Plötzlich verschwunden
Vor genau einem Jahr wurde der chinesische Künstler Ai Weiwei überraschend am Flughafen festgenommen. Der 54-Jährige blieb insgesamt 81 Tage lang verschwunden, niemand wusste, wo er war. Seine Mutter Gao Ying erinnert sich.
"Ich bin fast verrückt geworden, ich dachte, er kann sich doch nicht in Luft aufgelöst haben. Wir hörten nichts über ihn, es hieß immer nur, zwei Männer hätten ihn mitgenommen, mehr wussten wir nicht. Es hat mich fast in den Wahnsinn getrieben."
Die 80-jährige Mutter Ai Weiweis ist eine rüstige Frau. Die Festnahme ihres Sohnes vor einem Jahr hat sie zutiefst erschüttert. Sie war unruhig, nervös - und konnte nicht tatenlos bleiben. Gao Ying hatte von den Möglichkeiten des Internets gehört. Sie wusste, dass über 200 Millionen Chinesen im Internet regelmäßig Nachrichten schreiben, bei sogenannten Mikroblogs. Und so ließ auch sie sich im vergangenen Jahr dort ein Konto einrichten: Drei Tage nach Ai Weiweis Festnahme stellte sie eine Nachricht online.
"Ich schrieb: Mein Sohn Ai Weiwei ist am 3. April am Pekinger Flughafen verschleppt worden, bitte helft mir, meinen Sohn zu finden. Dann habe ich meine Handynummer noch dazugeschrieben. Zehn Minuten später klingelte das Telefon, und dann haben Medien aus der ganzen Welt angerufen, um mich zu interviewen. Also, das Internet ist wirklich sehr rasch."
Die alte Dame sitzt in ihrem Wohnzimmer vor der Büste ihres 1996 verstorbenen Ehemannes Ai Qing, Ai Weiweis Vater. Die Familie hatte während der vergangenen Jahrzehnte ein hartes Leben. Der Dichter Ai Qing, war in den 40er- und 50er-Jahren noch ein enger Weggefährte Mao Zedongs. Doch 1958 wurde er bei einer politischen Säuberung ins Exil verbannt. Im bitterarmen Norden des Landes musste die Familie insgesamt 18 Jahre lang unter unvorstellbaren Bedingungen leben - zeitweise in einem Erdloch, das nur mit Blättern und Zweigen abgedeckt wurde.
"Weiwei merkte bald, dass er ein Kind aus einer Rechtsabweichler-Familie ist, das hat ihn natürlich sehr verletzt. Unsere Familie galt als Feind des Systems, die Leute haben auf uns herabgeschaut. Und die anderen Kinder wollten mit Weiwei nichts zu tu haben, sie wollten nicht, dass er dazugehört."
Ai Weiweis Vater Ai Qing hatte in seiner Jugend in Paris Kunst studiert. Im China der 40er- und 50er-Jahre gehörte er zu den einflussreichen Intellektuellen der Volksrepublik. Nach seiner Verbannung wurde er ständig gedemütigt. Jeden Tag musste der Dichter die öffentlichen Toiletten putzen.
"Es ist eigentlich ein Wunder, dass wir diese harte Zeit überlebt haben. Der Mensch wurde zum Tier gemacht. Es gab keine Gerechtigkeit, nichts. Man musste ständig um seine Existenz bangen, denn man war permanent der Willkür der anderen ausgesetzt. Dass sich Weiwei für die Benachteiligten einsetzt, liegt natürlich daran, dass er am eigenen Leib dies alles erfahren hat. Das ist ein Grund, weshalb er Gleichheit, Demokratie und Rechtssicherheit fordert."
Gao Ying ist stolz auf ihren Sohn, das merkt man ihr an. Sie war fassungslos, als die Regierung ihn im letzten Jahr wegsperrte. Gao Ying ist Parteimitglied. Wegen der früheren Beziehungen ihres Mannes zu Mao Zedong hatten Spitzenpolitiker in den vergangenen Jahren einen losen Kontakt zu ihr gehalten. Im Wohnzimmer der Witwe hing sogar jahrelang eine Fotografie, die sie im Gespräch mit Chinas Staatspräsident Hu Jintao zeigte. Bitter enttäuscht über die Festnahme ihres Sohnes nahm Gao Ying das Foto im vergangenen Jahr von der Wand. Bis heute hat sie die Stelle kahl gelassen.
"Weiwei hat mir ein paar Mal gesagt: Mama, ich setze mich für die einfachen Leute ein, gegen die Regierung und ihre Lügen. Ich kämpfe nicht für mich, sondern für die Menschen in unserem Land. Das habe ich irgendwann verstanden. Weiwei hat gute Absichten, aber die Regierung fasst es so auf, als würde er sich gegen das Land stellen. Für sie ist Ai Weiwei jemand, der gegen China kämpft, sie will nicht, dass irgendjemand etwas gegen die Regierung sagt. Alle sollen den Mund halten."
