Zwischen Bundestag und Urban Gardening
37:26 Minuten
Als erste grüne Landwirtschaftsministerin bekam sie es mit der Agrarlobby zu tun, jetzt interessiert sich die Juristin und Politikerin Renate Künast für urbane Gemeinschaftsgärten.
Grüne Ideen und Konzepte sind im Mainstream angekommen. Die Grünen-Politikerin Renate Künast freut sich über die Zugewinne ihrer Partei bei der Europawahl, sieht jetzt aber vor allem die Schritte, die eingeleitet werden müssen, um wirklich Maßnahmen für den Klimaschutz umsetzen zu können. Wichtig sei es, den Klimaschutz und die soziale Frage nicht künstlich voneinander zu trennen:
"Die soziale Frage ist die: Was ist mit dem Job morgen, hab ich hier Perspektiven oder organisieren wir durch unsere Art zu leben, zu produzieren und zu transportieren noch mehr Flüchtlingsbewegungen? Was ist der Job in fünf Jahren? Was ist der Job von denen, die heute Kinder sind? In was investieren wir, wie beleben wir Regionen?"
Die grüne Ministerin und die Agrarindustrie
In diesem Sinne, dass Nachhaltigkeit im Umweltschutz auch für Nachhaltigkeit in der Wirtschaft sorgen kann, hat Renate Künast im Jahr 2001 als Branchenneuling ihren Dienst als Bundeslandwirtschaftsministerin angetreten – und ist dabei auf immenses Konfliktpotential gestoßen:
"Irgendwann hab ich mal gesagt: Gut, dass ich nicht alles wusste. Sonst wäre ich vielleicht erschrocken gewesen. Ja, es war ein Sprung ins kalte Wasser, aber ich hatte ja zum Glück schon zwei Jahre vorher ein bisschen beobachten können, was die anderen Kollegen machen. Die wichtigste Aufgabe als Ministerin ist die allererste, nämlich wie stellst du dir dein Team zusammen. Leider gibt es ja keinen Lehrgang für Minister."
Als Juristin war sie in ihrer Position allerdings keine Ausnahme: "Das Landwirtschaftsministerium ist voller Juristinnen und Juristen." Die Auseinandersetzung mit Lobbyisten, Agrarindustrie und Bauernverband blieb trotz juristischem Verhandlungsgeschick "anstrengend", so Künast.
Von der Sozialarbeiterin zur Juristin
Dass sie überhaupt Jura studieren konnte verdankt sie unter anderem einer "wunderbaren Grundschullehrerin" in Recklinghausen, die damals gegen den Wunsch der Eltern zusammen mit der Grundschülerin durchsetzte, dass diese die Realschule besuchte. Es folgten Fachabitur, Sozialarbeitsstudium, Umzug nach Berlin und diverse Tätigkeiten als Sozialarbeiterin.
Ihr politisches Bewusstsein hatte sich schon vorher entwickelt, und damit auch das Bedürfnis, selbst politisch aktiv zu werden. Jura hatte sich Künast zunächst gar nicht zugetraut, ebenso wenig wie später ein Amt in der Politik aufzunehmen. Irgendwann hat sie sich doch an beides gewagt:
"Und dann hab ich gemerkt: Die Jungs kochen auch nur mit Wasser. Auch wenn sie es sehr eloquent darstellen, wissen sie keinen Deut mehr als ich."
Essbare Städte
Neben ihrer politischen Arbeit hat Renate Künast, die selber gerne pflanzt und gärtnert, jetzt ein Buch über Urban Gardening veröffentlicht. Sie liebt die grünen Gemeinschaftsoasen in den Städten, der "Zugang zum öffentlichen Raum" gehört für sie zur Lebensqualität.
Die Frage, warum nicht auch Essbares in der Stadt wächst, beschäftigt sie ebenfalls – warum nicht auch mal Apfelbäume als Straßenbäume? Grüne Bereiche, notwendige Luftschneisen und Artenvielfalt sind für sie Argumente dagegen, jeden Freiraum zuzubauen. Man brauche nicht nur Landwirte, sondern auch "Stadtwirte".
Wenn Renate Künast selbst ausspannen möchte, dann auch am liebsten im Garten oder auf dem eigenen Balkon zwischen den Küchenkräutern.
(mah)