Plattenproduzent, Talent-Scout, Pionier

Von Karl Lippegaus |
John Hammond war ein Pionier unter den Produzenten und Talentsuchern im Jazz und Rock des 20. Jahrhunderts. Die von ihm kuratierten Konzerte brachten 1938 erstmals weiße und schwarze Musiker gemeinsam auf eine große Bühne. Später förderte er Talente wie Bob Dylan und Aretha Franklin.
"Musik, vor allem von Platten, drang sehr früh in mein Leben und wurde der Katalysator für alles, was danach passierte. In den Rillen der Platten, die ich bei mir zuhause fand, entdeckte ich eine neue Welt."

John Hammond wurde am 15. Dezember 1910 in eine der reichsten Familien Amerikas geboren. Er wuchs in New York wie auf einem Schloss auf, mit 16 Bediensteten und einem Ballsaal für 250 Gäste.

"Unser Haus war so riesengroß, dass niemand genau wusste, wo ich steckte. Ich war zu jung, um in die Nachtclubs zu dürfen. Also schlich ich mich nach der Schule weg nach Harlem."

1921 hörte der Elfjährige seinen ersten Live-Jazz und begann Platten zu sammeln. Die Sängerin Bessie Smith erlebte er auf der Bühne und wurde 1934 ihr Produzent. Dafür brach er sogar sein Studium in Yale ab.

"Ich glaube, am besten beschreibt man mich als einen sozialen Dissidenten New Yorks. Endlich frei, um meinen Widerspruch gegen das soziale System auszudrücken, in das ich hineingeboren wurde."

Mit 22 verließ er seine Familie, zog nach Greenwich Village und leitete seine erste Plattenaufnahme mit Fletcher Henderson.

"Ich fand immer, dass Fletchers Band den größten Sound aller Orchester dieser Ära hatte. Er arbeitete im Roseland Ballroom und war der einzige, der vollen Gebrauch aller Solisten in seiner Band machte. Meine Idee war, dass Benny Goodman und Fletcher Henderson die Popmelodien zum Swingen bringen sollten. Irgendwann machte es klick und die Swing-Ära war auf ihrem Weg."

"1933 hing ich in Nachtclubs in Harlem herum. Da gab's eine junge Sängerin, die ich besonders mochte, sie hieß Monette Moore. Sie fand jemanden, der Geld hatte, eröffnete ein Kellerlokal an der 125. Straße und nannte es "Monette's Place". Ich ging zur Eröffnung hin und statt Monette sang dieses junge Mädchen. Rundlich. Aber sehr schön. Es war Billie Holiday."

1933 trifft Hammond den damals bereits gefeierten Klarinettisten Benny Goodman. Benny hat sich zäh nach oben gespielt. Hammond will ihn mit erstklassigen schwarzen Musikern zusammen bringen. Goodman fürchtet aber um seinen Ruf. Doch Hammond bleibt stur. Benny Goodman, Teddy Wilson und Lionel Hampton werden so populär wie später die Beatles. Ein Jahr später entdeckt er in einem Club in Kansas City die Bigband von Count Basie.

"Jede Nacht übertrug ein kleiner Radiosender live aus dem Reno Club in Kansas City, und ich lauschte dieser unglaublichen Band."

Produzenten erhielten ein vergleichsweise mageres Gehalt und waren bis in die 60er-Jahre nicht an den Tantiemen aus den Plattenverkäufen beteiligt. Doch Geld spielte für den Talentsucher Hammond keine Rolle. Während der Aufnahme pflegte er im Studio zu sitzen und die New York Times zu lesen. John ließ ein Mikrofon in die Mitte des Raums stellen und die Band legte einfach los.

"Ich machte viele tolle Platten mit Billie Holiday. Doch sie war so revolutionär, dass sie kaum Jobs fand. Die Überlegenheit der Farbigen im Jazz zu zeigen, war die effektivste und konstruktivste Form von sozialem Protest, die ich mir denken konnte."

In der Carnegie Hall organisierte er 1938 und '39 die heute legendäre Reihe "From Spirituals to Swing" - Hunderte von Künstlern und Pseudokünstlern hörte er, um einen zu finden, der ihn überzeugte. Wie Aretha Franklin, den Folkbarden Pete Seeger, Bob Dylan, Leonard Cohen, Bruce Springsteen und viele andere. John Hammond starb am 10. Juli 1987, angeblich während er dem Gesang Billie Holidays lauschte. Seine Memoiren schließen mit den Sätzen:

"Ich erwarte immer noch, wenn nicht heute, dann morgen, eine Stimme oder einen Klang zu hören, den ich noch nie vorher gehört habe, der etwas zu sagen hat, was noch nie gesagt wurde. Wenn das passiert, werde ich wissen, was zu tun ist."