Was sich von der Leyen für den Zapfenstreich wünscht
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Für ihren Abschied als Bundesverteidigungsministerin darf sich Ursula von der Leyen Musik aussuchen. Vor allem ein Stück verweise auf ihre künftige Tätigkeit als Präsidentin der Europäischen Kommission, sagt unser Musikchef Holger Hettinger.
Mozarts "Ave verum", die "Ode an die Freude" aus Beethovens 9. Sinfonie sowie "Wind of Change" der niedersächsischen Hardrock-Heuler "Scorpions": Dies sei eine Musikauswahl aus der Kategorie "erwartbar, naheliegend", bewertet Holger Hettinger, Musikchef von Deutschlandfunk Kultur, die Auswahl, die die ehemalige Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen für ihren Großen Zapfenstreich am Donnerstag getroffen hat.
Es ist Brauch, dass scheidende Verteidigungsminister Stücke ihrer Wahl benennen dürfen, die dann vom Stabsmusikkorps der Bundeswehr gespielt werden. Von der Leyens Auswahl lässt Hettinger in gewisser Weise enttäuscht zurück: Denn eigentlich hatte er sich auf die Möglichkeit gefreut, "vogelwilde Exegese" zu betreiben.
Hymne der Europäischen Union
Das ist in diesem Fall nur bedingt möglich. "Ave verum" von Wolfgang Amadeus Mozart sei "bundesrepublikanisches bildungsbürgerliches Kernrepertoire": ein Werk, das so ziemlich jeder Kirchenchor aufführe, und das auch im Bereich der gehobenen privaten Hausmusik seinen Platz habe, so Hettinger. Die "Ode an die Freude" wiederum sei ein deutlicher Hinweis auf den nächsten Job der ehemaligen Verteidigungsministerin. Beethovens Chorsatz ist die Hymne der Europäischen Union und von der Leyen die künftige Präsidentin der Europäischen Kommission.
"Wind of Change" schließlich sei Ausweis der regionalen Verbundenheit: Sowohl die Scorpions als auch Ursula von der Leyen seien untrennbar mit Hannover verbunden. Den Song wertet Hettinger als "Absicherung durch den großen Odem der Weltgeschichte".
Keine Militärmusik in der Auswahl
Bemerkenswert findet Hettinger, dass die Musikauswahl ohne ein einziges Werk mit militärischem Kontext oder Bundeswehr-Verweis auskommt. Das hätten von der Leyens Vorgänger anders gemacht. Selbst Karl Theodor zu Guttenberg, der bei seinem Großen Zapfenstreich mit der Wahl von "Smoke on the water" von Deep Purple "noch mal den Rocker raushängen ließ", habe zur Verabschiedung zusätzlich zwei Militärmärsche ausgewählt. Es sei das erste Mal, dass ein Großer Zapfenstreich ohne solches Traditionsrepertoire auskomme.
Die Neigung der jeweiligen Ministeriumsspitze, beim Großen Zapfenstreich auch auf durchaus seichtes Liedgut zu setzen, liegt laut Hettinger darin begründet, dass ein fest gefügter, betont feierlich-traditionalistischer Rahmen eine gute Basis dafür bietet, durch die Wahl von einschlägig bekannten Hits volkstümlicher zu wirken.
Rockmusik muss "dreckig" sein
Hettinger meldet allerdings Zweifel an, ob das Stabsmusikkorps der Bundeswehr die ideale Formation ist, um Pop- und Rock-Klassiker aufzuführen – zwar sei das Korps ein "Spitzenensemble", bewege sich jedoch mit "Wind of Change" außerhalb seines Kernrepertoires. Gerade Rock-Titel verlangten förmlich nach "der berühmten Schippe Dreck", jener Unperfektion, die Rockmusik erst lebendig und interessant mache.