Poet durch und durch
Durch seine Theaterstücke "Bluthochzeit" und "Yerma" sowie die "Zigeunerromanzen" wurde Federico García Lorca weltbekannt. Ein Prosaband mit Vorträgen, Essays, Interviews, autobiografischen Notizen und Korrespondenzen verschafft einen umfassenden Zugang zum Gesamtwerk des Dichters.
Schlagfertig, dabei höflich, oft versonnen und stets fähig, einen poetischen Zauber in alltäglichen Verrichtungen zu entdecken: So tritt der weltgewandte Dichter – mal im Anzug und Lackschuhen, mal im Overall - Interviewpartnern entgegen. García Lorca konnte sich keinen Moment vorstellen, längere Zeit außerhalb Spaniens zu leben, aber er "hasste" Landsleute, die "nur Spanier sind". Deshalb reiste er viel. Wiederholt nach New York, wo er nach dem Börsencrash 1929 ganze "Herden von Männern" beobachtet, die täglich ein "Schauspiel von Selbstmördern, Hysterikern und Ohnmächtigen" aufführen. Dann lieber nach Harlem, wo "das Schlüpfrigste noch einen Akzent der Unschuld trägt". Den schwarzen Amerikanern widmete Lorca die 1979 von Hans Werner Henze vertonte Gedichtsammlung "Der König von Harlem".
"Seelenvoller Landschaften, toter Steine und Kathedralen ziemlich müde", begann Garcia Lorca mit der Sammlung traditioneller, dramatischer Gesänge. Sein 1928 vor Studenten gehaltener Vortrag über die spanischen Schlaflieder gehört zu den herausragenden Texten dieses Bandes, nach dessen Lektüre man meint, das Eigentümliche der iberischen Halbinsel besser zu verstehen. Im ganzen Land - so García Lorcas Beobachtung - sangen Frauen ihren Kleinkindern abends die "Enttäuschung ihres Lebens" vor, um dem jungen Wesen früh "das harte Siegel mit dem iberischen Wahlspruch einzuprägen: Einsam bist du, einsam bleibst du."
Garcia Lorca analysiert, wie das Kind "ins Lied hineingestoßen" wird, auf dass es sich völlig schutz- und hilflos "gegen die Realität seiner Mutter" empfinde. In der Familie des Dichters haben Kinder sich immerhin schreiend gewehrt gegen die ihre Seelen überfordernden Gesänge.
Wunderbar ergänzt werden diese Beobachtungen durch eine Definition des im Schrei gipfelnden Cante Jondo. Der Korrespondenz entnimmt man, dass García Lorca mit wachsendem Unbehagen registrierte, dass man in ihm den "wilden Dichter des Zigeunertums" sah. Er dachte sogar darüber nach, nur noch Prosa zu schreiben. Am liebsten aber träumte er davon, im ganzen Land Theater-Clubs zu gründen und mit Schauspielern in "Kunst-Hausgemeinden" zu leben. Ob in Vorträgen, Essays oder Interviews: Die Zärtlichkeit, mit der García Lorca seine Adressaten oder sein leibliches Gegenüber wahrnahm, ist bestechend.
Poet durch und durch ist er doch auch immer Republikaner gewesen: ein Mensch, der sich als "Bruder aller" verstand und auf die Überwindung politischer Grenzen hoffte. Sein letztes öffentliches Gespräch führte García Lorca mit dem Karikaturisten Luis Bagaría. Ihn verabschiedete mit den Worten: "… sag den Blumen, sie sollen nicht zu sehr mit ihrer Schönheit prunken. Denn sonst würde man sie fesseln und dazu verurteilen, auf den verrotteten Leibern der Toten zu leben". Schon bald sollte die Metapher, wie Mario Kunz in seinem klugen Nachwort herausstellt, im von Franco geschaffenen Spanien bittere Wirklichkeit werden.
Besprochen von Sigrid Brinkmann
"Seelenvoller Landschaften, toter Steine und Kathedralen ziemlich müde", begann Garcia Lorca mit der Sammlung traditioneller, dramatischer Gesänge. Sein 1928 vor Studenten gehaltener Vortrag über die spanischen Schlaflieder gehört zu den herausragenden Texten dieses Bandes, nach dessen Lektüre man meint, das Eigentümliche der iberischen Halbinsel besser zu verstehen. Im ganzen Land - so García Lorcas Beobachtung - sangen Frauen ihren Kleinkindern abends die "Enttäuschung ihres Lebens" vor, um dem jungen Wesen früh "das harte Siegel mit dem iberischen Wahlspruch einzuprägen: Einsam bist du, einsam bleibst du."
Garcia Lorca analysiert, wie das Kind "ins Lied hineingestoßen" wird, auf dass es sich völlig schutz- und hilflos "gegen die Realität seiner Mutter" empfinde. In der Familie des Dichters haben Kinder sich immerhin schreiend gewehrt gegen die ihre Seelen überfordernden Gesänge.
Wunderbar ergänzt werden diese Beobachtungen durch eine Definition des im Schrei gipfelnden Cante Jondo. Der Korrespondenz entnimmt man, dass García Lorca mit wachsendem Unbehagen registrierte, dass man in ihm den "wilden Dichter des Zigeunertums" sah. Er dachte sogar darüber nach, nur noch Prosa zu schreiben. Am liebsten aber träumte er davon, im ganzen Land Theater-Clubs zu gründen und mit Schauspielern in "Kunst-Hausgemeinden" zu leben. Ob in Vorträgen, Essays oder Interviews: Die Zärtlichkeit, mit der García Lorca seine Adressaten oder sein leibliches Gegenüber wahrnahm, ist bestechend.
Poet durch und durch ist er doch auch immer Republikaner gewesen: ein Mensch, der sich als "Bruder aller" verstand und auf die Überwindung politischer Grenzen hoffte. Sein letztes öffentliches Gespräch führte García Lorca mit dem Karikaturisten Luis Bagaría. Ihn verabschiedete mit den Worten: "… sag den Blumen, sie sollen nicht zu sehr mit ihrer Schönheit prunken. Denn sonst würde man sie fesseln und dazu verurteilen, auf den verrotteten Leibern der Toten zu leben". Schon bald sollte die Metapher, wie Mario Kunz in seinem klugen Nachwort herausstellt, im von Franco geschaffenen Spanien bittere Wirklichkeit werden.
Besprochen von Sigrid Brinkmann
Federico García Lorca, Prosa Hg. im Auftrag der Heinrich Enrique Beck-Stiftung Basel von Marco Kunz
Aus dem Spanischen von Enrique Beck
Wallstein Verlag, Göttingen 2013
512 Seiten, 34,00 Euro
Aus dem Spanischen von Enrique Beck
Wallstein Verlag, Göttingen 2013
512 Seiten, 34,00 Euro