Plattenbauten und Gefängnisse als Schauplätze
Clemens von Wedemeyers Kurzfilme, Videos und Installationen werden mittlerweile weltweit in Galerien, Museen und Ausstellungshäusern gezeigt. Für die Documenta hat der Künstler einen Film über das in Kassel gelegene Kloster Breitenau gedreht. Breitenau war Benediktinerkloster, Besserungsanstalt, Konzentrationslager und Arbeitserziehungslager.
Clemens von Wedemeyer hat einen besonderen Treffpunkt vorgeschlagen: Das sowjetische Ehrenmal in Berlin Treptow. Es ist ein stürmischer Tag, an dem wir gemeinsam über die 10 Hektar große Anlage spazieren:
"Das sowjetische Ehrenmal hier interessiert mich, weil ich einmal recherchiert habe für einen Film, den ich mit russischen Immigranten gedreht habe. Ich bin sehr viel durch Berlin gefahren, und habe überlegt, es wäre gut einen Ort zu finden, der auch etwas mit Russland zu tun hat. Und es ging darum, einen Drehort zu finden, der etwas bedeutet, also nicht einfach eine Kulisse ist, sondern auch eine tatsächliche reale Geschichte hat."
Filmausschnitt 1: "Achtung! Transitvisa werden auf der anderen Seite des Gebäudes ausgestellt. Ich wiederhole: Alle Wartenden für Transitvisa: Eingang Nummer drei!"
von Wedemeyer: "Der Film heißt 'Otjesd', was auf russisch 'Weggang' heißt, und es geht um Leute, die vor der deutschen Botschaft in Moskau anstehen und dort versuchen reinzukommen."
Filmausschnitt 2: "Oooh, beim Haupteingang, große Tor, nach meiner Schätzung Tausende Leute, wie Verrückte, wollen rein. Und ich sage 'Katja, ne, ne, ne, das ist nicht für uns.' Ich habe keine Lust, kämpfen und so, ne, ne, ne."
Clemens von Wedemeyer ist ein schmaler, sensibler, fast scheuer Mann. Der gemeinsame Spaziergang über das russische Ehrenmal ist von Gesprächs-Pausen durchzogen. Von Wedemeyer setzt seine Worte gut überlegt. So präzise wie er auch seine Filme komponiert. "Otjesd" etwa ist eine zwölf Minuten lange Kamerafahrt ohne einen einzigen Schnitt. Das erinnert - nicht zufällig - an die Regiearbeit eines Andrej Tarkowskij. Tatsächlich ist von Wedemeyer Cineast. Allerdings einer, der sich an klassischen Präsentationsformen auch immer gerieben hat, wie er mittlerweile am Fuße des Denkmals des russischen Soldaten sitzend erzählt:
"Es hat mich auch immer so die Frage der Machtverhältnisse interessiert und Gruppendynamiken. Und das hängt wiederum auch zusammen mit dem Kino, weil das Kino an sich auch so eine Art von Machtstruktur ist. Wenn man dann vorne die Leinwand hat, und man sitzt in einer Reihe, und der Ton dringt auf einen ein, und man muss eigentlich sitzen bleiben. Ich hatte immer davon geträumt, dass man in einem Multiplexkino ist, und plötzlich sind alle Wände weg. Und man könnte so drum herum laufen. Und das ist das, was dann in der Kunst passiert mit diesen Videoinstallationen, wo man eben sich selber verhalten kann, und wenn es einem nicht gefällt, geht man wieder raus."
Clemens von Wedemeyer wird 1974 in Göttingen geboren. Film und Fotografie interessieren ihn schon als Kind. Gemeinsam mit seinen beiden älteren Brüdern macht er das elterliche Wohnzimmer regelmäßig zum Kino. Auf ihrem kleinen Super-8-Projektor kurbeln die drei am liebsten Mickey-Mouse-Filme durch. Und wie die Kommode, in der der Fernseher steht, unmerklich zu knacken ist, haben sie da auch schon lange herausgefunden. Die große Leidenschaft von Clemens von Wedemeyer wird dann jedoch die Fotografie:
"Ich bin auch immer mit der Kamera herumgelaufen. Und habe die Kamera auch irgendwann wie so einen Filter zwischen mir und der Welt wahrgenommen. Dazu kam noch dass ich kurzsichtig war, aber wenn ich durch die Stadt gelaufen bin, habe ich eben tatsächlich, auch weil ich keine Brillen mochte, durch die Kamera dann besser gesehen als mit dem bloßen Auge."
