Platzecks Entscheidung "ein echter Paukenschlag"

Thoralf Cleven im Gespräch mit Ute Welty · 30.07.2013
Weil Regierungschefs nicht täglich zurücktreten, berichtet sein Blatt auf vier Seiten über Matthias Platzecks Entscheidung, erläutert Thoralf Cleven. Dass er den Brandenburgern Selbstwertgefühl gegeben habe, sei dessen großes Verdienst, so der Chefredakteur der "Märkischen Allgemeinen".
Ute Welty: Gestern Morgen meldeten noch diverse Medien, Matthias Platzeck habe sich im Urlaub gut erholt. Gestern Mittag verdichteten sich die Hinweise auf einen Rücktritt, und gestern Abend dann die Gewissheit, der brandenburgische Ministerpräsident gibt sein Amt auf.

O-Ton Matthias Platzeck: "Einer der Ärzte hat es auf die Formel gebracht: Platzeck, 40, 50 Stunden kannst du gut und gerne arbeiten, und das auch noch zehn Jahre, weil ich wollte immer bis zum 70. Lebensjahr arbeiten und werde das auch tun. Aber 80 Stunden, vergiss es. Und das musste ich einfach realisieren und umsetzen. Und da sage ich mal ganz klar: Das Amt eines Ministerpräsidenten ist in 40 oder 50 Stunden nicht zu absolvieren."

Welty: Beobachtet hat das alles auch von Berufs wegen Thoralf Cleven, Chefredakteur der "Märkischen Allgemeinen". Guten Morgen!

Thoralf Cleven: Guten Morgen, Frau Welty!

Welty: Wie hektisch war Ihr Tag und der der Kollegen angesichts der brandenburgischen Nachrichtenlage?

Cleven: Es war gar nicht so hektisch, wie man sich es vielleicht vorstellt.

Welty: Warum das nicht?

Cleven: Na ja, wir wussten schon, dass irgendetwas bevorsteht, weil am Ende der vergangenen Woche eierte doch die Staatskanzlei ganz schön herum. Was denn nun am Montag passieren wird, ob Herr Platzeck zurückkommt, ob er wieder antritt, welche Termine er nimmt und so weiter und so fort. Und Sonntagnacht wussten wir eigentlich schon ziemlich sicher, dass Platzeck eine Entscheidung getroffen hat, die er ja dann auch gestern Abend verkündete.

Welty: Das heißt, Sie haben direkt gestern früh dann auch Weichen stellen können und Entscheidungen treffen können?

Cleven: Ja. Gestern Morgen wussten wir es ziemlich sicher, dass der Ministerpräsident zurücktreten wird, und haben uns entsprechend vorbereitet.

Welty: Welche Entscheidung lässt sich heute wie im Blatt nachvollziehen?

Cleven: Wie meinen Sie das?

Welty: Na ja, wann haben Sie gesagt, dass Sie einen Bericht machen oder ein Interview mit Stolpe beispielsweise, dass Sie die Menschen befragen, dass Sie das neue Spitzenpersonal vorstellen?

Cleven: Das haben wir eigentlich gestern Mittag entschieden in einer Redaktionskonferenz, wer was macht. Wir haben erst mal entschieden, dass wir vier Seiten machen zu dem Thema, weil es ja ein echter Paukenschlag ist für das Land Brandenburg, ein Regierungschef tritt nicht jeden Tag zurück. Und wir mussten den neuen Mann vorstellen. Wir mussten das Stühlerücken in der SPD dokumentieren. Wir mussten natürlich auch analysieren, wie Platzeck zu dieser Entscheidung gekommen ist, wollten auch Reaktionen einfangen unserer Leser. Das haben wir über unsere 15 Lokalredaktionen getan, und haben letztendlich auch Reaktionen in der Bundespolitik abgefragt.

Welty: Gibt es etwas in dieser Formenvielfalt, die wirklich beeindruckend ist, was Ihnen noch fehlt, was Sie sich gewünscht hätten, was sich dann aber beim besten Willen nicht mehr hat stemmen lassen?

Cleven: Na ja, was so ein bisschen fehlt, sind praktisch, ist so die Vergangenheit Platzecks, die man in Bildern noch mal mehr dokumentieren könnte, sein Weg als Politiker in den vergangenen 20 Jahren. Aber dafür ist ja noch ein bisschen Zeit.

Welty: Genau, es gibt ja noch einen weiteren Termin, der wichtig wird dann auch in der Berichterstattung, nämlich der 28. August, der tatsächliche Tag des Rücktritts.

Cleven: So ist es, ja.

Welty: Und da kann man sich ja in aller Ruhe noch mal vorbereiten.

Cleven: Genau. Aber es hat natürlich nicht mehr das überraschende Moment wie gestern.

Welty: Sie sind ja noch gar nicht so lange in Potsdam, sondern Ihre journalistischen Wurzeln, die liegen ja eher zwischen Rostock, Usedom und Wismar, nämlich bei der "Ostsee-Zeitung". Der waren Sie lange Jahre verbunden, zuletzt als stellvertretender Chefredakteur, um dann eben mit einem Stopp in Berlin nach Brandenburg zu wechseln. Wenn Sie jetzt mal die regionale Berichterstattung vergleichen, wo ähneln sich die an der Ostsee und Havel und wo unterscheiden sie sich?

Cleven: Die unterscheiden sich gar nicht so stark, denn die Probleme sind ja ähnliche, die aus der Vergangenheit resultieren. Und in beiden Bundesländern haben es eigentlich Ministerpräsidenten geschafft, doch den Menschen so ein gewisses Selbstbewusstsein, Selbstwertgefühl zu geben. Und das, denke ich, ist auch ein großes Verdienst von Matthias Platzeck in Brandenburg.

Welty: Thoralf Cleven, Chefredakteur der "Märkischen Allgemeinen", zum Rückzug von Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck, und das im "Mediengespräch" der "Ortszeit", ich danke!

Cleven: Ja, tschüss!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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