Polen bleibt "auf dem Pfad zum Euro"

Marek Prawda im Gespräch mit Nana Brink |
Trotz Euro-Krise und wachsender Skepsis der polnischen Bevölkerung sieht der Botschafter des Landes in Deutschland, Marek Prawda, Polen weiterhin auf dem Weg in die Euro-Zone.
Nana Brink: Diese Woche steht, wie schon so viele andere vorher, im Fokus der Eurorettung. Morgen muss das Deutsche Parlament entscheiden, ob Finanzhilfen in Höhe von bis zu 100 Milliarden Euro aus dem bestehenden Rettungsschirm an den spanischen Bankenrettungsfonds gehen sollen. Wie einig ist das Deutsche Parlament in dieser Frage? Das bleibt abzuwarten. Ob Rettung für spanische Banken oder auch ganz aktuell die Einführung einer Bankenunion, ganz Europa streitet über den richtigen Weg, und eine Spaltung ist greifbarer als eine Annäherung, die ja immer wieder gebetsmühlenartig von den Politikern gefordert wird. Und die Eurorettung, das ist auch interessant, betrifft letztlich nicht nur die Euro-Länder, sondern auch die Länder, die den Euro nicht haben, wie zum Beispiel Polen. Die Polen sind zwar 2004 der EU beigetreten, haben aber den Euro noch nicht eingeführt, aber – und das ist auch interessant – sie haben den Fiskalpakt unterzeichnet.

Was also denken unsere Nachbarn in dieser Eurokrise? Das habe ich Marek Prawda, den polnischen Botschafter in Deutschland, gefragt. Ist denn den Polen die Lust am Euro vergangen?

Prawda, MarekMarek Prawda: Ja, die Lust vielleicht nicht, aber die Gewissheit, dass ein rascher Beitritt gerade unter jetzigen Umständen für das Land gut wäre. Angesichts der Eurokrise ist die Bevölkerung in Polen wie überall natürlich beunruhigt. So konzentrieren wir uns vor allem darauf, die Beitrittskriterien zu erfüllen, und in diesem Sinne sind wir auf dem Pfad zum Euro. Wir bleiben also dran, das Haushaltsdefizit soll in diesem Jahr auf drei Prozent runtergedrückt werden, die polnische Währung bleibt auch relativ stabil, und was ich auch gerne unterstreichen möchte, die Renditen für zehnjährige Staatsanleihen betragen im Moment ungefähr drei Prozent. Das ist ein deutliches Zeichen wachsenden Vertrauens der Märkte. Bereits 1997 wurde eine Schuldenbremse in der polnischen Verfassung verankert. Das ist uns gut bekommen.

Brink: Trotzdem aber noch einmal nachgehakt: Die letzten Umfragen sagen, dass 60 Prozent der Bevölkerung gegen den Euro sind. Dann fragt man sich natürlich, warum hat dann Polen den Fiskalpakt unterzeichnet, der ja für mehr Stabilität sorgen soll und auch langfristig den Weg für Polen in den Euro ebnen muss. War das nur eine Absichtserklärung?

Prawda: Nein, es geht um die Wahl eines richtigen Zeitpunktes. Und Polen hatte ja gerade die Ratspräsidentschaft gehabt, die zweite Hälfte des letzten Jahres, und in dieser Rolle haben wir uns dafür eingesetzt, dass die Stabilitätsanstrengungen – gerade in der Eurozone – unterstützt werden. Und Polen versuchte auch wie eine Klammer zu wirken zwischen der Eurozone und den anderen Staaten. Das heißt, dass wir uns, soweit es möglich ist als Nicht-Euro-Land, den Projekten angeschlossen haben wie Fiskalpakt, um allgemein die Lage zu verbessern.

Brink: Das bringt mich zu der Frage, wie schätzen Sie denn überhaupt die Gefahr einer Spaltung Europas in Euro-Länder und Nicht-Euro-Länder ein?

