Zwischen Flexibilität und Unsicherheit
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Ob Pizzaboten oder Fahrdienste - immer mehr Menschen arbeiten auf Vermittlung von Online-Plattformen. Für viele geht es dabei um einen flexiblen Nebenerwerb. Doch die Freiheit hat auch einen Preis.
Immer mehr Jobs werden über Apps und Internetplattformen vermittelt. Die Mitarbeiter gelten als selbstständig. Was das für die Arbeitswelt bedeutet, beschäftigt die Gewerkschaften, die Politik und heute auch das Bundesarbeitsgericht in Erfurt. Beim Digitalgipfel der Bundesregierung ist der Trend ebenfalls ein Thema.
Die Vielfalt der Online-Anbieter sei groß, sagt der Arbeitssoziologe Martin Krzywdzinski. Diese sammelten Aufträge ein und verteilten sie dann "an eine Menge formal selbstständiger Freelancer". Zu den Anbietern gehörten Lieferanten- ebenso wie Fahrdienste, aber auch Plattformen, die Programmier-, Design- oder Architekturtätigkeiten vermittelten. Die Arbeit werde mal schlecht, mal gut entlohnt.
Meistens ist Plattform-Arbeit ein Nebenerwerb
Schätzungen gingen davon aus, dass inzwischen einige hunderttausend Menschen in Deutschland auf diese Weise arbeiteten. Allerdings sei das für etwa 60 bis 70 Prozent eher ein Nebenerwerb, sagt der Arbeitssoziologe. Nur etwa 100.000 bis 150.000 Personen seien hauptberuflich für solche Plattformen tätig.
Die schwierige Frage, ob die Mitarbeiter tatsächlich selbständig sind oder eher scheinselbständig, beantwortet der Arbeitssoziologe mit einem Verweis auf die Gesetzeslage: "In Deutschland sieht das Arbeitsrecht ein relativ strenges Kriterium vor, das ist die Weisungsgebundenheit." Wer weisungsgebunden sei, sei auch abhängig beschäftigt. Der Arbeitnehmer müsse dann auf Weisung des Vorgesetzten in einer vereinbarten Zeit ausführen, was ihm vorgegeben werde.
Rankings für die Mitarbeiter
"Das ist natürlich dort eine Grauzone", sagt Krzywdzinski über viele der Plattform-Aufträge. Formal hätten die Mitarbeiter schon die Wahl, welche und wie viele Aufträge sie übernähmen und seien damit selbstständig.
Allerdings gehe es auch Situationen, in denen die Abhängigkeit von der Plattform sehr groß werde: zum Beispiel, wenn die Mitarbeiter auf das Einkommen vollständig angewiesen seien oder die Plattformen Rankings für ihre Mitarbeiter anlegten.
Dieser Graubereich werde bei den Fahrradkurieren besonders sichtbar, wenn Schichten und Wege genau vorgegeben würden oder eine permanente Erreichbarkeit der Fahrer erzwungen werde. "Da wird deutlich, dass manche eigentlich eher scheinselbständig sind als wirkliche Freelancer."
Schwierige Regulierung
Grundsätzlich sei diese Form der Arbeit unsicher, wie bei allen Solo-Selbständigen, sagt der Arbeitssoziologe. "Man weiß natürlich nicht genau, wie das Einkommen im nächsten Monat, in der nächsten Woche aussehen wird."
Es gebe zudem keine Absicherung im Krankheitsfall. Wenn die Mitarbeiter dann auch noch schlechter qualifiziert seien, schlecht Deutsch sprächen oder als Alleinerziehende den Familienunterhalt sichern müssten, werde es prekär.
In solchen Fällen liege es in der Verantwortung des Staates, für bessere Arbeitsbedingungen und mehr Absicherung zu sorgen, meint Krzywdzinski. Es sei bei der Regulierung allerdings schwer, einen guten Mittelweg zu finden. "Wie erhält man die Flexibilität, schafft aber zugleich Sicherheit für die Plattform-Arbeiter?"
(gem)