Polen streiten über "Deutschtum" im Museum
Zu viel Preußen und zu wenig Würdigung polnischer Aufstände: Eine geplante Dauerausstellung zur oberschlesischen Geschichte in Kattowitz provoziert schon vor der Eröffnung massive Kritik. Gegner attestieren der Schau eine deutsche Schlagseite.
Die Bauzeichnungen für eine Arbeitersiedlung, eine Haarschneidemaschine, Wimpel von Sportvereinen. Durch öffentliche Aufrufe in ganz Oberschlesien ergänzt das Schlesische Museum in diesen Wochen seine über Jahrzehnte gesammelten Bestände. Gedacht sind die neuen Exponate für die erste große Dauerausstellung der oberschlesischen Geschichte, die im kommenden Jahr im neuen Haus des Museums eröffnet werden soll.
Eine Schenkung, die Museumsdirektor Leszek Jodliński besonders freut: Die Nachttischplatte aus Marmor mit Schriftzügen in deutscher und hebräischer Sprache. Es handelt sich um das Ladenschild eines jüdischen Fleisch- und Wursthändlers aus Beuthen, der sein Geschäft in den 1920er-Jahren aufgab. Sein Nachfolger im Geschäft sägte das Schild zur Nachttischplatte zurecht und hinterließ es vor seiner Umsiedlung nach Westen einer polnischen Familie, zugezogen aus dem Osten des Landes.
Leszek Jodliński: "Dieses Schild ist erstens ein seltenes Judaicum, von denen wir nur wenige in unseren Beständen haben, und zweitens ist es eine sehr interessante Geschichte, die sich darum rankt. Es geht um ein Symbol."
Heute führt Museumsdirektor Leszek Jodliński Journalisten durch den fertigen Rohbau des künftigen Schlesischen Museums. Das neue Haus mit insgesamt 6000 Quadratmetern Ausstellungsfläche entsteht zum großen Teil unter der Erde – neben einem ausgedienten Förderturm der Steinkohlengrube Kattowitz. Knapp ein Viertel der Fläche ist für die neue historische Ausstellung vorgesehen. Im Schwerpunkt geht es um die Jahre 1790 bis 1989. Die Museumsleute wollen vom Einbruch der Moderne vor dem Hintergrund der Vielvölkerkultur Oberschlesiens erzählen. Viele Oberschlesier sind von dieser Idee begeistert.
Jerzy Gorzelik: "Das ist eine erste Chance hier in Oberschlesien, eine wirklich moderne Ausstellung der oberschlesischen Geschichte zu haben, die nicht in einem nationalistischen Paradigma steckt und die auch diesen großen zivilisatorischen Aufschwung zeigen kann, den wir hier in Oberschlesien im 19. und auch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erlebt haben, natürlich mit allen Konsequenzen."
Jerzy Gorzelik gehört zu jenen polnischen Schlesiern, die für mehr Eigenständigkeit der Region im zentral regierten Polen eintreten. Gorzelik leitet die Schlesische Autonomiebewegung in Kattowitz.
Am Ausstellungskonzept gibt es unter Oberschlesiern aber auch heftige Kritik: Zuviel deutsche Kultur und zu wenig Würdigung polnischer Aufstände gegen die deutsche Herrschaft, lauten einige der Vorwürfe, die auch von hohen Landespolitikern wie Vizewojewode Piotr Spyra erhoben werden:
"Oberschlesien wird im Ausstellungskonzept aus der Sicht der damaligen deutschen Eliten Schlesiens vorgestellt. Meiner Meinung nach sollte man sich aber auf die Entwicklung konzentrieren, die zur Herausbildung der schlesischen Identität führte. Dieser Prozess begann im Völkerfrühling des 19. Jahrhunderts in Opposition zum Deutschtum. Er führte dazu, dass Schlesien polnisch wurde. Und polnische Kulturinstitutionen dürfen das nicht außer Acht lassen – auch nicht im Namen einer deutsch-polnischen Versöhnung."
Die Kritiker ärgert etwa die Idee für den Auftakt des geplanten Ausstellungsrundgangs. Dort soll die erste Dampfmaschine Schlesiens stehen, die 1788, als Schlesien zu Preußen gehörte, von Bergwerkfachleuten aus England importiert und in Tarnowitz, 25 Kilometer nordwestlich von Kattowitz, aufgestellt wurde. 1790 reiste Johann Wolfgang von Goethe nach Tarnowitz, um die auch für ihn völlig neue Erfindung in Augenschein zu nehmen. Goethes Besuch, den der Dichter auch in einem Epigramm an die Bürger von Tarnowitz verewigte, soll die Bedeutung der von Preußen beförderten industriellen Revolution in Schlesien illustrieren. Goethes Besichtigung der preußischen Dampfmaschine, das passt den Kritikern nicht. Doch auch die Architektur von Erich Mendelsohn und anderen Vertretern der Moderne in Schlesien zwischen den Weltkriegen interpretieren sie als deutsche Schlagseite des Konzepts.
Noch einmal der Politiker Piotr Spyra:
"Es ist logisch, dass deutsche Kulturinstitutionen, wie zum Beispiel das Schlesische Museum in Görlitz, eine deutsche Sicht auf Schlesien zeigen. Aber es ist ebenso logisch, dass polnische Institutionen den polnischen Standpunkt in Bezug auf Schlesien präsentieren."
