Liveschalte an die Bar des Frankfurter Hofs
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Die Frankfurter Buchmesse wird in diesem Jahr vor allem digital stattfinden. Lesungen und Diskussionen gibt es über Livestreams im Netz, in ARD-Programmen sowie auf Arte. Aber auch Publikumsveranstaltungen sind geplant.
Aus einem digitalen "Salon der Hoffnung" soll - auch ohne klassische Hallenausstellung - ein ermutigendes Signal für die Branche vom Main in die Welt gesendet werden. So will es der Chef der Frankfurter Buchmessen, Jürgen Boos, trotz der auch für ihn enttäuschenden Absage der Messestände vom 14. bis zum 18. Oktober:
"Die Definition von Hoffnung ist ja: Zuversicht in das eigene Vermögen zu haben, mit der Krise gut umzugehen. Neue Wege zu erdenken und umzusetzen."
Ideenreichtum der Buchbranche
Die Buchbranche habe im letzten Dreivierteljahr gezeigt, dass sie auf die Pandemie schnell reagieren konnte: Vom Lastenfahrrad, mit dem Buchhandlungen die Literatur an die Kunden auslieferten, bis zu den neuen digitalen Plattformen, über die nun international Buchrechte verhandelt werden.
Die Branche sei nicht lange tatenlos geblieben. Sie werde nun auch entschlossen den Termin der Buchmesse nutzen, um sich auszutauschen und etwa in zwei Internetstudios für das Lesen zu werben, verspricht Boos:
"Wir haben 70 Stunden Fachprogramm aufgesetzt. Wir haben 22 Stunden BOOKFEST digital, das auf zwei Kanälen rund um die Welt geht. Wir haben hier in der Stadt 80 Veranstaltungen an vielen Locations. Unser Ehrengast Kanada, der nicht reisen kann in diesem Jahr, wird trotzdem viele Programmhighlights beisteuern."
Rechte werden über das Internet gehandelt
25 Lesungen und Diskussionsveranstaltungen wird Kanada anbieten. Doch die Geschäfte werden in diesem Jahr digital stattfinden. Etwa über eine Internetplattform, über die Buchrechte gehandelt werden.
"Wir haben in den letzten Tagen begonnen, unsere digitalen Plattformen zu öffnen", sagt Boos. "Was mich sehr freut ist, dass wir jetzt über 2800 digitale Aussteller aus fast 90 Ländern bereits auf dieser Plattform haben."
Lesungen und Diskussionen über Livestreams im Netz, in ARD-Programmen sowie auf Arte. 77 Publikumsveranstaltungen an 35 unterschiedlichen Orten der Main-Metropole – dieses Festival rund um das Buch soll auch ohne Messestände Lust aufs Lesen machen.
Dazu wird es an vielen Veranstaltungsorten erstmals Büchertische geben. Rund 100 Autorinnen und Autoren werden corona-gerecht hinter Plexiglas signieren. Tina Bernhard, die dieses Lesefestival organisiert hat, nennt einige Namen:
"Von den großen Namen ist dabei: Linda Zervakis, Jan Weiler, Ralf Caspers, Eric Meier, Frau Krohne-Schmalz ist dabei, Christoph Peters, Andreas Steinhöfel, Margit Auer, Max Biermann – und nicht zu vergessen die beiden Nominierten für den Deutschen Buchpreis: Deniz Ohde und Bov Bjerg."
Eine Schalte nach Hongkong
Auch wichtige politische Veranstaltungen der Buchmesse werden als digitale Formate angeboten – etwa der "Weltempfang" mit Diskussionsrunden zur aktuellen Menschenrechtslage. Das diesjährige Motto lautet: "Europa – Kulturen verbinden". Die Lage der Geflüchteten auf Lesbos dürfte ein Thema sein. Das genaue Programm soll Ende der Woche bekannt gegeben werden.
Lars Birken-Bertsch aus dem Buchmessenteam hat vor allem mit dem Hessischen Rundfunk in der Festhalle auf dem Frankfurter Messegelände ein vielstündiges Programm auf die Beine gestellt. Bis zu 450 Menschen gleichzeitig können jeweils unter Hygienebedingungen teilnehmen. Etwa an einer Diskussionsrunde zur politischen Situation in Hongkong:
"Samstagnachmittag wird es für das Wort und die Freiheit 'Free Hongkong' eine Schalte mit Joshua Wong geben. Am Samstagabend werden wir Irvine Welsh und John Living live zu Gast haben. Erstmals treten die beiden Giganten der schottischen Literatur auf deutschem Boden auf."
Hoffnung auf die Zeit nach der Pandemie
Zum 40. Geburtstag von Litprom, der Gesellschaft zur Förderung von Literatur aus Afrika, Asien und Lateinamerika, wird am 12. Oktober die Aufzeichnung eines Symposiums ausgestrahlt, das nach der Rezeption afrikanischer Literatur in Deutschland fragt.
Sehnsucht wecken nach Post-Pandemie-Nähe – das soll ein ganz anderes digitales Angebot. Sehnsucht etwa nach dem nächtlichen Absacker mit Verlagskolleginnen oder -kollegen an der in normalen Zeiten hoffnungslos überfüllten Bar des Hotels "Frankfurter Hof". In einer Live-Schalte in diese Bar, die in Pandemiezeiten hoffentlich eher spärlich besetzt ist, wird die Buchmesse augenzwinkernd daran erinnern, was irgendwann in Post-Corona-Zeiten in Frankfurt am Main wieder möglich sein könnte.