Kontrollierte Einblicke in das nicht mehr royale Leben
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Harry und Meghan wurde der Rummel zu viel, sie kündigten bei den britischen Royals. Damit wollte das junge Paar seine Privatsphäre stärken. Nun vermarkten sie ihre Prominenz und ihr Privatleben doch noch – aber nach den eigenen Regeln.
Harry und Meghan sind nicht mehr Teil der königlichen Familie von England, sondern ganz normale Eheleute in Los Angeles – beinahe jedenfalls. Und obwohl sie ihren Rückzug aus der königlichen Familie auch damit begründet haben, dass sie mehr Privatsphäre brauchen, geben sie nun in ihrem Podcast "Archewell Audio" Einblick in ihr Privatleben, sogar in das ihres anderthalbjährigen Sohnes Archie.
Tiefgründige Eröffnungssequenz
Der Journalist Robert Rotifer fand beim Hören vor allem die Eröffnungssequenz interessant: "Da steckt so unglaublich viel drin, was die Marke Harry & Meghan angeht", betont er. Insgesamt sei die erste Folge aber eher ermüdend. Sie funktioniere wie das von Boris Johnson in den letzten Jahren bekannt gemachte Prinzip "Have your cake and eat it". Den Kuchen essen und ihn gleichzeitig behalten wollen: "Einerseits sind sie das progressive Paar – sie ist die Feministin, er ganz der neue Mann. Aber gleichzeitig spielt er auch den ritterlichen Prinzen und sie den Film- und Fernsehstar."
So sage Harry in seiner besten "Hugh-Grant-Akzent"-Imitation, leicht verlegen stotternd: "Sollen wir anfangen, Ladies first?" Rotifer: "Das ist die Aufforderung an sie, selbstbewusst voranzugehen als Feministin, andererseits aber auch ein sehr traditionelles Verleihen des Vortritts, so wie es sich gehört. Und sie löst das eigenartige Problem, indem sie ihm den Vortritt lässt mit dem Argument, er habe so einen tollen Akzent."
Der britische Akzent gelte in den USA, dem vorrangigen Zielmarkt des Podcasts – zumindest klischeeweise – als unschlagbares Aphrodisiakum, berichtet Rotifer: "Das Gerücht ist, dass ein Brite nur den Mund aufzumachen braucht in den USA, und ihm fliegen die Frauenherzen zu."
Zu wenig Gespräch im Podcast
Der Podcast löse allerdings nicht den Anspruch ein, mit Menschen verschiedenster Hintergründe zu sprechen, findet Rotifer. Mit Elton John, der demokratischen Gouverneurskandidatin in Georgia, Stacey Abrams, dem Autor Matt Haig, dem schwarzen, britischen Spoken-Word-Künstler George the Poet, mit Deepak Chopra, James Corden und der Tennisspielerin Naomi Osaka sei die Runde der Gäste zwar farbenfroh:
"Aber Harry und Meghan tun genau das nicht, was sie versprechen: Sie reden nämlich nicht mit denen, sondern sie lassen sie einfach erzählen, nach dem Motto 'Erzähl was über 2020' oder 'Wie wird 2021'." Auffällig sei auch, welche Themen nicht im Podcast vorkommen, findet Rotifer: "Wir wissen, in Georgia ist gerade Wahlkampf, aber Stacey Abrams nimmt darauf nicht einmal Bezug."
Kontrolle über die öffentliche Wahrnehmung
Rotifer erkennt in dem Podcast nicht nur Selbstvermarktung, sondern auch die Absicht, die öffentliche Wahrnehmung nach eigenen Regeln zu verwalten. Das habe auch vorher schon funktioniert: Markle habe zum Beispiel in der "New York Times" Ende November einen im Vergleich zu diesem Podcast explizit politischen Artikel veröffentlicht, mit dem Trauma der eigenen Fehlgeburt als Aufhänger:
"Man könnte jetzt sagen, sie instrumentalisiert genau das intimste Privatleben, das sie vorgeblich schützen wollte. Aber andererseits könnte man zu ihrer Verteidigung einwenden, sie kontrolliert selbst die Erzählung."
"Archewell Audio" sei nach der Wohltätigkeitsorganisation benannt, die Harry und Meghan leiten und die sie nach ihrem Sohn Archie benannt haben. Der gluckse und kichere in dem Podcast: "Es hat immer geheißen, man will die Medieneinblicke in das Leben des Kindes unterbinden und dann wird aber genau das verkauft. Es wird also ein gewisser Voyeurismus ermutigt, aber zweckgebunden verwertet."
Harry und Meghan hätten auf die königliche Apanage verzichtet und müssten deswegen nun selbst Geld verdienen, so Rotifer. Man könne im Fall der beiden womöglich von einer Privatisierung des Verhältnisses zwischen den Royals, den Medien und dem Publikum sprechen. "Das Publikum sind dann nicht mehr Untertanen, sondern Konsumentinnen und Konsumenten, die Unterhaltung verlangen können."
(mfu)