Fifty shades of grey – Wie sieht Macht aus?
35:49 Minuten
Eine Langzeitdoku begleitet den Politiker Kevin Kühnert und zeigt Orte der Macht – ebenso informativ wie grau. Über reale und erfundene Politikerbilder sprechen wir mit Filmemacherin Katharina Schiele und Drehbuchautor Stefan Stuckmann.
"Kevin Kühnert und die SPD", das ist der Titel einer sechsteiligen NDR-Dokuserie von Katharina Schiele und Lucas Stratmann. Von 2018 bis zur Bundestagswahl 2021 waren die beiden immer wieder mit dem verkabelten Kühnert unterwegs, in all den Büros der SPD-Zentrale, bei Juso-Abstimmungen, in den Ortsverbänden – und in ungefähr jeder Raucherecke, die sich auf dem Weg bot und die Kühnert zwischen Presse-Statements und internen Beratungen aufsuchte.
Sechs Folgen Kühnert, reicht das? Die Doku wird gefeiert, unter anderem der Medienjournalist Stefan Niggemeier lobt die Serie als "erstaunlich nah und aufwändig, ungemein fesselnd, unterhaltsam und interessant."
Rauchen, bis das Abstimmungsergebnis stimmt
Wir nehmen uns in diesem Podcast nicht vornehmlich die Inhalte, sondern zunächst mal ästhetische Kriterien vor. Denn während einerseits die Neugierde befriedigt wird, endlich mal sehen zu können, wie ein junger Politiker hinter den so genannten Kulissen agiert, sprechen die Bilder andererseits ihre eigene graue und durchgängig leicht erschöpfte Sprache: Die Sonne scheint kaum, Parteizentralen scheinen ein Hort von Funktionsarbeitsplätzen zu sein, Ortverbände oder Juso-Gruppen treffen sich in Turnhallen, an Stehtischen, in Gemeindehäusern – no glamour, nirgends.
Wie auch, die Macht ist nur geliehen, konstatiert Kühnert gleich zu Beginn, sie muss dementsprechend beheimatet sein in unpersönlichen und pragmatischen Settings, man ist nur auf der Durchreise.
Telefon, Laptop, Kekse
Um nicht völlig naiv zu klingen: Das war uns schon auch klar. Aber die aufbrandende Erschöpfung des Politikers übersetzt sich auch in den Bildern der Nichtorte in dieser Doku.
Bedingt das eine das andere? Was erzählen die Eindrücke vom Politikverständnis in Deutschland? Wie sieht Macht also aus? Warum überwiegt grau und wie überlebt man darin, schlaflos und nicht nur vom politischen Gegner gequält, sondern auch der Journalistenmeute, die erbarmungslos hinterm Blumenstrauß von Mikrofonständern jederzeit bereitsteht? Draußen internationale Presse und drinnen halt auch nur ein Katzentisch im Standardbüro mit klapperndem Laptop, Kabelsalat und jeder Menge: Keksen – jedes Detail ein Traum aus unästhetischem Pragmatismus.
Fiktion vs. Realität
Der Drehbuchautor Stefan Stuckmann hat die Serie "Eichwald, MdB" geschrieben und selbst in dieser Satire aus dem Jahr 2015 nicht wenig Wert darauf gelegt, die Bürohaftigkeit der Parteiarbeit darzustellen. Wie schaut er auf das realistische Gegenstück von Schiele und Stratmann? Was machen denn solche Settings mit den Menschen darin? Ist das Bild der Macht nur Unterstatement und Grau am Ende die Grundbedingung für gute Politik? Immerhin zerstreut es nicht. Wir aber versuchen es mal mit ein bisschen bunter Ablenkung und einem Gespräch der beiden Perspektiven – einmal fiktional, einmal dokumentarisch – auf den Politikbetrieb.