht kaputt; jedem herausnehmbaren Plakat entspricht eine im Buch verbleibende Originalkopie.
"Tour de Suisse" zeigt ausschließlich Werbeplakate. Immer war es die Aufgabe des Plakats, Werbung oder Propaganda zu machen, ob für Persil oder für Parteien. In diesem Fall für touristische Attraktionen in der Schweiz: für Städte, Skihütten, Bergbahnen, Autobuslinien oder für das Bahnhofsbuffet in Basel - typische Plakate, wie man sie aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts kennt und wie man sie bei Trödlern auch als Emailleschild findet, ob als Erdal-Schuhcreme-Frosch oder als Flasche Coca Cola mit Showgirl oder Weihnachtsmann. Eine immer realistische Kunst, oft mit einem Comic-Touch, immer mit satten, knalligen, flächigen Farben. Typisch die deckenden Wasserfarben, auch Gouache genannt (vom Italienischen "guazzo", "Wasserlache"). Und in den 20-er Jahren kommt auch die Spritzpistolen-Technik auf - heute Air-brush genannt -, was eben besonders gleichmäßige Flächen schafft.
"Tour de Suisse" bietet unterschiedliche Plakatstile. Minimalistisch und konstruktivistisch etwa ein Plakat vom Monte Bré, einem berühmten Aussichtsberg mit Blick auf Lugano: nur ein knallroter Himmel, davor ein rabenschwarzer Berg und eine riesige weiße Sonne. Andere Plakate zeigen fotorealistische Art déco-Landschaftsgemälde. Oder man stelle sich Film- oder Zirkusplakate aus den 50er Jahren vor.
Was die Texte von "Tour de Suisse" betrifft, steht man, wenn man nicht das Impressum auf der letzten Seite zuerst gelesen hat, zunächst etwas ratlos da, merkt aber bald, dass es alte Texte aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sein müssen: "Zollfrei sind bei der Einreise bestimmte Reiseffekten, zwei photographische Apparate …" usw. Auch bei Hotelpreisen merkt der Leser, dass die nicht aktuell sein können. Die Texte sind also diversen Reiseführern der 20-er bis 50-er Jahre entnommen und kommentarlos zusammengemischt. Der Leser bleibt orientierungslos, was natürlich so gewollt ist. Der Untertitel des Buches verrät ja: Es ist "eine nostalgische Reise". Und das reicht.
Der Leser darf sich einfach dem schrulligen, schnurrigen Genuss dieser Texte hingeben, wo als Kletterbekleidung "die alte Kniehose von Onkel Karl" empfohlen wird oder wo man darauf hingewiesen wird, dass man in Ascona Künstler, also "bärtige und langhaarige Gestalten", auf den Straßen sieht.
"Tour de Suisse", ein Buch: liebenswert, unterhaltsam und für Fans der Schweiz oder der Plakatkunst eine sehr sinnliche Versuchung.
Besprochen von Lutz Bunk
Peter Graf (Hg.): Tour de Suisse - Eine nostalgische Reise zu den schönsten Plätzen der Schweiz
Graf und Walde Verlag, Zürich 2010
139 Seiten, 44,80 Euro
"Tour de Suisse" zeigt ausschließlich Werbeplakate. Immer war es die Aufgabe des Plakats, Werbung oder Propaganda zu machen, ob für Persil oder für Parteien. In diesem Fall für touristische Attraktionen in der Schweiz: für Städte, Skihütten, Bergbahnen, Autobuslinien oder für das Bahnhofsbuffet in Basel - typische Plakate, wie man sie aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts kennt und wie man sie bei Trödlern auch als Emailleschild findet, ob als Erdal-Schuhcreme-Frosch oder als Flasche Coca Cola mit Showgirl oder Weihnachtsmann. Eine immer realistische Kunst, oft mit einem Comic-Touch, immer mit satten, knalligen, flächigen Farben. Typisch die deckenden Wasserfarben, auch Gouache genannt (vom Italienischen "guazzo", "Wasserlache"). Und in den 20-er Jahren kommt auch die Spritzpistolen-Technik auf - heute Air-brush genannt -, was eben besonders gleichmäßige Flächen schafft.
"Tour de Suisse" bietet unterschiedliche Plakatstile. Minimalistisch und konstruktivistisch etwa ein Plakat vom Monte Bré, einem berühmten Aussichtsberg mit Blick auf Lugano: nur ein knallroter Himmel, davor ein rabenschwarzer Berg und eine riesige weiße Sonne. Andere Plakate zeigen fotorealistische Art déco-Landschaftsgemälde. Oder man stelle sich Film- oder Zirkusplakate aus den 50er Jahren vor.
Was die Texte von "Tour de Suisse" betrifft, steht man, wenn man nicht das Impressum auf der letzten Seite zuerst gelesen hat, zunächst etwas ratlos da, merkt aber bald, dass es alte Texte aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sein müssen: "Zollfrei sind bei der Einreise bestimmte Reiseffekten, zwei photographische Apparate …" usw. Auch bei Hotelpreisen merkt der Leser, dass die nicht aktuell sein können. Die Texte sind also diversen Reiseführern der 20-er bis 50-er Jahre entnommen und kommentarlos zusammengemischt. Der Leser bleibt orientierungslos, was natürlich so gewollt ist. Der Untertitel des Buches verrät ja: Es ist "eine nostalgische Reise". Und das reicht.
Der Leser darf sich einfach dem schrulligen, schnurrigen Genuss dieser Texte hingeben, wo als Kletterbekleidung "die alte Kniehose von Onkel Karl" empfohlen wird oder wo man darauf hingewiesen wird, dass man in Ascona Künstler, also "bärtige und langhaarige Gestalten", auf den Straßen sieht.
"Tour de Suisse", ein Buch: liebenswert, unterhaltsam und für Fans der Schweiz oder der Plakatkunst eine sehr sinnliche Versuchung.
Besprochen von Lutz Bunk
Peter Graf (Hg.): Tour de Suisse - Eine nostalgische Reise zu den schönsten Plätzen der Schweiz
Graf und Walde Verlag, Zürich 2010
139 Seiten, 44,80 Euro