Ganz anders sieht es Museumsdirektor Leszek Jodliński, maßgeblich am Ausstellungskonzept beteiligt. Jodliński ist ein polnischer Oberschlesier aus Kattowitz. Er hat unter anderem in Heidelberg und Japan studiert. Den aktuellen Streit kommentiert er so:
"Wir haben es in den deutsch-polnischen Beziehungen eben mit dem Erbe des Zweiten Weltkriegs zu tun. Und da wird das Gespenst des Deutschtums immer mal wieder aus dem Hut gezogen. Das ist sehr traurig und sehr provinziell. Auf der gesamtstaatlichen Ebene haben wir diese Phobie überwunden. Hier ist sie plötzlich wieder da."
Eine Schenkung, die Museumsdirektor Leszek Jodliński besonders freut: Die Nachttischplatte aus Marmor mit Schriftzügen in deutscher und hebräischer Sprache. Es handelt sich um das Ladenschild eines jüdischen Fleisch- und Wursthändlers aus Beuthen, der sein Geschäft in den 1920er-Jahren aufgab. Sein Nachfolger im Geschäft sägte das Schild zur Nachttischplatte zurecht und hinterließ es vor seiner Umsiedlung nach Westen einer polnischen Familie, zugezogen aus dem Osten des Landes.
Leszek Jodliński: "Dieses Schild ist erstens ein seltenes Judaicum, von denen wir nur wenige in unseren Beständen haben, und zweitens ist es eine sehr interessante Geschichte, die sich darum rankt. Es geht um ein Symbol."
Heute führt Museumsdirektor Leszek Jodliński Journalisten durch den fertigen Rohbau des künftigen Schlesischen Museums. Das neue Haus mit insgesamt 6000 Quadratmetern Ausstellungsfläche entsteht zum großen Teil unter der Erde – neben einem ausgedienten Förderturm der Steinkohlengrube Kattowitz. Knapp ein Viertel der Fläche ist für die neue historische Ausstellung vorgesehen. Im Schwerpunkt geht es um die Jahre 1790 bis 1989. Die Museumsleute wollen vom Einbruch der Moderne vor dem Hintergrund der Vielvölkerkultur Oberschlesiens erzählen. Viele Oberschlesier sind von dieser Idee begeistert.
Jerzy Gorzelik: "Das ist eine erste Chance hier in Oberschlesien, eine wirklich moderne Ausstellung der oberschlesischen Geschichte zu haben, die nicht in einem nationalistischen Paradigma steckt und die auch diesen großen zivilisatorischen Aufschwung zeigen kann, den wir hier in Oberschlesien im 19. und auch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erlebt haben, natürlich mit allen Konsequenzen."
Jerzy Gorzelik gehört zu jenen polnischen Schlesiern, die für mehr Eigenständigkeit der Region im zentral regierten Polen eintreten. Gorzelik leitet die Schlesische Autonomiebewegung in Kattowitz.
Am Ausstellungskonzept gibt es unter Oberschlesiern aber auch heftige Kritik: Zuviel deutsche Kultur und zu wenig Würdigung polnischer Aufstände gegen die deutsche Herrschaft, lauten einige der Vorwürfe, die auch von hohen Landespolitikern wie Vizewojewode Piotr Spyra erhoben werden:
"Oberschlesien wird im Ausstellungskonzept aus der Sicht der damaligen deutschen Eliten Schlesiens vorgestellt. Meiner Meinung nach sollte man sich aber auf die Entwicklung konzentrieren, die zur Herausbildung der schlesischen Identität führte. Dieser Prozess begann im Völkerfrühling des 19. Jahrhunderts in Opposition zum Deutschtum. Er führte dazu, dass Schlesien polnisch wurde. Und polnische Kulturinstitutionen dürfen das nicht außer Acht lassen – auch nicht im Namen einer deutsch-polnischen Versöhnung."
Die Kritiker ärgert etwa die Idee für den Auftakt des geplanten Ausstellungsrundgangs. Dort soll die erste Dampfmaschine Schlesiens stehen, die 1788, als Schlesien zu Preußen gehörte, von Bergwerkfachleuten aus England importiert und in Tarnowitz, 25 Kilometer nordwestlich von Kattowitz, aufgestellt wurde. 1790 reiste Johann Wolfgang von Goethe nach Tarnowitz, um die auch für ihn völlig neue Erfindung in Augenschein zu nehmen. Goethes Besuch, den der Dichter auch in einem Epigramm an die Bürger von Tarnowitz verewigte, soll die Bedeutung der von Preußen beförderten industriellen Revolution in Schlesien illustrieren. Goethes Besichtigung der preußischen Dampfmaschine, das passt den Kritikern nicht. Doch auch die Architektur von Erich Mendelsohn und anderen Vertretern der Moderne in Schlesien zwischen den Weltkriegen interpretieren sie als deutsche Schlagseite des Konzepts.
Noch einmal der Politiker Piotr Spyra:
"Es ist logisch, dass deutsche Kulturinstitutionen, wie zum Beispiel das Schlesische Museum in Görlitz, eine deutsche Sicht auf Schlesien zeigen. Aber es ist ebenso logisch, dass polnische Institutionen den polnischen Standpunkt in Bezug auf Schlesien präsentieren."
Ganz anders sieht es Museumsdirektor Leszek Jodliński, maßgeblich am Ausstellungskonzept beteiligt. Jodliński ist ein polnischer Oberschlesier aus Kattowitz. Er hat unter anderem in Heidelberg und Japan studiert. Den aktuellen Streit kommentiert er so:
"Wir haben es in den deutsch-polnischen Beziehungen eben mit dem Erbe des Zweiten Weltkriegs zu tun. Und da wird das Gespenst des Deutschtums immer mal wieder aus dem Hut gezogen. Das ist sehr traurig und sehr provinziell. Auf der gesamtstaatlichen Ebene haben wir diese Phobie überwunden. Hier ist sie plötzlich wieder da."