Weil Ai Weiwei seinen Mund nicht hält, war er im vergangenen Jahr 81 Tage lang eingesperrt. Rund um die Uhr bewacht, immer wieder verhört. Am 22. Juni kam er unter Auflagen frei. Seither hat er Peking nicht verlassen dürfen, offiziell darf er nicht im Internet bloggen und keine Interviews geben. Die Regierung wirft dem Künstler Steuerbetrug vor, er hat dies wiederholt zurückgewiesen. Ai Weiweis Auflagen enden am 22. Juni dieses Jahres. Noch ist unklar, wie es danach weitergehen wird.
Die 80-jährige Mutter Ai Weiweis ist eine rüstige Frau. Die Festnahme ihres Sohnes vor einem Jahr hat sie zutiefst erschüttert. Sie war unruhig, nervös - und konnte nicht tatenlos bleiben. Gao Ying hatte von den Möglichkeiten des Internets gehört. Sie wusste, dass über 200 Millionen Chinesen im Internet regelmäßig Nachrichten schreiben, bei sogenannten Mikroblogs. Und so ließ auch sie sich im vergangenen Jahr dort ein Konto einrichten: Drei Tage nach Ai Weiweis Festnahme stellte sie eine Nachricht online.
"Ich schrieb: Mein Sohn Ai Weiwei ist am 3. April am Pekinger Flughafen verschleppt worden, bitte helft mir, meinen Sohn zu finden. Dann habe ich meine Handynummer noch dazugeschrieben. Zehn Minuten später klingelte das Telefon, und dann haben Medien aus der ganzen Welt angerufen, um mich zu interviewen. Also, das Internet ist wirklich sehr rasch."
Die alte Dame sitzt in ihrem Wohnzimmer vor der Büste ihres 1996 verstorbenen Ehemannes Ai Qing, Ai Weiweis Vater. Die Familie hatte während der vergangenen Jahrzehnte ein hartes Leben. Der Dichter Ai Qing, war in den 40er- und 50er-Jahren noch ein enger Weggefährte Mao Zedongs. Doch 1958 wurde er bei einer politischen Säuberung ins Exil verbannt. Im bitterarmen Norden des Landes musste die Familie insgesamt 18 Jahre lang unter unvorstellbaren Bedingungen leben - zeitweise in einem Erdloch, das nur mit Blättern und Zweigen abgedeckt wurde.
"Weiwei merkte bald, dass er ein Kind aus einer Rechtsabweichler-Familie ist, das hat ihn natürlich sehr verletzt. Unsere Familie galt als Feind des Systems, die Leute haben auf uns herabgeschaut. Und die anderen Kinder wollten mit Weiwei nichts zu tu haben, sie wollten nicht, dass er dazugehört."
Ai Weiweis Vater Ai Qing hatte in seiner Jugend in Paris Kunst studiert. Im China der 40er- und 50er-Jahre gehörte er zu den einflussreichen Intellektuellen der Volksrepublik. Nach seiner Verbannung wurde er ständig gedemütigt. Jeden Tag musste der Dichter die öffentlichen Toiletten putzen.
"Es ist eigentlich ein Wunder, dass wir diese harte Zeit überlebt haben. Der Mensch wurde zum Tier gemacht. Es gab keine Gerechtigkeit, nichts. Man musste ständig um seine Existenz bangen, denn man war permanent der Willkür der anderen ausgesetzt. Dass sich Weiwei für die Benachteiligten einsetzt, liegt natürlich daran, dass er am eigenen Leib dies alles erfahren hat. Das ist ein Grund, weshalb er Gleichheit, Demokratie und Rechtssicherheit fordert."
Gao Ying ist stolz auf ihren Sohn, das merkt man ihr an. Sie war fassungslos, als die Regierung ihn im letzten Jahr wegsperrte. Gao Ying ist Parteimitglied. Wegen der früheren Beziehungen ihres Mannes zu Mao Zedong hatten Spitzenpolitiker in den vergangenen Jahren einen losen Kontakt zu ihr gehalten. Im Wohnzimmer der Witwe hing sogar jahrelang eine Fotografie, die sie im Gespräch mit Chinas Staatspräsident Hu Jintao zeigte. Bitter enttäuscht über die Festnahme ihres Sohnes nahm Gao Ying das Foto im vergangenen Jahr von der Wand. Bis heute hat sie die Stelle kahl gelassen.
"Weiwei hat mir ein paar Mal gesagt: Mama, ich setze mich für die einfachen Leute ein, gegen die Regierung und ihre Lügen. Ich kämpfe nicht für mich, sondern für die Menschen in unserem Land. Das habe ich irgendwann verstanden. Weiwei hat gute Absichten, aber die Regierung fasst es so auf, als würde er sich gegen das Land stellen. Für sie ist Ai Weiwei jemand, der gegen China kämpft, sie will nicht, dass irgendjemand etwas gegen die Regierung sagt. Alle sollen den Mund halten."
Weil Ai Weiwei seinen Mund nicht hält, war er im vergangenen Jahr 81 Tage lang eingesperrt. Rund um die Uhr bewacht, immer wieder verhört. Am 22. Juni kam er unter Auflagen frei. Seither hat er Peking nicht verlassen dürfen, offiziell darf er nicht im Internet bloggen und keine Interviews geben. Die Regierung wirft dem Künstler Steuerbetrug vor, er hat dies wiederholt zurückgewiesen. Ai Weiweis Auflagen enden am 22. Juni dieses Jahres. Noch ist unklar, wie es danach weitergehen wird.