Poesie und Polemik

Zum 225. Geburtstag Joseph von Eichendorffs ist dessen Gesamtwerk in einem Doppelband erschienen. In seinen Romanen, Erzählungen und Gedichten zeigt sich der große Romantiker nicht als naiver, sondern vielmehr als kritischer und ironischer Beobachter seiner Zeit.
Joseph von Eichendorff (1788-1857) gehört zu den deutschen Dichtern, dessen lyrisches Werk am häufigsten vertont wurde. Die enorme Popularität der Vertonungen bewirkte mitunter ein Vergessen des Autors, sodass viele seiner Gedichte als anonyme Volkslieder gesungen wurden. So geht auch der Text "In einem kühlen Grunde/ Da geht ein Mühlenrad,/ Mein Liebste ist verschwunden,/ Die dort gewohnet hat" auf ein Gedicht Eichendorffs mit dem Titel "Das zerbrochene Ringlein" zurück.

Joseph von Eichendorff wurde 1788 als Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff auf Schloß Lubowitz in Oberschlesien geboren. Das Geschlecht der Eichendorffs war katholisch, der Vater diente als preußischer Offizier. Ein starker christlich-katholischer Glaube und die Liebe zur Literatur, die ihm vor allem durch den Hofmeister, Pfarrer Bernhard Heinke, vermittelt wurde, bestimmten seine Existenz, die sich bald in zwei Welten abspielte.

Denn Eichendorff studierte erfolgreich Rechtswissenschaft, wurde Schulrat und arbeitete als preußischer Beamter in verschiedenen Ministerien. Erst 1843 schied er freiwillig aus dem Staatsdienst aus. Seine Sehnsucht und sein "Heimweh" galten jedoch dem "Atlas der Poesie" (Rüdiger Safranski). "Der Dichter ist das Herz der Welt", heißt es im Gedicht "An die Dichter".

In einer zweibändigen Gesamtausgabe seiner Werke, die zu Ehren des vor 225 Jahren geborenen Spätromantikers erschienen ist, kann dieser literarische Kosmos nun erkundet werden. Band 1 umfasst die Gedichte, Versepen, Dramen und Autobiographisches, Band 2 sämtliche Romane und Erzählungen. Ob in der dämonisch anmutenden Geschichte "Das Marmorbild" (1816/17) oder der zur Schullektüre avancierten Novelle "Aus dem Leben eines Taugenichts" (1826), den Wanderliedern und Romanzen: Eichendorff erscheint keineswegs als naiver, romantischer Volksdichter, sondern als kritisch-ironischer Beobachter seiner Zeit, die von Restauration und beginnender Industrialisierung bestimmt ist.

In der Satire "Krieg den Philistern" (1824) polemisiert er gegen ein dem phantasielosen Zweck und kalkulierten Denken untergeordnetes Dasein. Sein Motto lautet: "Hier kommen die Poeten zu Lande übers Meer,/ Die Philister trinken Kaffee und erschrecken sehr".

Wenn Ansgar Hillach in seiner äußerst lesenswerten Werkeinführung die Frage stellt, ob wir überhaupt "noch einen Zugang zu Eichendorff" haben, klingt das wie eine kluge Aufforderung, die vom Dichter in verschlüsselten Bildern und Symbolen versteckte Leichtigkeit des Seins auf ihre Tauglichkeit hin zu überprüfen. Wobei nicht auszuschließen ist, das Eichendorffs "Taugenichts" plötzlich zum Sparringspartner wird.

Besprochen von Carola Wiemers

Joseph von Eichendorff: Gesammelte Werke in 2 Bänden
Band 1: Gedichte, Versepen, Dramen, Autobiografisches. Nach den letzten Ausgaben unter Hinzuziehung der Erstdrucke
Band 2: Romane, Erzählungen. Nach den Ausgaben letzter Hand unter Hinzuziehung der Erstdrucke. Mit einer Einführung, einer Zeittafel und Anmerkungen von Ansgar Hillach

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