Polens Verhältnis zu Russland
In dem Sammelband "Polen und der Osten" wird der polnische Widerstand gegen die Unterdrückung durch den übermächtigen russischen Nachbarn dokumentiert. Dabei erscheint dem katholischen Publizisten Stanisław Stomma gerade der Januar-Aufstand als Paradebeispiel einer verfehlten Politik polnischer Nationalpolitiker, die viel zur Tragödie der Polen im 19. und 20. Jahrhundert beigetragen habe.
Im Januar 1863 kam es im Königreich Polen, das eine Art Vasallenstaat des Zaren war, zu einem Aufstand gegen die russische Obrigkeit. Die Aufständischen kämpften für die polnische Freiheit und verloren am Ende kläglich. Immerhin hatte der russische Teil Polens bis dahin eine gewisse Eigenständigkeit besessen – im Gegensatz zu den preußisch und österreichisch besetzten Teilen. Jetzt sanken Warschau und Umgebung zu einer russischen Provinz herab.
Das Gedenken an den Januar-Aufstand ist für viele Polen indes bis heute ein Höhepunkt nationaler Heldenverehrung. Dieser Aufstand galt und gilt als Meilenstein auf dem Weg zur Wiedererstehung der polnischen Republik nach dem Ersten Weltkrieg.
In dem nun bei Suhrkamp erschienenen Sammelband "Polen und der Osten" wird der polnische Widerstand gegen die Unterdrückung durch den übermächtigen russischen Nachbarn dokumentiert, aber auch immer wieder kritisch in Frage gestellt. So erscheint dem katholischen Publizisten und Politiker Stanisław Stomma gerade der Januar-Aufstand als Paradebeispiel einer verfehlten Politik polnischer Nationalpolitiker, die viel zur Tragödie der Polen im 19. und 20. Jahrhundert beigetragen habe.
Die Ereignisse von 1863 lieferten dem damals gerade erst ernannten preußischen Ministerpräsidenten Otto von Bismarck eine ausgezeichnete Vorlage für seine später so erfolgreiche Großmachtpolitik. Der Polenfeind Bismarck verbündete sich gegen die polnischen Aufständischen mit Russland. Gestützt auf dieses Bündnis hatte er freie Hand für seine Kriege gegen Dänemark, Österreich und Frankreich und gründete schließlich ein deutsches Reich unter der Vormundschaft der polnischen Teilungsmacht Preußen.
Hätte man in Polen seinerzeit auf den Januar-Aufstand verzichtet, suggeriert Stanisław Stomma, hätte man sich mit Russland verständigen können und es wäre vielleicht auch nie zu einer preußisch-deutschen Vormachtstellung in Europa gekommen.
Mehr als 30 Texte, vom Ende des 19. Jahrhunderts bis hinein in die heutige Zeit, hat der Krakauer Historiker Andrzej Chwalba zusammengestellt, um den Facettenreichtum polnisch-russischer Beziehungen zu dokumentierten.
Zu Wort kommen die überragenden polnischen Staatsmänner der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Roman Dmowski und Józef Piłsudski, ferner die Ostpolitiker der polnischen Emigration nach dem Zweiten Weltkrieg sowie zahlreiche Russlandkenner der Gegenwart. In der Auswahl der Texte, darunter befinden sich politische Statements, historische Studien, Essays sowie einige Beispiele aus der polnischen Dichtung, erkennt man zwischen Abwehr und Faszination die Bandbreite polnischer Russlandbeziehungen. Erörtert wird ebenso die für das Verhältnis von Polen und Russen zentrale Bedeutung litauischer, weißrussischer und ukrainischer Nachbarschaft.
Schade nur, dass die Einführung durch den Herausgeber unter dem Titel "Tausend Jahre Nachbarschaft" zu einem allzu faktografischen Leitfaden geraten ist, der weder übergeordnete Wirkungszusammenhänge deutlich macht noch Hintergrundwissen zu den präsentierten Autoren und ihren Texten liefert.
