Deisinger: „Lassen Sie mich mal ein bisschen anpicken sozusagen, so ein bisschen provozieren. Sie sagen, die Ukraine berichtet wahrheitsgemäß. Nicht böse, wenn ich so frage, Sie sind Katholik, ist das jetzt Glaube oder Wissen?”
Erhard Bühler: „Ich sagte ja, man entwickelt ein Gefühl dafür und bisher hat sich noch keine Information als bewusste Falschinformation herausgestellt.”
Podcasts zum Ukraine-Krieg
Bei den Podcasts zum Ukraine-Krieg setzen viele Medien auf Altbewährtes: ein Thema, ein*e Expert*in. © Getty Images / Steppeua
Neuer Konflikt, bewährtes Muster
07:27 Minuten
Erst das Coronavirus, jetzt der Ukraine-Krieg – bei Themen, die die Welt in ihren Grundfesten erschüttern, setzen immer mehr Medien auf Podcasts. Der Informationshunger ist groß, aber was können diese Formate tatsächlich leisten? Ein Überblick.
Zahlreiche Podcast-Formate zum Krieg in der Ukraine sind in den vergangenen Wochen gestartet. In ihnen vereint ist alles, was dieses Medium so toll macht: Es lässt sich relativ einfach und schnell umsetzen, es bietet mehr Raum als der alltägliche Nachrichtenbetrieb, Gestaltungsfreiheit und theoretisch kann jeder einen Podcast machen.
Doch nicht nur bei der Anzahl, auch bei der Umsetzung, habe ich das Gefühl, dass sich einiges aus dem Beginn der Corona-Zeit wiederholt.
NATO-General statt Virologe
Der Podcast „Was tun, Herr General? Der Podcast zum Ukraine-Krieg” erinnert an das „Coronavirus-Update“. Nur anstatt eines Virologen oder einer Virologin hat sich MDR Aktuell den ehemaligen NATO-General Erhard Bühler gesichert.
Dieser muss in jeder Folge Fragen von Moderator Tim Deisinger zum Krieg, zur Militärausrüstung, zu Strategien beantworten. Aber er soll sich auch zu aktuellen Entwicklungen äußern, selbst wenn er sich gar nicht auskennen kann.
Das führt dann auch mal zu solchen Dialogen:
Immer dasselbe Muster
Dieses „eine Person vereint die gesamte Expertise in sich“ funktioniert mal besser, mal schlechter - aber ist ja auch viel verlangt. Die eine halbe bis dreiviertel Stunde langen Folgen haben zwar durchaus ihre Höhen, wenn er aus seinem Erfahrungsschatz als General schöpft, etwa ganz konkrete Kriegskonstellationen einordnen konnte. Allerdings gibt es weniger Insider-NATO-Wissen als erhofft und manchmal möchte ich selbst die Schere in die Hand nehmen und ein wenig kürzen.
Schade, dass sich der MDR immer wieder auf dasselbe Muster stützt, wie ein Blick auf die Webseite zeigt: Da bekommen Hörer gleich auch den Verweis auf das Corona-Format mit Virologe Alexander Kekulé und den Klima-Podcast, mit Klimaökonomin Claudia Kemfert. Immer dasselbe: Ein Thema, ein Experte, ein Podcast.
Auch andere Medien setzen auf Altbewährtes
Übrigens funktioniert so auch der neue Podcast "Ukraine - die Lage” vom „Stern“ mit – natürlich - Militärexperte Carlo Masala. Altbewährtes eben, darauf setzen auch andere Medienhäuser.
“Hallo und herzlich Willkommen zur 23. Sonderausgabe von Streitkräfte und Strategien”, heißt es da beim NDR. Eigentlich handelt es sich bei “Streitkräfte und Strategien” um ein echtes Radio-Urgestein. Diese Sendung gibt es bereits seit 1968 und sie setzt sich seit jeher kritisch mit dem Militär und Außenpolitik auseinander.
