Poet und Metalhead Sam Zamrik

"Metaller haben ein Gefühl fürs Schreiben"

05:18 Minuten
Der Dichter Sam Zamrik trägt eine schwarze Lederjacke und hat langes dunkles Haar. Er steht in einem Park. Im Hintergrund sind Häuser zu erkennen.
Sam Zamrik braucht im Leben beides: Poesie und Metal. © Anastasija Roon
Von Anastasija Roon |
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Sam Zamrik hat zwei Leidenschaften: Poesie und Metal. Vor rund sechs Jahren floh er aus Syrien nach Deutschland. Das Jobcenter riet ihm, Elektriker zu werden. Doch Zamrik bestand darauf, sich treu zu bleiben.
Sam Zamrik ist kürzlich nach Berlin Moabit gezogen. Er kommt aus Syrien und ist Poet und Metaller. Für seine Band "Eulen" übernimmt er Management und Songtexte.
Der 24-Jährige findet sich noch nicht ganz zurecht in Moabits Straßen, aber er bleibt sowieso lieber zu Hause, sagt er: "Ich bin ein Hausmensch, auch vor Corona. Da gibt es ja Kneipenmenschen oder Parkmenschen. Ich bin ein Hausmensch. Ich bleibe einfach zu Hause und ich schreibe."

Gleichnis
"Ein Gedicht ist wie ein Leben: eine Unwahrscheinlichkeit, die sich in etwas gekleidet hat.
Beide blieben nicht von der Sünde, den Willen zu äußern, verschont; auch nicht, dass Nichts selbst. Auch das wurde aus seinem Unsein herausgezogen und zu etwas aus ausgeätzter Luft gemacht.
Am Anfang kleidete sich das Bewusstsein in einen Drang. Der Andrang kleidete sich in einer Stimme. Die Stimme ging nackt und verlor sich in der Lautheit, bis die Zeit sie fand und in winzige Stückchen schnitt.
Sie kleidete jedes von ihnen in sein Gegenteil und erschuf so Bedeutung nach der Art seiner Vorfahren."

Das Outfit des Poeten ist so auffällig wie sein Lachen: Er hat lange dunkle Locken, trägt schwarze Stiefel und einen schwarzen Mantel. Zamrik braucht im Leben beides: Poesie und Metal. Für ihn ist das kein Widerspruch, ganz im Gegenteil:
"Die meisten Metaller, die ich kenne, haben ein Gefühl für Kunst und fürs Schreiben. Ich kann kein Poet sein, wenn ich kein Metaller bin, und ich kann auch kein Metaller sein, wenn ich kein Poet bin."

"Man fühlt sich immer wie eine Zecke"

In Syrien fällt Zamrik auf. Als Metaller ist er dort nicht gern gesehen. Trotzdem will er sich nicht verstecken. Die Prügelei mit einem Polizisten hat ein Jahr Hausarrest als Konsequenz. In der Zeit schreibt Zamrik sein erstes Gedicht.
Später studiert er in Damaskus Anglistik, mitten im Krieg. "Das Militär ist überall. Und wenn man eine militärische Uniform trägt, dann ist der wie ein Gott. Diese Atmosphäre zwischen Militär und Menschen, also Bürgern, ist nicht gleichgewichtig. Man fühlt sich immer wie eine Zecke. Furcht. Furcht ist immer da. Man fürchtet den Himmel, weil eine Bombe fallen könnte. Man fürchtet sich vor Menschen, weil Menschen mich verhaften können. Man fürchtet Armut. Immer: Furcht, Furcht, Furcht", beschreibt Zamrik das Leben im Krieg.
2015 flieht Zamrik. 2016 kommt er schließlich in Brandenburg an. In Deutschland will er nicht, wie das Jobcenter ihm rät, Elektriker werden, sondern lieber weiter studieren: "Es war für mich sehr wichtig, in die Welt der Poesie zu kommen. Dann habe ich das Bard College Berlin gefunden und seitdem bin ich damit zufrieden. Ich tue genau das, was ich in Deutschland tun wollte."

Viele Verlage sind an Zamriks Gedichten interessiert

Zamrik ist angekommen in Berlin. Heute steht er kurz vor seinem Abschluss. 16 Verlage sind an seinem Gedichtband interessiert. "Wenn ich Gedichte auf Deutsch schreibe, dann darüber: diese Integration, diese Entfremdung von anderen Menschen. Wenn ich auf Deutsch schreibe, dann ist das für Deutsche bestimmt, damit sie etwas verstehen von den Erfahrungen von Ausländern und Flüchtlingen."
Davon spricht er zum Beispiel auch in diesem Gedicht:

Erzeugung
"Ich wusste nicht, wer und wo ich sein würde, als ich klein war. Meine Erzeuger brachten mich hervor, obwohl es keinen Raum für mich gab. Sie wollten damit ihre Gottähnlichkeit beweisen. Nun bin ich groß geworden und Dichter aus gleichem Grund mit der gleichen Ziellosigkeit derer, die vor mir kamen. Lebt er nicht so auf dieselbe Weise?"

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