Polen

Das System Kaczynski auf dem Durchmarsch

Der polnische PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski vor dem Logo der Partei.
PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski © AFP / Janek Skarzynski
Von Martha Wilczynski |
Der Versuch der Konservativen, das Verfassungsgericht zu entmachten, ist womöglich nur der Anfang eines Angriffs auf den Rechtsstaat. Kritiker der neuen polnischen Regierung befürchten Einschränkungen der Pressefreiheit und eine nationalistische Kulturpolitik.
Andrzej Zoll, ehemaliger Vorsitzender des Verfassungsgerichts:
"Warum will Herr Kaczynski das Verfassungsgericht entmündigen? Damit er im Sejm Gesetze verabschieden kann, die verfassungswidrig sind. Denn sollte er Aktivitäten planen, die sich im Rahmen der Verfassung befinden, würde ihm das Verfassungsgericht nicht im Wege stehen."
Als ehemaliger Vorsitzender des polnischen Verfassungsgerichts beobachtet Professor Andrzej Zoll die aktuellen Entwicklungen in Polen mit besonders großer Besorgnis. Dabei ist die umstrittene Gesetzesänderung, die das Verfassungsgericht als wichtigstes Kontrollorgan nahezu lahmlegt, nur ein großer Schritt unter vielen kleineren.
Denn schon vorher hatte der nationalkonservative Präsident Andrzej Duda gemeinsam mit der Regierung die Autorität des Verfassungsgerichts missachtet. Sie weigerten sich, noch zu Regierungszeiten der Bürgerplattform ernannte Richter zu vereidigen, und hielten ihnen unbequeme Urteile des Verfassungsgerichtes zurück.
Für Professor Andrzej Zoll definitiv ein Rückschritt in längst vergangene Zeiten:
"Mich erinnert es sehr an den Anfang der 40er-Jahre in unserer Geschichte und die Übernahme der vollen Macht in Polen durch die Kommunisten. Man sagt ganz offen, dass der Sejm die oberste Macht im Staat ist. Das charakterisierte das Staatsmodell, das in den 40er Jahren die Kommunisten aufbauten und jetzt die PiS aufbaut."
Die Kunst soll erziehen, meint die Premierministerin
Tomasz Lis: "Es ist klar, dass das nur der Anfang ist. Es kommen noch der Anschlag auf Medien, Überprüfung und alles das, was im Kopf von Herrn Kaczynski steckt. Das ist vollständige Zerstörung dieses Rechtsstaates und das ist alles."
... sagt Publizist Tomasz Lis – regierungskritisch und mit einer eigenen Sendung beim öffentlich-rechtlichen Sender TVP. Diese wird zum 12. Januar eingestellt.
Angriffe auf kritische Medien und Einmischungen in den Kulturbetrieb gehören ebenfalls zu den Grundpfeilern des "Systems Kaczynski". Aufgabe dieser Institutionen sei es, das nationale Leitbild Polens zu fördern. Und wie dieses aussieht, bestimmt die Regierungspartei:
"Wir werden bestimmte Standards fordern, wenn es um das Ausgeben der öffentlichen Gelder geht, und wir werden das sehr rigoros betrachten. Die Kunst und die Kultur sollen lehren und erziehen, bestimmte Inhalte und Werte vermitteln."
... sagte Premierministerin Beata Szydlo.
So könnte es sein, dass in Zukunft pathetische Historienfilme über die polnischen Kinoleinwände flimmern. Und zwar solche, die von den nationalen Helden Polens erzählen – so wäre es Jaroslaw Kaczynski am liebsten.
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