Sachkenntnis - ohne Podcasterfahrung
Seit dem 24. Februar., seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine, wurde aus dem zweiwöchentlichen NDR-Podcast ein täglicher - mit dem Schwerpunkt Ukraine. Hier tauschen sich die Kollegen Andreas Flocken, Experte für Sicherheitspolitik der ARD und der ehemalige Auslandskorrespondent Carsten Schmiester über die aktuelle Lage aus. Ihre Sachkenntnis und Erfahrung merkt man ihnen an, nicht unbedingt im Podcasten, sie wirken oft steif, aber im Reden über Krieg.
Das „Gespräch“ zwischen den beiden wirkt eins a durchchoreografiert und ist eine Flut von Fakten und Wissen, von der Hörer auch an einigen Stellen schnell mal erschlagen werden können, wenn sie nur eine Sekunde weghören. Dieser Podcast kratzt nicht an der Oberfläche, sondern ist etwas für diejenigen, die tägliche, detailreiche Analysen suchen - und das in knapp einer halben Stunde.
Schwerpunkt auf Putin bei BBC 4
Im Gegensatz dazu legt der neue Podcast "Putin" von BBC 4 einen ganz klaren Schwerpunkt: Nämlich die Lebensgeschichte eines Mannes, der wie es im Trailer heißt, einfach einen Krieg beginnt, um sein Land wieder zu altem Glanz zu verhelfen - so kündigt es Host Jonny Dymond an.
Diese pompöse Aufmachung passt nicht ganz zu dem, was Podcast-Hörer am Ende bekommen. Vielmehr hat Jonny Dymond Experten um sich geschart, die wie in einem gut einstudierten Referat auf Zuruf ihr Wissen zu Putins Leben aufsagen.
Die Gesprächspartner sind über Leitung verbunden – die rauscht sehr. Das, was die Gäste über Putin sagen, ist allerdings schon spannend und reicht über reines Faktenwissen hinaus - und alles wird mit einer kleinen Prise Witz und persönlicher Einschätzung angereichert.
Dieses eher klassische Talkformat kann auch etwas langatmig werden, geht aber in die Richtung, was ich mir noch erhoffe: dokumentarische Podcasts über Wladimir Putin.
ARD setzt auf Kernthemen
„Alles ist anders - Krieg in Europa”, eine Gemeinschaftsproduktion der ARD, konzentriert sich hingegen nicht nur auf den russischen Präsidenten, sondern auf einzelne Fragestellungen im Krieg. Jede Folge hat ein Kernthema.
„Was sind Kriegsverbrechen denn genau? Welche Beweise für Kriegsverbrechen in der Ukraine gibt es? Wie laufen Gerichtsprozesse dagegen ab und wie wahrscheinlich ist es, dass Putin deswegen tatsächlich verurteilt werden könnte?”
Um diese Fragen zu beantworten sprechen Alexander Moskovic und Alina Braun etwa in der neunten Folge mit Journalisten, holen sich dort Expertise ab, bringen eigene Einordnung mit ein, um mit den Hörern Schritt für Schritt zu erarbeiten, ob Putin Kriegsverbrechen begeht.
Die Fokussierung tut dem Format gut. Genauso, dass nur alle paar Tage eine Folge à 20 bis 40 Minuten erscheint und sie nicht künstlich versuchen jeden Tag ein Thema zu kreieren.
Innovative Formate fehlen
Insgesamt lässt sich sagen: Die Form ist nicht gerade herausragend, innovative Formate suche ich vergeblich bei den Ukraine-Podcasts, aber vielleicht ist das gerade auch nicht das Wichtigste. Vielmehr sind sie in diesen schwierigen Tagen wieder einmal Wegbegleiter, die Zusammenhänge erklären, Hintergründe liefern und mit Wissen helfen, um wenigstens ein bisschen Halt zu geben.