Polenz: Wenig Einfluss des Westens auf die arabische Revolution
Der CDU-Außenpolitiker Ruprecht Polenz hält die Einflussmöglichkeiten des Westens auf die arabischen Revolutionen für sehr begrenzt. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag sagte, es hänge viel davon ab, ob es den Europäern gelinge, den Wandel in der arabischen Welt zu unterstützen und sich als verlässlicher Partner zu präsentieren.
Marcus Pindur: Heute beraten die NATO-Außenminister über die Beziehungen der westlichen Allianz zu den arabischen Staaten. Da ist ja durch den sogenannten Arabischen Frühling einiges in Bewegung gekommen. Galt das Militär in den vergangenen zwei Jahrzehnten oft als Bollwerk gegen den militanten Islamismus, so wird es heutzutage wie zum Beispiel in Ägypten eher als Behinderung beim Aufbau einer Demokratie gesehen. Die NATO-Außenminister werden es schwer haben, eine einheitliche Strategie festzulegen.
Wir wollen jetzt mit dem außenpolitischen Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag sprechen und Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses, Ruprecht Polenz. Guten Morgen, Herr Polenz!
Ruprecht Polenz: Guten Morgen, Herr Pindur!
Pindur: An dem Einsatz der NATO in Libyen, das war ja ein großer Schnitt, da haben sich große Erwartungen geknüpft. Außer der NATO haben auch noch drei arabische Länder daran teilgenommen und man hat auch gehofft, dass sich eben das Bild des Westens in der arabischen Welt dadurch ändern werde. Glauben Sie tatsächlich, dass das so ist und dass sich das Verhältnis zu den arabischen Staaten auf Dauer ändern lassen wird, bessern lassen wird?
Polenz: Das hängt jetzt ganz davon ab, wie gut es dem Westen, der Europäischen Union, Deutschland, den anderen, gelingt, den Wandel in der arabischen Welt zu unterstützen und sich als verlässlicher Partner und jemand, der Hilfe leistet dabei, zu präsentieren und mitzuwirken.
Pindur: Da ist ja einiges schon unterwegs auch an ziviler Kooperation, was durchaus wichtig ist beim Aufbau der Demokratien. Glauben Sie, dass das auch tatsächlich diese Länder in Richtung Demokratie weiterbewegen kann, oder ist unser Einfluss da einfach auch begrenzt?
Polenz: Also erstens: Der Einfluss ist sicherlich begrenzt. Es ist nicht so, dass wir als Europäer die Revolutionen machen würden, sondern wir verhalten uns dazu. Wir können unterstützen, was jetzt Richtung Demokratie, mehr Rechtsstaatlichkeit in diesen Ländern unterwegs ist. Aber wir müssen auch Land für Land anschauen, die Entwicklung ist ja auch sehr unterschiedlich. In Tunesien beispielsweise ist man schon ein ganzes Stück weiter als im Augenblick noch in Ägypten.
Pindur: Die Frage ist in der Tat: Wohin bewegen sich auch diese arabischen Revolutionen? Das ist ja ein Grund, warum man die ganze Entwicklung in Israel sehr aufmerksam beobachtet, und wir sehen doch tatsächlich, dass im Moment – man hat es in Tunesien, aber auch in Ägypten beobachten können – die islamistischen Parteien großen Zulauf haben. Gefährdet das nicht auf mittlere Frist schon den Bestand dieser demokratischen Revolutionen?
Polenz: Zunächst einmal ist es ja interessant, dass sowohl in Tunesien wie in Ägypten die Moslembrüder nicht mit den noch radikaleren islamistischen Gruppierungen wie den Salafisten koalieren, sondern sich säkulare, liberale Koalitionspartner ausgesucht haben beziehungsweise aussuchen werden.
In Ägypten gibt es dazu eine Verabredung, in Tunesien ist man schon so weit, dass man in dieser Weise das Land regieren will. Und man muss auch hier sehen: Beispielsweise in Tunesien gibt es eine sehr weitgehende Rolle der Frau festgelegt im statut personnel, das wird sicherlich nicht angetastet werden, auch nicht von den Moslembrüdern. Und ich warne auch ein bisschen davor, jetzt unter den Begriff islamstische Parteien alle in einen Topf zu stecken. Da gibt es große Unterschiede.
Pindur: Der Westen hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten oft mit dem Militär in den arabischen Ländern kooperiert oder kooperieren müssen. Schauen wir uns mal die Rolle des Militärs in Ägypten an. Zunächst hat es die Demonstranten unterstützt, die Revolution zugelassen, drücken wir es mal so aus, jetzt steht allerdings die Befürchtung im Raum, das Militär werde die Demokratisierung behindern. Wie soll sich der Westen denn da verhalten?