Seiner Leidenschaft aus Kinder- und Jugendtagen, bleibt Clemens von Wedemeyer zunächst treu, mit einem Studium der Fotografie und Medien in Bielefeld und Leipzig. Ein Sujet, das ihn besonders interessiert sind: Räume. Weil diese das Verhalten der Menschen definieren, die sich in ihnen bewegen. In seinen Filmen werden später Botschaften, Plattenbauten, Gefängnisse, ausgediente Kinosäle zu wichtigen Schauplätze. Als Fotograf fasziniert ihn anfangs vor allem der Stadtraum:
"Eine Arbeit die ich gemacht habe, war, mit der Kamera durch die Innenstadt zu laufen und Leute abzublitzen. Also, das war die aggressivste Fotoarbeit, die ich gemacht hatte. Wo man sich einfach diesen öffentlichen Raum anschaut und schaut, wie bewegen sich die Leute da durch, und wie reagieren sie darauf, wenn sie fotografiert werden."
Wie Menschen sich an Orten verhalten, verhalten müssen - und wie absurd das bisweilen sein kann, dem spürt Clemens von Wedemeyer heute mit der Filmkamera nach. Etwa in "Otjesd", seinem Stück über das kafkaeske Ringen mit der Immigrationsbehörde. Gedreht hat er ihn dann übrigens doch nicht am russischen Ehrenmal, sondern an der ehemaligen Grenze in Berlin Pankow. Am Ende unseres Spazierganges, es stürmt mittlerweile heftig, kommt er dann aber noch einmal auf seine Vorliebe für diesen geschichtsträchtigen Ort zu sprechen. Und so wird auch klar, warum wir uns genau hier getroffen haben:
"Auf diesem Gelände, was jetzt auch Friedhof ist und Gedenkstätte, war früher, Ende des 19. Jahrhunderts, eine Wasser- und Vergnügungssee. Daher kommt auch dieses Oval dieses Denkmals, weil es auf den Bildern so ist, dass hier eben so ein Oval eines künstlichen Sees war. Und die Geschichte ist natürlich ziemlich spannend, weil sich dann so verschiedene Ebenen übereinander türmen."
Gesichter einer Ausstellung - Künstler und Künstlerinnen auf der documenta
"Das sowjetische Ehrenmal hier interessiert mich, weil ich einmal recherchiert habe für einen Film, den ich mit russischen Immigranten gedreht habe. Ich bin sehr viel durch Berlin gefahren, und habe überlegt, es wäre gut einen Ort zu finden, der auch etwas mit Russland zu tun hat. Und es ging darum, einen Drehort zu finden, der etwas bedeutet, also nicht einfach eine Kulisse ist, sondern auch eine tatsächliche reale Geschichte hat."
Filmausschnitt 1: "Achtung! Transitvisa werden auf der anderen Seite des Gebäudes ausgestellt. Ich wiederhole: Alle Wartenden für Transitvisa: Eingang Nummer drei!"
von Wedemeyer: "Der Film heißt 'Otjesd', was auf russisch 'Weggang' heißt, und es geht um Leute, die vor der deutschen Botschaft in Moskau anstehen und dort versuchen reinzukommen."
Filmausschnitt 2: "Oooh, beim Haupteingang, große Tor, nach meiner Schätzung Tausende Leute, wie Verrückte, wollen rein. Und ich sage 'Katja, ne, ne, ne, das ist nicht für uns.' Ich habe keine Lust, kämpfen und so, ne, ne, ne."
