Haruki Murakami: "Von Beruf Schriftsteller"
Mitte Oktober 2016, Original 2015, Dumont
2014 Seiten, gebunden 23 Euro
Elf Texte sind innerhalb der letzten sieben Jahre entstanden. Die Hälfte davon wurde bereits als Kolumne in einer japanischen Literaturzeitschrift veröffentlicht.
Murakami und Co. über die Schulter schauen
Drei der weltweit erfolgreichsten Autoren haben ein Buch über ihr Schreiben verfasst: Haruki Murakami, Elena Ferrante und Karl-Ove Knausgård . Eine Empfehlung für alle, die schon immer mal einen Beststeller schreiben wollten. Nur Knausgård enttäuscht.
Im Herbst 2016 erscheinen drei Sammelbände voller Essays und Poetiktexte, die schon durch die Autorennamen auf dem Cover Bestseller werden könnten: Haruki Murakami erklärt in "Von Beruf Schriftsteller", was ihn beim Schreiben inspiriert, herausfordert und Angst macht. Karl-Ove Knausgård zeigt in "Das Amerika der Seele" persönliche, oft lange und kulturkritische Essays: ein Best-of journalistischer Texte von 1996 bis 2013. Der italienische Verlag Europa Editions suchte für "Frantumaglia", Italienisch für "Ein Häufchen Bruchstücke", fast alle öffentlichen Äußerungen, Briefe, Zwischenrufe der unter Pseudonym schreibenden, öffentlichkeitsscheuen Autorin Elena Ferrante: 384 Seiten, ab November auf Englisch.
Kurzweilige, kluge, meinungsstarke Selbstauskünfte
Drei Reste-Sammlungen, die nur erscheinen, weil ihre Verfasser außergewöhnlich erfolgreiche Romane veröffentlichten? Schnipsel wie das Bonusmaterial auf einer DVD? Oder Bücher über das Schreiben, genauso lesenswert wie die Fiktion? Lohnt sich das nur für Fans?
Haruki Murakami spricht nur selten öffentlich über seine Arbeitsweisen: Ihm zuhören zu können, wie er in einfacher Sprache die großen Grundfragen des Schreibens und Schriftsteller-Seins für sich beantwortet, ist Novum und großer Gewinn. "Für wen schreibe ich?", "Was motiviert mich?", "Warum gewinne ich selten Literaturpreise?", "Ich-Erzähler oder dritte Person?", solche simplen Fragen führen ihn zu kurzweiligen, überraschend persönlichen, wunderbar dichten und klugen, kurzen Selbstauskünften.
Elf Texte voller Relativierungen, Höflichkeitsfloskeln: "Ich spreche hier nur für mich", "So jedenfalls mache ich das", "Das ist eben mein Naturell" - und dennoch wunderbar dicht, meinungsstark, fundiert: Viele der besten Poetik- und Werkstatt-Texte deutscher Autoren werden im Rahmen von Universitätsvorträgen und Poetikdozenturen verfasst. Deutsche Literaten wollen bei solchen Gelegenheiten oft brillieren, durch Bezüge, Namedropping, literaturwissenschaftliche Positionierungen. Murakamis Buch ist viel offener und leichter. Ein fast perfekter Einstieg.
Knausgård schreibt mehr über andere als über sich selbst
Karl-Ove Knausgård wurde mit einem sechsbändigen, persönlichen Romanzyklus bekannt: Wer seine oft schwadronierenden, essayistischen Selbstauskünfte mag, bekommt in "Das Amerika der Seele" mehr vom Bekannten. Der norwegische Autor assoziiert, kombiniert, denkt frei und spielerisch, doch meist sehr angeberhaft, in mäandernden Texten, oft viel zu lang - Essays, die den selben Sog entfalten, der auch seine Prosa auszeichnet; darunter aber enttäuschend viele Auftragsarbeiten und Nebenbei-Texte über Fotoaustellungen, das Nordlicht, Wanderungen. Ums eigene Schreiben geht es 60, 80 Seiten lang.
Wichtiger sind ihm Knut Hamsun und Fjodor Dostojewski, Hitler, die Bibel, der Schock der Aufklärung und die Hässlichkeit des Fortschritts. Ein Höhepunkt: eine seitenlange Beschreibung der Angst, nicht rechtzeitig die Toilette zu erreichen - doch auch dieser Text driftet in seitenlange, knausgård-typische Allgemeinplätze ab, wie "für uns moderne Menschen sind der Tod und das Kacken die letzten Tabus". Private Anekdoten, Kulturkritik, Hass auf die Gegenwart, überraschende Verknüpfungen, Improvisation, unterhaltsames Gepolter - doch dabei oft dünn argumentiert, fadenscheinig formuliert, in einem so eitel-absoluten Welterklärer-Modus, dass das Buch die Beachtung, die es sicher finden wird, nicht verdient.
Ferrante - herrlich feministische Mahnerin
Elena Ferrante und ihr Hausverlag Europa Editions stehen für "Frantumaglia" in der Kritik. Die New York Times nennt die Sammlung "vollgestopft/dürftig", "oft selbstverliebt", "ein Fehler des Verlags und der Autorin" und weist darauf hin, dass Ferrante zwar immer wieder betont, dass ihre Bücher für sich stehen sollen und die Standpunkte, Bekundungen, Zwischenrufe eines Autors heute viel zu viel Beachtung finden. Doch trotzdem veröffentlicht sie seit Mitte der 90er-Jahre immer mehr genau solcher Zwischenrufe und Bekundungen.
In Interviews ist die anonyme, ältere Italienerin oft abweisend, unterhaltsam garstig, eine herrlich feministische, kritische Mahnerin. Ihre Essays aber, unter anderem über Elsa Morante und Jane Austen, wirken oft altbacken, pathetisch, übertrieben staatstragend: Ferrante, die fast allen Gesprächen aus dem Weg geht, macht leider vor allem in hitzigen Gesprächen großen Eindruck. Ihre Essays bleiben meist matt.
Grundsätzliche Skepsis sinnvoll
Poetik-Sammlungen, Essays und Selbstauskünfte von Autoren können grandios gelingen - wie besonders Murakamis Texte beweisen. Doch eine grundsätzliche Skepsis ist bei dieser Sorte Buch sinnvoll: Oft bleibt es Reste-Sammlung und verlegerischer Schnellschuss.
Karl-Ove Knausgård: "Das Amerika der Seele. Essays 1996-2013"
31. Oktober 2106, Luchterhand
496 Seiten, gebunden 24 Euro
Es sind vor allem Zeitschriftenbeiträge, wenig Reportagehaftes, oft weitschweifige Essays, im klassischen Wortsinn.
Elena Ferrante: "Frantumaglia. A Writer's Journey"
1. November 2016, Europa Editions
Es handelt sich um die erweiterte US-Neuauflage einer Ferrante-Textsammlung von 2003 "Over 20 years of letters, essays, reflections and interviews".