Polenz: Ich glaube, er muss sich ganz klar auf die Seite derer stellen, die jetzt weitere Reformen und den Übergang einfordern. Das Militär hat die Herrschaft fest in der Hand. Es gibt nach wie vor Militärjustiz, bis zu 12.000 Menschen sollen davon verurteilt worden sein. In der Militärjustiz sind die Rechte der Angeklagten wesentlich weniger stark ausgeprägt als in der zivilen Justiz, in Ägypten beispielsweise.
Und das Militär ist im Grunde auch ein, ja, nicht der geeignete Treuhändler für den Übergang in die Demokratie, das ist in Tunesien anders gelaufen, dort hat man diesen Übergang in die Hände eines zivilen Komitees gelegt. In Ägypten hat nach wie vor das Militär diese Entwicklung in der Hand, und es bleibt abzuwarten, ob es tatsächlich die Macht übergibt.
Man muss ja sehen: Das Militär hat Regelungen einbringen wollen, wonach sozusagen vorverfassungsrechtlich oder überverfassungsrechtlich dem Militär Sonderrechte eingeräumt werden sollen, auch in Zukunft in Ägypten, was das eigene Budget angeht, was die eigenen Privilegien angeht.
Und auch, wenn es jetzt Parlamentswahlen gibt – im Augenblick sind wir ja vor dem zweiten und dann dem dritten Wahlgang –, hat das Militär gesagt: Die Regierung, die danach gebildet wird, die bestimmen weiterhin wir, dieses Parlament ist nur dazu da, die Verfassung auszuarbeiten – auch das ein Unterschied zu Tunesien, wo diese verfassungsgebende Versammlung auch eine Regierung wählt.
Pindur: Zum Schluss noch ein Wort zu Syrien, dort ist die arabische Revolution ja bislang mit einem blutigen Schlag des Regimes konfrontiert. Glauben Sie, dass sich Assad noch länger wird an der Macht halten können?
Polenz: Das glaube ich nicht. Ich habe die große Sorge, dass wir immer mehr in einen Bürgerkrieg abgleiten in Syrien, die Aufständischen, die Demonstranten besser gesagt, die Demonstranten bewaffnen sich zunehmend, es gibt immer mehr Überläufer auch aus dem syrischen Militär, die ihre Waffen mitnehmen. Und je eher Assad erkennen würde, dass er sich nicht an der Macht halten kann, und je eher er sein Amt räumt, umso besser für das Land, denn sonst wird das Blutvergießen wahrscheinlich noch zunehmen schrecklicherweise.
Pindur: Herr Polenz, vielen Dank für das Gespräch!
Polenz: Bitteschön, Herr Pindur!
Pindur: Ruprecht Polenz, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Deutschen Bundestag.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner.
Wir wollen jetzt mit dem außenpolitischen Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag sprechen und Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses, Ruprecht Polenz. Guten Morgen, Herr Polenz!
Ruprecht Polenz: Guten Morgen, Herr Pindur!
Pindur: An dem Einsatz der NATO in Libyen, das war ja ein großer Schnitt, da haben sich große Erwartungen geknüpft. Außer der NATO haben auch noch drei arabische Länder daran teilgenommen und man hat auch gehofft, dass sich eben das Bild des Westens in der arabischen Welt dadurch ändern werde. Glauben Sie tatsächlich, dass das so ist und dass sich das Verhältnis zu den arabischen Staaten auf Dauer ändern lassen wird, bessern lassen wird?
Polenz: Das hängt jetzt ganz davon ab, wie gut es dem Westen, der Europäischen Union, Deutschland, den anderen, gelingt, den Wandel in der arabischen Welt zu unterstützen und sich als verlässlicher Partner und jemand, der Hilfe leistet dabei, zu präsentieren und mitzuwirken.
Pindur: Da ist ja einiges schon unterwegs auch an ziviler Kooperation, was durchaus wichtig ist beim Aufbau der Demokratien. Glauben Sie, dass das auch tatsächlich diese Länder in Richtung Demokratie weiterbewegen kann, oder ist unser Einfluss da einfach auch begrenzt?
Polenz: Also erstens: Der Einfluss ist sicherlich begrenzt. Es ist nicht so, dass wir als Europäer die Revolutionen machen würden, sondern wir verhalten uns dazu. Wir können unterstützen, was jetzt Richtung Demokratie, mehr Rechtsstaatlichkeit in diesen Ländern unterwegs ist. Aber wir müssen auch Land für Land anschauen, die Entwicklung ist ja auch sehr unterschiedlich. In Tunesien beispielsweise ist man schon ein ganzes Stück weiter als im Augenblick noch in Ägypten.