Prawda: Ich hoffe nicht, dass die Krise zu einer Spaltung Europas führt. Vielmehr sehe ich eine Chance zur Entstehung einer vielleicht neuen Qualität der europäischen Integration. Es gibt schon eine Versuchung, in einer Spaltung oder Verkleinerung oder Begrenzung eine Lösung der Probleme zu suchen, aber genau so deutlich sieht man Gründe für einen gemeinsamen, geschlossenen Weg aus der Krise. Wir haben ja heute erkannt, dass die Probleme im Ungleichgewicht zwischen der wirtschaftlichen und politischen Integration liegen. Wir haben schon verstanden, eine gemeinsame Währung oder eine gemeinsame Fiskalunion, das kann auf lange Sicht nicht gut gehen, und so weiter. Wir haben breites Verständnis des gemeinsamen Nutzens, das heißt, dass wir auch erkennen, dass die Fehler korrigiert werden müssen. Wir sind jetzt heute so pessimistisch, aber es ist doch klar, dass wir in den letzten Jahren viel mehr getan haben, als jemals denkbar wäre: Rettungspakete …

Brink: Also glauben Sie, dass wir mehr Europa brauchen eigentlich als weniger?

Prawda: Es reicht aber nicht zu sagen, dass wir mehr Europa brauchen. Wir müssen ganz genau sagen, was wir mit mehr Europa machen können, welche Probleme, die konkreten Probleme, wir mit mehr Europa besser lösen können als individuell. Und wir sind dabei, diese Instrumente einzuführen, die Verschuldung zu reduzieren – also das sind, glaube ich, gute Belege oder gute Voraussetzungen dafür, dass wir mit mehr Europa diese neue Qualität erreichen. Aber was mich etwas beunruhigt, das ist eine Spaltung Europas in den Köpfen.

Da brauchen wir noch etwas mehr, um ein gemeinsames Verständnis der Krise zu erreichen, also nicht eines bei den Gebern und ein völlig anderes bei den Empfängern. Wir streiten auch gerne über die Lösungsansätze, aber die Materie ist so kompliziert, dass dieser Wettstreit um die Deutungshoheit sich von den Inhalten entfernt. Und so kommen wir dazu, vielleicht einfache Rezepte zu akzeptieren oder Schuldige zu denunzieren und so weiter. Deshalb glaube ich, dass wir einer mentalen Spaltung vorbeugen müssen.

Brink: Deutschland in Gestalt von Zuchtmeisterin Angela Merkel bekommt in vielen, gerade auch in südlichen Ländern, wieder ein hässliches Gesicht. Wie wird Deutschlands Haltung in der Krise in Polen wahrgenommen?

Prawda: Also diese Skepsis in Bezug auf Deutschland war in Polen relativ wenig ausgeprägt. Von Anfang an haben wir relativ viel Verständnis gehabt für den Ansatz, den Deutschland gewählt hat. Das hat etwas zu tun mit der von mir erwähnten Wirtschaftsreform nach '89, wo wir uns für diese disziplinierte Finanzpolitik entschieden haben. Deshalb wird man in Polen sagen: Ohne Märkte werden die Politiker keine Reformen machen, und ohne Strukturreformen gibt es kein Vertrauen der Märkte. Also diese Denkweise liegt uns nahe. Natürlich befinden wir uns heute in einer Phase, wo wir Sparen und Wachstum als zwei Seiten der selben Medaille sehen müssen.

Brink: Noch eine abschließende Frage: Kann denn dann ein Land wie Polen auch vermitteln, gerade zum Beispiel zwischen dem Süden und Deutschland, wie Sie schon mal gesagt haben, als Klammer?

Prawda: Aus der Sicht solcher Länder wie Polen ist es wichtig, dass wir Lösungen suchen, die für alle gelten, dass wir auch die Gefahr sehen, dass die Eurorettungsversuche nicht auf Kosten des europäischen Zusammenhalts erfolgen. Wie sollen wir die Gemeinschaft in die Nachkrisenzeit retten, wenn wir die Entstehung von zwei Europas mit parallelen Entscheidungsstrukturen zuließen, und so weiter? Also durch diese Grundhaltung Polens glaube ich schon, dass ich Ihre Frage mit "ja" beantworten kann. Also da ist etwas, was für dieses gemeinsame Verständnis der Krise sprechen würde.

Brink: Marek Prawda, der polnische Botschafter in Deutschland. Schönen Dank für das Gespräch!

Prawda: Vielen Dank, Frau Brink!

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