Polen

Eine wichtige Freundschaft für Deutschland

Im deutsch-polnischen Eurokindergarten in Frankfurt (Oder) umarmen sich die Freundinnen Domenika Rzeznikiewicz (l) aus Polen und Mara Behnke aus Deutschland.
Im deutsch-polnischen Eurokindergarten in Frankfurt (Oder) umarmen sich Domenika (l) aus Polen und Mara aus Deutschland. © picture-alliance/dpa/Patrick Pleul
Von Klaus-Dieter Kottnik · 26.08.2016
Die Freundschaft Deutschlands zu Polen verdient es, intensiver gepflegt zu werden, meint der Coach Klaus-Dieter Kottnik. In seinem "Politischen Feuilleton" berichtet er von seinen Erlebnissen in Polen. Dort habe er einen europäischen Geist erlebt, von dem er immer geträumt habe.
Voll mit jungen Menschen ist der renovierte neugotische Rathaussaal, an seiner gesamten Stirnseite geschmückt mit mindestens 20 Fahnen, darauf abwechselnd die zwölf goldenen europäischen Sterne auf blauem Grund und der polnische Adler, ebenso die Fähnchen auf den Tischen.
Robert Biedron, ein bekennender Schwuler und Stadtpräsident von Slupsk, dem ehemaligen pommerschen Stolp, hält die Laudatio auf junge Gymnasiasten aus ganz Polen. Sie haben an einem Wettbewerb über die Europäische Union teilgenommen. "Diese jungen Leute wissen mehr über die EU als die meisten Brüsseler Beamten", flüstert mir Krystyna Danilecka-Wojewodzka, seine Stellvertreterin, ins Ohr.
In diesem Rathaussaal erlebe ich Europa, wie ich es mir erträume. Ich bin überwältigt von der offenen Atmosphäre. Ihr begegne ich allerdings nicht nur in Slupsk, sondern vielfach in Kommunen und Landkreisen, wo mich Menschen ansprechen, die an Europa und an Deutschland interessiert sind.

Wunsch nach deutsch-polnischem Erfahrungsaustausch

Ich hatte mir nicht vorstellen können, dass ich im Landkreis Kluczbork, zu Deutsch Kreuzburg, auf den Ortsschildern unter den polnischen die ehemaligen deutschen Namen in gleicher Größe aufgeführt finden würde. Dort lebt eine deutsche Minderheit, wenn auch nur noch ein kleine.
Natürlich gibt es bereits gut entwickelte Städtepartnerschaften zwischen Polen und Deutschland. Und deutsche Unternehmer sind des Lobes voll über ihre zuverlässigen polnischen Mitarbeiter.
Doch darüber hinaus erlebe ich häufig, wie sich polnische Stadtverwaltungen eine intensivere Zusammenarbeit, einen deutsch-polnischen Erfahrungsaustausch wünschen, beispielsweise im Gesundheitswesen oder in der Sozialarbeit über Projekte für Menschen mit Behinderungen oder für Flüchtlinge, oder über bürgerliches Engagement.
Nach meiner Wahrnehmung könnten deutsche Kommunalpolitiker von polnischen Partnern manches lernen, etwa über eine konsequent handelnde Jugendhilfe, die erstmals straffällig gewordene Jugendliche intensiv sozialpädagogisch stationär wie ambulant begleitet – und die Familien in das Konzept einbezieht.

Kirchen pflegen seit langem freundschaftliche Verbindungen

Diese Art Dialog wäre nicht neu. Kontakte können sogar sehr alt sein. Zwischen den Kirchen bestehen seit langem freundschaftliche Verbindungen. 1957, als die polnische der deutschen Evangelischen Kirche die Hand zur Versöhnung reichte, führte Martin Niemöller als hessen-nassauischer Kirchenpräsident die deutsche Delegation an. Er hatte als ehemaliger Berliner Pfarrer im KZ gesessen mit dem lutherischen Bischof Julius Bursche, der später - 1940 - in Sachsenhausen umgekommen ist.
In Polen sind nicht nur aufregende Städte mit herausragender Kultur und Architektur zu entdecken, sondern Menschen, hinter deren vorsichtiger Zurückhaltung sich ein herzlicher Wille zur Freundschaft verbirgt. Wohltuend empfinde ich die Höflichkeit, die den Umgangsstil prägt. Unaufgefordert wird in der Straßenbahn und im Bus einer schwangeren Frau oder einem älteren Menschen der Sitzplatz überlassen.
Darin drückt sich Respekt aus. Er hilft in anderer Situation, miteinander offene Gespräche zu führen und sicherlich auch unterschiedliche Sichtweisen auszutragen. Es wäre nur schade, würden sich die Deutschen weniger für ihre Nachbarn im Osten interessieren, als die Polen für uns.
Sicher gibt es mannigfaltige erfreuliche Initiativen. Sie gilt es weiter zu festigen und auszubauen. Denn wer sich als Deutscher da hineinbegibt, erfährt Europa, wie es ursprünglich gemeint ist. Die Freundschaft mit Polen ist für mich genauso wichtig wie die deutsch-französische Freundschaft. Beide müssen beständig gepflegt werden.

Klaus-Dieter Kottnik, geboren 1952 in Stuttgart, arbeitet in Berlin als Prediger, Mediator und Coach. Er berät die Polnische Diakonie und ist Mitglied verschiedener Kuratorien. Von 2007 bis 2010 war er Präsident des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland und in dieser Zeit auch Vizepräsident von "Eurodiakonia". Zuvor leitete er als Vorstandsvorsitzender die "Diakonie Stetten" bei Stuttgart und war Vorsitzender des Bundesverbandes evangelischer Behindertenhilfe.


Klaus-Dieter Kottnik
© Foto: Diakonisches Werk der EKD
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