Clemens von Wedemeyer ist ein schmaler, sensibler, fast scheuer Mann. Der gemeinsame Spaziergang über das russische Ehrenmal ist von Gesprächs-Pausen durchzogen. Von Wedemeyer setzt seine Worte gut überlegt. So präzise wie er auch seine Filme komponiert. "Otjesd" etwa ist eine zwölf Minuten lange Kamerafahrt ohne einen einzigen Schnitt. Das erinnert - nicht zufällig - an die Regiearbeit eines Andrej Tarkowskij. Tatsächlich ist von Wedemeyer Cineast. Allerdings einer, der sich an klassischen Präsentationsformen auch immer gerieben hat, wie er mittlerweile am Fuße des Denkmals des russischen Soldaten sitzend erzählt:
"Es hat mich auch immer so die Frage der Machtverhältnisse interessiert und Gruppendynamiken. Und das hängt wiederum auch zusammen mit dem Kino, weil das Kino an sich auch so eine Art von Machtstruktur ist. Wenn man dann vorne die Leinwand hat, und man sitzt in einer Reihe, und der Ton dringt auf einen ein, und man muss eigentlich sitzen bleiben. Ich hatte immer davon geträumt, dass man in einem Multiplexkino ist, und plötzlich sind alle Wände weg. Und man könnte so drum herum laufen. Und das ist das, was dann in der Kunst passiert mit diesen Videoinstallationen, wo man eben sich selber verhalten kann, und wenn es einem nicht gefällt, geht man wieder raus."
Clemens von Wedemeyer wird 1974 in Göttingen geboren. Film und Fotografie interessieren ihn schon als Kind. Gemeinsam mit seinen beiden älteren Brüdern macht er das elterliche Wohnzimmer regelmäßig zum Kino. Auf ihrem kleinen Super-8-Projektor kurbeln die drei am liebsten Mickey-Mouse-Filme durch. Und wie die Kommode, in der der Fernseher steht, unmerklich zu knacken ist, haben sie da auch schon lange herausgefunden. Die große Leidenschaft von Clemens von Wedemeyer wird dann jedoch die Fotografie:
"Ich bin auch immer mit der Kamera herumgelaufen. Und habe die Kamera auch irgendwann wie so einen Filter zwischen mir und der Welt wahrgenommen. Dazu kam noch dass ich kurzsichtig war, aber wenn ich durch die Stadt gelaufen bin, habe ich eben tatsächlich, auch weil ich keine Brillen mochte, durch die Kamera dann besser gesehen als mit dem bloßen Auge."
Seiner Leidenschaft aus Kinder- und Jugendtagen, bleibt Clemens von Wedemeyer zunächst treu, mit einem Studium der Fotografie und Medien in Bielefeld und Leipzig. Ein Sujet, das ihn besonders interessiert sind: Räume. Weil diese das Verhalten der Menschen definieren, die sich in ihnen bewegen. In seinen Filmen werden später Botschaften, Plattenbauten, Gefängnisse, ausgediente Kinosäle zu wichtigen Schauplätze. Als Fotograf fasziniert ihn anfangs vor allem der Stadtraum:
"Eine Arbeit die ich gemacht habe, war, mit der Kamera durch die Innenstadt zu laufen und Leute abzublitzen. Also, das war die aggressivste Fotoarbeit, die ich gemacht hatte. Wo man sich einfach diesen öffentlichen Raum anschaut und schaut, wie bewegen sich die Leute da durch, und wie reagieren sie darauf, wenn sie fotografiert werden."
Wie Menschen sich an Orten verhalten, verhalten müssen - und wie absurd das bisweilen sein kann, dem spürt Clemens von Wedemeyer heute mit der Filmkamera nach. Etwa in "Otjesd", seinem Stück über das kafkaeske Ringen mit der Immigrationsbehörde. Gedreht hat er ihn dann übrigens doch nicht am russischen Ehrenmal, sondern an der ehemaligen Grenze in Berlin Pankow. Am Ende unseres Spazierganges, es stürmt mittlerweile heftig, kommt er dann aber noch einmal auf seine Vorliebe für diesen geschichtsträchtigen Ort zu sprechen. Und so wird auch klar, warum wir uns genau hier getroffen haben:
"Auf diesem Gelände, was jetzt auch Friedhof ist und Gedenkstätte, war früher, Ende des 19. Jahrhunderts, eine Wasser- und Vergnügungssee. Daher kommt auch dieses Oval dieses Denkmals, weil es auf den Bildern so ist, dass hier eben so ein Oval eines künstlichen Sees war. Und die Geschichte ist natürlich ziemlich spannend, weil sich dann so verschiedene Ebenen übereinander türmen."
Gesichter einer Ausstellung - Künstler und Künstlerinnen auf der documenta