Halloween ohne Cowboys
Die Universität von Kent in Großbritannien setzt für ihren baldigen Halloween-Ball bestimmte Kostüme auf den Index. Das Ziel: Mehr Rücksicht auf Minderheiten. Doch das kommt nicht bei jedem gut an.
Am 31. Oktober ist es wieder soweit: Halloween-Ball an der Universität von Kent. Natürlich ist Verkleidung angesagt und man wird sehen, wie viele Cowboys sich in den Nachtclub trauen. Denn das entsprechende Kostüm steht jetzt auf dem Index.
"Ich finde das nicht richtig", meint ein Student. "Das ist doch gar kein Problem. Einige haben sich letztes Jahr wohl beschwert und machen weiter im Internet Stimmung. Diese drakonischen Regeln müssen nicht sein."
Verkleidung als Beleidigung
Cowboys hätten die indigenen Ureinwohner Nordamerikas vertrieben, so lautet die Begründung. Und warum sind dann auch Indianer unerwünschte Partygäste? Das Kostüm sei "eine anmaßende Aneignung einer fremden Kultur". Aber eines fällt auf: Studenten oder Studentinnen mit Migrationshintergrund finden die Verbote meistens richtig.
"Cowboy-Kostüme finde ich nicht schlimm, ich verbinde sie nicht mit einer bestimmten Kultur. Aber Sombreros oder afrikanische und asiatische Kostüme, eine Nonne, eine Muslima mit Hijab: Wer sich so an Halloween verkleidet, verhält sich wirklich sehr beleidigend. Sie spielen mit einer anderen Kultur und sagen dann, es sei ja nur ein Scherz."
"Man eignet sich eine Kultur an, der man nicht zugehört. So ein Kostüm sollte man nicht zum Spaß tragen. Ich finde das nicht richtig."
Klatschen verboten
Auch andernorts verstehen britische Studierende keinen Spaß mehr, zum Beispiel in Manchester. Wer über etwas begeistert ist, soll dort im Hörsaal und bei Veranstaltungen ab sofort nicht mehr klatschen. Dafür hat sich Sara Khan von der Studierendenvertretung der Universität Manchester stark gemacht.
"Beifall kann Menschen mit Autismus, sensorischen Störungen oder Schwerhörigkeit Probleme bereiten. Wir empfehlen, statt Beifall die offizielle Gebärdensprache anzuwenden."
Sara Khan streckt beide Hände in die Höhe, dreht sie schnell links und rechts, ohne aber zu klatschen. Nicht nur Amy Wei von der Uni-Zeitung "The Mancunion" zeigt der eigenen Kommilitonin dafür den Vogel. "Ehrlich gesagt, jeder mit dem ich darüber geredet habe, findet es ziemlich lächerlich. Das gilt als Inbegriff des Stereotyps davon, wie heute Studentenpolitik betrieben wird. Wir wollen inklusiv sein und landen beim genauen Gegenteil."
Kulturkampf um die Political Correctness
Dass das alles für so viel Wirbel sorgt, hat einen Grund: An britischen Universitäten wütet ein Kulturkampf um die Political Correctness. Die Debatte schwappt auf die gesamte Gesellschaft über. Der britische Schauspieler Stephen Fry findet die Political Correctness nur noch irre.
"Ich selbst möchte auch keinen Rassismus, keine Frauen-, Schwulen- oder Transsexuellen-Feindlichkeit, kein Mobbing, keine Bigotterie und Intoleranz aller Art. Aber Political Correctness ist mir zu selbstgefällig. Sie ähnelt der Verfolgung von Ketzern, der Denunzierung, der Inquisition und Zensur. Aber vor allem glaube ich einfach, dass Political Correctness nichts bewirkt."
Imperialisten ausdrücklich erlaubt
"Wir nennen berechtigte Forderungen von Minderheiten Political Correctness", wendet auf der gleichen Veranstaltung die kanadische Publizistin Michelle Goldberg ein. "Sie wollen mit ihren Gefühlen ernst genommen und nicht an den Rand gedrängt werden. Und wir machen uns lustig über sie. Das hat ein kulturelles Erdbeben ausgelöst und jetzt hat man Angst, das geht zu weit."
In Manchester ist die Studentenvertretung inzwischen zurückgerudert – das Klatschverbot gilt nicht mehr für Theater-, Musik- und Sportveranstaltungen. Andere spotten über die Positivliste der Universität Kent, welche Kostüme also an Halloween noch erlaubt sind. Alter Grieche und Römer gehen zum Beispiel – dabei seien das doch schlimme Imperialisten gewesen, heißt es höhnisch. Erlaubt ist an Halloween auch, als Höhlenmensch aufzutauchen. Die Empfehlung hier aber lautet: Bitte ohne echtes Tierfell!