Von wegen Integration durch Kultur
Es ist ein Thema, zu dem Politiker immer eine Menge zu sagen haben - gerade in Zeiten von Pegida und Co. Auf dem Podium zum Thema "Integration durch Kultur" in Berlin saß neben einer Hand voll Politiker aber nur ein einziger Flüchtling. Da wurde dann wieder die Kultur in Mitleidenschaft gezogen.
Ein Asylbewerber, Ahmed Alosman aus Homs, kam immerhin kurz zu Wort auf dem Podium, das über "Integration durch Kultur" diskutierte:
"What is "german" ? – Weil ich wissen wollte, was "deutsch" ist, bin ich heute zur Berliner Mauer gegangen – I see this wall, I have a tear in my eyes. – Als ich diese Mauer gesehen habe, hatte ich eine Träne in meinen Augen. – Because I remember my country. – Weil ich mich an mein Land erinnert habe. - - Vielen Dank auch für die bewegenden Worte, mir kommt selber eine kleine Träne in die Augen, es ist wirklich rührend zu hören. Ich möchte trotzdem gerne die Diskussion wieder auf die Sachebene zurücklenken."
So entschied der Moderator. Große Gefühle sollten der Oper, der anschließenden Kulturdarbietung, vorbehalten bleiben. Die Parteipolitiker dagegen hatten zuvor nüchtern und sachlich zu diskutieren über "Integration". Kein glücklicher Regieeinfall, wie Philipp Lengsfeld (CDU) erfahren musste, der den Umgang mit Flüchtlingen als "Last" bezeichnete, die Deutschland zu tragen habe. Was eine heftige Reaktion von Katina Schubert, Geschäftsführerin Der Linken, hervorrief:
"Ich finde diese Begrifflichkeit völlig daneben, weil: hierher kommen nicht Lasten, sondern Menschen. Menschen, die aus Not, Verzweiflung, Krieg, Verfolgung geflohen sind. Und die hierher kommen mit Können, mit Wissen, mit Potentialen, mit Geschichte, mit Kindern, mit Kegel."
Keine Rede von Kultur
Also mit ihrer ganz eigenen Kultur im Gepäck – aber davon war auf dem Podium keine Rede mehr. Auch nicht von deutscher Kultur: "Und so fühlte er die herrliche Last, die Wärme des Herzens." Das Goethe-Zitat hätte der Linken Schubert einen Eindruck davon vermitteln können, dass so manche "Last" einem lieb und teuer ein kann. Bernd Fabritius von der CSU versuchte es prosaischer:
"Wenn ich mit Vertretern der Gemeinde Rosenheim spreche, wo 2000 nichtbegleitete minderjährige Flüchtlinge ankommen, dann habe ich volles Verständnis, wenn dort von "Last" gesprochen wird – der man sich aber gerne stellt, weil Empathie da ist und weil man darin Chancen sieht."
Die einen unterfüttern ihre Argumente mit Zahlen, die anderen nehmen das Publikum mit moralischen Appellen für sich ein. Zu kurz kommen Begriffsbestimmungen oder eine Definition von "Integration". So ergeben sich zum Thema des akuten Flüchtlingselends schlichtweg falsche Frage- und Frontstellungen. Bernd Fabritius:
"Es wurde gefragt: Sollen wir etwas für die Integration von Asyl-Bewerbern tun? Plakative, böse Antwort: Nein! Sollen wir nicht! Wir sollen die Zeit verkürzen, in der festgestellt wird, handelt es sich um einen Bewerber oder handelt es sich um einen Flüchtling, der Hilfe sucht?"
Auch diese Hilfe bringt nun einmal finanzielle "Lasten" mit sich, wie der zuvor so hart attackierte CDU-Bundestagsabgeordnete Philipp Lengsfeld betont:
"Ich finde es unglaublich unsachlich, die emotionale Karte zu spielen, wo es ganz offensichtlich ist, dass – nehmen wir jetzt ein politisch korrektes Wort – Herausforderungen in dieser Stadt, in diesem Land, in Europa haben. Und das einfach so abzutun. Und wer das auch nur anspricht, den gleich in die rechte Ecke schieben zu wollen, das ist einfach unglaublich. Und es ist diese Art von Populismus, die das politische Klima in diesem Land vergiftet."
Schuld sind die Medien
Womit die Politikerrunde den Aspekt der "Kultur" zumindest streifte, auf Umwegen über die "politische Kultur". An deren Verfall dann allerdings gleich wieder andere Schuld tragen, nämlich die Vertreter der – sagen wir – Medienkultur. Zumindest sieht das Mechthild Rawert von der Berliner SPD so:
"Das Thema Sprache, das macht uns ja alle so nervös. Ich sehe hier gerade die "Welt" und eine Überschrift: "Deutschland ist das Flüchtlingsheim Europas". Dieser Satz entbehrt jeglicher Form von Faktencheck. So – infolgedessen sollten wir sorgsamer mit dem Thema Sprache umgehen. Denn manche Leute reagieren ja auf Überschriften."
Politiker reagieren womöglich weniger auf Schlagzeilen, üben sich aber gerne darin, harmoniestiftende Wohlfühlvokabeln zu prägen: Immer wieder war von "Willkommenskultur" die Rede. "Kultur" ist schon was Feines, wäre eine schöne Sache – gäbe es nicht auch eine Kultur der Gewalt oder so etwas wie den Macho-Kult. Und eine ausländerfeindliche Demo-Kultur wie in Dresden, die Linda Teuteberg von der FDP immerhin zu der Einsicht brachte:
"Ich glaube allerdings auch, dass Pegida ein Zeichen dafür ist, dass nur das Anschreien gegen Ansichten, die einem nicht gefallen, nicht reicht. Man muss die Probleme auch diskutieren und auch Probleme ansprechen können. Das ist nicht für alle Menschen selbstverständlich, weil sie zum Beispiel jahrzehntelang erlebt haben, wie es in der DDR war, dass der Staat die Völkerfreundschaft verordnet, aber keine echten Begegnungen ermöglicht."
Wenn aber nun zum Thema "Integration durch Kultur" neben einem einzigen Flüchtling ausschließlich Politiker eingeladen werden, dann liegt der Verdacht nahe, dass wieder einmal "Kultur" einerseits in Anspruch genommen, andererseits staatlich gefördert werden soll. Nur in bester Absicht – aber: Kultur, die als Integrationshilfe oder –mittel dienen soll, müsste geprüft, für solch einen Zweck tauglich befunden werden. Womöglich würde sie in den Rang einer "Integrations-Kultur" erhoben werden - am Ende. Da kann man nur raten: Lasst der Kultur doch einfach nur ihren Lauf.