Abgesehen davon bietet dieser Band aus der Polnischen Bibliothek des Suhrkamp Verlages neues und grundlegendes Wissen für alle, die sich für die Ostbeziehungen unseres östlichen Nachbarn interessieren.
Andrzej Chwalba (Hrsg.): Polen und der Osten. Texte zu einem spannungsreichen Verhältnis
Erschienen in der Reihe Denken und Wissen. Eine polnische Bibliothek.
Suhrkamp Verlag 2005, 533 Seiten, € 38,00
Das Gedenken an den Januar-Aufstand ist für viele Polen indes bis heute ein Höhepunkt nationaler Heldenverehrung. Dieser Aufstand galt und gilt als Meilenstein auf dem Weg zur Wiedererstehung der polnischen Republik nach dem Ersten Weltkrieg.
In dem nun bei Suhrkamp erschienenen Sammelband "Polen und der Osten" wird der polnische Widerstand gegen die Unterdrückung durch den übermächtigen russischen Nachbarn dokumentiert, aber auch immer wieder kritisch in Frage gestellt. So erscheint dem katholischen Publizisten und Politiker Stanisław Stomma gerade der Januar-Aufstand als Paradebeispiel einer verfehlten Politik polnischer Nationalpolitiker, die viel zur Tragödie der Polen im 19. und 20. Jahrhundert beigetragen habe.
Die Ereignisse von 1863 lieferten dem damals gerade erst ernannten preußischen Ministerpräsidenten Otto von Bismarck eine ausgezeichnete Vorlage für seine später so erfolgreiche Großmachtpolitik. Der Polenfeind Bismarck verbündete sich gegen die polnischen Aufständischen mit Russland. Gestützt auf dieses Bündnis hatte er freie Hand für seine Kriege gegen Dänemark, Österreich und Frankreich und gründete schließlich ein deutsches Reich unter der Vormundschaft der polnischen Teilungsmacht Preußen.
Hätte man in Polen seinerzeit auf den Januar-Aufstand verzichtet, suggeriert Stanisław Stomma, hätte man sich mit Russland verständigen können und es wäre vielleicht auch nie zu einer preußisch-deutschen Vormachtstellung in Europa gekommen.
Mehr als 30 Texte, vom Ende des 19. Jahrhunderts bis hinein in die heutige Zeit, hat der Krakauer Historiker Andrzej Chwalba zusammengestellt, um den Facettenreichtum polnisch-russischer Beziehungen zu dokumentierten.
Zu Wort kommen die überragenden polnischen Staatsmänner der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Roman Dmowski und Józef Piłsudski, ferner die Ostpolitiker der polnischen Emigration nach dem Zweiten Weltkrieg sowie zahlreiche Russlandkenner der Gegenwart. In der Auswahl der Texte, darunter befinden sich politische Statements, historische Studien, Essays sowie einige Beispiele aus der polnischen Dichtung, erkennt man zwischen Abwehr und Faszination die Bandbreite polnischer Russlandbeziehungen. Erörtert wird ebenso die für das Verhältnis von Polen und Russen zentrale Bedeutung litauischer, weißrussischer und ukrainischer Nachbarschaft.
Schade nur, dass die Einführung durch den Herausgeber unter dem Titel "Tausend Jahre Nachbarschaft" zu einem allzu faktografischen Leitfaden geraten ist, der weder übergeordnete Wirkungszusammenhänge deutlich macht noch Hintergrundwissen zu den präsentierten Autoren und ihren Texten liefert.
Abgesehen davon bietet dieser Band aus der Polnischen Bibliothek des Suhrkamp Verlages neues und grundlegendes Wissen für alle, die sich für die Ostbeziehungen unseres östlichen Nachbarn interessieren.
Andrzej Chwalba (Hrsg.): Polen und der Osten. Texte zu einem spannungsreichen Verhältnis
Erschienen in der Reihe Denken und Wissen. Eine polnische Bibliothek.
Suhrkamp Verlag 2005, 533 Seiten, € 38,00