Nachrichtenmüdigkeit

Totalverweigerung ist Detox-Spießertum

07:00 Minuten
Eine Frau macht eine Pause von der Arbeit, hat den Laptop auf dem Boden fast zugeklappt, trinkt aus einer Tasse und hat die Füße hochgelegt.
"Digital Detox" ist gerade angesagt. Wer totale Nachrichten-Vermeidung als Wellnessprogramm betreibt, ist ein Spießer, sagt Bernhard Pörksen. © imago / Ikon Images / Jens Magnusson
Bernhard Pörksen im Gespräch mit Jana Münkel |
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Auf die vielen Krisen der Gegenwart reagieren immer mehr Menschen mit Nachrichten-Rückzug. Der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen nennt das „Digital Detox-Spießertum“. Nachhaltige Aufmerksamkeit sei aber unabdingbar zur Krisenbewältigung.
Ukraine-Krieg, Corona, Inflation, Klimakatastrophe: Jeden Tag sind wir mit mehreren existentiellen Krisen gleichzeitig konfrontiert. Das führt zu einer wachsenden Nachrichtenmüdigkeit. Studien wie der Reuters Digital News Report belegen, dass immer mehr Menschen Nachrichten meiden.
Der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen beobachtet dabei unterschiedliche Modelle: Es gebe beispielsweise den Teilrückzug von einer Plattform, so wie das die Politiker Kevin Kühnert (SPD) und Robert Habeck (Grüne) im Falle von Twitter getan haben. Andere wiederum wie der Schweizer Bestseller-Autor Rolf Dobelli würden News völlig verweigern.

Rückzug zu persönlicher Seelenpflege

„Wie gehen wir auf reflektierte, gute, balancierte Weise auf dem Weg zu engagierter Zeitgenossenschaft mit Nachrichtenkonsum um?“ Diese Frage sei wichtig, betont Pörksen. In der jetzigen Gemengelage sei eine Art „Digital Detox-Spießertum“ entstanden, das vor allem frage: Geht es mir gut mit den Nachrichten? Das sei ein „Rückzug zu persönlicher Seelenpflege als individualistisches Wellnessprogramm“.
Sinnvoll hingegen seien „Rückzug und Kontemplation auf dem Weg zu einer reflektierten und authentischen, irgendwie durchgearbeiteten Partizipation“, sagt der Medienwissenschaftler. Aufmerksamkeit sei „knapp, kostbar und politisch“. Wie sie zugeteilt werde, sei entscheidend. Denn „nachhaltige Aufmerksamkeit“ sei „die Vorbedingung von effektiver Krisenbehandlung schlechthin.“

(bth)

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