Das Beet im Küchenschrank
Per App zum Gärtner und täglich frische Kräuter im Haus: Das verspricht ein Start-Up, das seinen "Plantcube" auf den Markt bringen will: Mit der Box lassen sich Wasser- und Lichtzufuhr genau regeln. Umweltschützer sind skeptisch.
Der grüne Daumen der Zukunft muss nur noch eine App bedienen können, um das eigene, perfekte Gemüse anzubauen. Der Plantcube macht es möglich.
"Man kann sich’s vorstellen wie einen kleinen Weinkühlschrank mit einer Glasfront – so 90 Zentimeter hoch, 60 breit, 60 tief: so ein Standardkücheneinbaumaß", erklärt Maximilian Lössl. "Das Gerät hat volle Klimakontrolle, automatische Bewässerung und automatische Beleuchtung. Und unterstützt letztendlich eine Pflanze dabei, vom Saatgut bis zur Ernte sich voll auszuprägen. Und übernimmt auch den ganzen Wachstumsprozess."
Sauerampfer unter Laborbedingungen
Der Erfinder Maximilian Lössl ist 29, er steht vor einem der Plantcubes, in dessen rot-bläulichen LED-Licht gerade Sauerampfer gedeiht. Der ist hoch optimiert und trotzdem bio – wie alles, was im Plantcube wächst. Und noch einmal viel gesünder als gekauftes Gemüse, sagt Lössl.
"Man kann im Schnitt sagen, dass 45 Prozent der Inhaltsstoffe von Pflanzen nach 24 Stunden schon abgebaut werden. Und wenn man die wirklich frisch zu Hause hat und direkt erntet und die Pflanzen dann direkt auf dem Teller landen, dann haben wir viel mehr Inhaltsstoffe, schmecken frischer und besser. Die Textur ist nochmal knackiger. Die Farbe ist nochmal ausgeprägter. Vor allem halten sie auch länger und ich muss nichts wegschmeißen."
Ein Produkt für ein gehobenes Publikum
Maximilian Lössl hat mit seinem Kumpel Philipp Wagner vor fünf Jahren Agrilution gegründet. Ein Start-up in der Münchner Peripherie, das neben vielen Preisen im vergangenen Jahr eine Millioneninvestition des LED-Herstellers Osram und der Tengelmann-Besitzer eingefahren hat. Mittlerweile sind die Plantcubes im Internet bestellbar, mit einer Wartezeit von einem halben Jahr. Das urbane Ziel-Publikum ist, wie der Stückpreis von 3000 Euro, eher gehoben.
"Wir haben einen Fokus auf eine Zielgruppe, die man mit dem Thema LOHAS ganz gut beschreiben kann – also Lifestyle of Health and Sustainability. Also Leute, die einen Fokus drauf legen, sich über Ernährung selbst zu optimieren – und wo Nachhaltigkeit immer eine wichtige Rolle spielt."
Keine Ökos von gestern
Einfach nur Ökos sind diese LOHAS schon lange nicht mehr. Der Selbstoptimierer von heute hat seinen organischen Vitaminspeicher zu Hause unter digitaler Kontrolle. Die Samenmatten aus Resten der Baumwollproduktion werden vom Gerät automatisch erkannt – und die Lichtverhältnisse je nach Pflanzensorte angepasst. Die App auf dem Smartphone verrät dann, wann die Userin Wasser oder Dünger in den Tank füllen muss – und auch, wann Erntezeit ist. Ein bisschen Lust an digitaler Technik gehört also dazu.
"Unsere älteste Kundin ist 92, das ist meine Oma. Selbst die traut sich mit dem Gerät umzugehen. Aber ja, so ein bisschen Spaß an Technik sollte man haben."
Keine Heimgärtner-Romantik
Mit Technik kennen sie sich aus bei Agrilution. Und auch Ideen sprießen reichlich.
"Wir können mit Hilfe von Licht zum Beispiel einen Rucola dazu bringen, entweder ein bisschen nussiger zu schmecken oder sogar ein bisschen schärfer. Und je nachdem, was der Kunde am Ende will, kann er uns Feedback geben. Und in Zukunft wird es so weit gehen, dass wir dann mehr oder weniger personalisierte Ernährung anbieten können. Auf die Präferenzen der Kunden zugeschnitten."
Der Nachteil: Ein so optimiertes Heim-Gewächshaus ist ein geschlossenes System. Der Plantcube funktioniert nur mit den Saatmatten, die man online bei der Firma bestellt. Das dürfte die individuelle Experimentierfreude stark dämpfen. Wer seinen Salat im Plantcube zieht, ist kein Heimgärtner, sondern Pflanzenproduzent.
Wie steht es um die Ökobilanz?
Doch wie ökologisch sinnvoll ist der Cube – der nach Angaben seines Erfinders etwa so viel Strom frisst wie ein Kühlschrank? Das Unternehmen selbst tut viel, um seine Prozesse umweltfreundlich zu gestalten. Etwa, indem es seine Saatmatten nur in Papier verschickt – und nicht in Plastikfolie. Offizielle Studien zur Ökobilanz des Plantcubes gibt es noch keine. Die Agrarexpertin vom Bund Naturschutz Deutschland, Katrin Wenz aber bevorzugt grundsätzlich den klassischen Bio-Ackerbau:
"Das Indoor-Farming, das eben in diesem kleinen Beispiel zu Hause stattfindet, ist nicht sonderlich energieeffizient, denn hier wird künstlich Temperatur erzeugt, Licht und, ja, es wird Wasser hinzugefügt und mineralischer Dünger. Und da muss man ganz genau hingucken bei der Umweltbilanz, denn mineralischer Dünger ist sehr energieaufwändig in der Erzeugung. Darum ist es immer besser, in der Region Nahrungsmittel ökologisch zu erzeugen und dann auch saisonal zu konsumieren."
Die eigene Fensterbank ist kostengünstiger
In Ländern, in denen nur wenig wächst, könnte ein Plantcube dagegen gut fürs Klima sein, sagt Katrin Wenz, denn dort könnte er helfen, vor allem die Ressourcen für die langen Transportwege zu sparen. Doch in Mitteleuropa mit seinen fruchtbaren Böden und dem milden Klima sei ein privates Heim-Gewächshaus ökologisch nicht sinnvoll, erklärt Katrin Wenz:
"Aus unserer Sicht handelt es sich es hierbei, sag ich mal, um ein modernes Lifestyle-Produkt. Menschen freuen sich unter Umständen immer frische Kräuter zu Hause zu haben, das ist auch eine schöne Idee. Aber ich glaube, alternativ kann man die auch einfach auf der Fensterbank züchten. Das sieht dann nicht ganz so modisch aus. Aber in der Regel haben Sie ja ohnehin geheizt, und Licht ist auch vorhanden. Und da haben wir jetzt hier ein Produkt, was eben zusätzlich Energie verbraucht und eigentlich gar nicht notwendig ist."
Seit kurzem schraubt das Münchner Start-up seine Plantcubes nicht mehr selbst im Keller zusammen, sondern lässt sie automatisiert fertigen – in einem europäischen Land mit niedrigeren Lohnkosten, heißt es. Von Herbst an sollen sie dann auch in Läden erhältlich sein. Wo genau, verrät das Start-up noch nicht.