Pindur: Die Frage ist in der Tat: Wohin bewegen sich auch diese arabischen Revolutionen? Das ist ja ein Grund, warum man die ganze Entwicklung in Israel sehr aufmerksam beobachtet, und wir sehen doch tatsächlich, dass im Moment – man hat es in Tunesien, aber auch in Ägypten beobachten können – die islamistischen Parteien großen Zulauf haben. Gefährdet das nicht auf mittlere Frist schon den Bestand dieser demokratischen Revolutionen?
Polenz: Zunächst einmal ist es ja interessant, dass sowohl in Tunesien wie in Ägypten die Moslembrüder nicht mit den noch radikaleren islamistischen Gruppierungen wie den Salafisten koalieren, sondern sich säkulare, liberale Koalitionspartner ausgesucht haben beziehungsweise aussuchen werden.
In Ägypten gibt es dazu eine Verabredung, in Tunesien ist man schon so weit, dass man in dieser Weise das Land regieren will. Und man muss auch hier sehen: Beispielsweise in Tunesien gibt es eine sehr weitgehende Rolle der Frau festgelegt im statut personnel, das wird sicherlich nicht angetastet werden, auch nicht von den Moslembrüdern. Und ich warne auch ein bisschen davor, jetzt unter den Begriff islamstische Parteien alle in einen Topf zu stecken. Da gibt es große Unterschiede.
Pindur: Der Westen hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten oft mit dem Militär in den arabischen Ländern kooperiert oder kooperieren müssen. Schauen wir uns mal die Rolle des Militärs in Ägypten an. Zunächst hat es die Demonstranten unterstützt, die Revolution zugelassen, drücken wir es mal so aus, jetzt steht allerdings die Befürchtung im Raum, das Militär werde die Demokratisierung behindern. Wie soll sich der Westen denn da verhalten?
Polenz: Ich glaube, er muss sich ganz klar auf die Seite derer stellen, die jetzt weitere Reformen und den Übergang einfordern. Das Militär hat die Herrschaft fest in der Hand. Es gibt nach wie vor Militärjustiz, bis zu 12.000 Menschen sollen davon verurteilt worden sein. In der Militärjustiz sind die Rechte der Angeklagten wesentlich weniger stark ausgeprägt als in der zivilen Justiz, in Ägypten beispielsweise.
Und das Militär ist im Grunde auch ein, ja, nicht der geeignete Treuhändler für den Übergang in die Demokratie, das ist in Tunesien anders gelaufen, dort hat man diesen Übergang in die Hände eines zivilen Komitees gelegt. In Ägypten hat nach wie vor das Militär diese Entwicklung in der Hand, und es bleibt abzuwarten, ob es tatsächlich die Macht übergibt.
Man muss ja sehen: Das Militär hat Regelungen einbringen wollen, wonach sozusagen vorverfassungsrechtlich oder überverfassungsrechtlich dem Militär Sonderrechte eingeräumt werden sollen, auch in Zukunft in Ägypten, was das eigene Budget angeht, was die eigenen Privilegien angeht.
Und auch, wenn es jetzt Parlamentswahlen gibt – im Augenblick sind wir ja vor dem zweiten und dann dem dritten Wahlgang –, hat das Militär gesagt: Die Regierung, die danach gebildet wird, die bestimmen weiterhin wir, dieses Parlament ist nur dazu da, die Verfassung auszuarbeiten – auch das ein Unterschied zu Tunesien, wo diese verfassungsgebende Versammlung auch eine Regierung wählt.
Pindur: Zum Schluss noch ein Wort zu Syrien, dort ist die arabische Revolution ja bislang mit einem blutigen Schlag des Regimes konfrontiert. Glauben Sie, dass sich Assad noch länger wird an der Macht halten können?
Polenz: Das glaube ich nicht. Ich habe die große Sorge, dass wir immer mehr in einen Bürgerkrieg abgleiten in Syrien, die Aufständischen, die Demonstranten besser gesagt, die Demonstranten bewaffnen sich zunehmend, es gibt immer mehr Überläufer auch aus dem syrischen Militär, die ihre Waffen mitnehmen. Und je eher Assad erkennen würde, dass er sich nicht an der Macht halten kann, und je eher er sein Amt räumt, umso besser für das Land, denn sonst wird das Blutvergießen wahrscheinlich noch zunehmen schrecklicherweise.
Pindur: Herr Polenz, vielen Dank für das Gespräch!
Polenz: Bitteschön, Herr Pindur!
Pindur: Ruprecht Polenz, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Deutschen Bundestag.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner.