Politikwissenschaftler: Strepp hätte Nein sagen können

Heinrich Oberreuter im Gespräch mit André Hatting |
Der Passauer Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter hält es für sehr unwahrscheinlich, dass der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) hinter dem Anruf seines zurückgetretenen Sprechers Hans Michael Strepp beim ZDF steckt.
André Hatting: Trotz Entschuldigungen und Dementis: Am Ende hat Hans Michael Strepp hingeworfen. Die Anrufe des CSU-Sprechers beim ZDF waren der Auslöser, Strepp soll darin versucht haben, die Berichterstattung der "heute"-Redaktion über den SPD-Parteitag zu beeinflussen. Am Telefon ist jetzt Heinrich Oberreuter. Er lehrt als Professor Politikwissenschaft an der Universität Passau und ist CSU-Experte. Guten Morgen, Herr Oberreuter!

Heinrich Oberreuter: Ja, guten Morgen!

Hatting: Also, eigentlich hatte man zunächst den Eindruck, die Sache würde mit der Entschuldigung Strepps und möglicherweise einer Erklärung, so wie sie ja unter anderem die Bundesjustizministerin gefordert hatte, so langsam austrudeln. Dann aber doch der Rücktritt. Warum?

Oberreuter: Ja, nun muss man sagen, die Entschuldigung ist ja relativ nichtssagend gewesen. Und der Vorwurf, dass er in der Redaktion telefonisch Einfluss genommen hat mit dem Hinweis, folge man ihm nicht, dann gebe es hinterher Diskussionen, das heißt im Klartext, die Aufsichtsgremien sind wohl da mitbedacht gewesen. Das war keine Bereinigung der Angelegenheit, wobei sie so kurz-argumentativ interpretiert worden ist, dass wir nicht letztendlich Klarheit haben, was eigentlich zwischen den beiden Parteien gelaufen ist. Aber immerhin, das ZDF hat sich doch so herausgefordert gefühlt, dass seine Potentaten erklärt haben, einen solchen Beeinflussungsversuch hätten sie nicht erlebt. Also, hier geht es eigentlich dann schon um das Verhältnis von Medien und Politik und um die Freiheit der Presse und des Fernsehens. Insofern verstehe ich die Diskussion durchaus.

Hatting: Und Sie verstehen auch den Rücktritt?

Oberreuter: Ich verstehe ihn. Und ich glaube, Seehofer, der in dieser Angelegenheit wirklich cool und präzise reagiert hat, hat nicht nur die These aufgestellt, dass solches Verhalten – träfe es denn zu – nicht akzeptabel wäre, er hat auch in der Unklarheit, die natürlich von der Partei erzeugt werden soll zur Verteidigung ihrer selbst und ihres Sprechers, doch auch gesagt: Jemand, der an der Nahtstelle zwischen Medien und Politik tätig ist wie Herr Strepp, der könne dieses Amt nicht mehr unbefangen ausführen. Und insofern war das alles okay.

Hatting: Jetzt haben Sie gerade, Herr Oberreuter, gesagt, der CSU-Chef Seehofer habe cool und souverän reagiert. Für die Opposition ist klar, dass Strepp das auf gar keinen Fall im Alleingang gemacht haben könne, da muss es einen Auftraggeber gegeben haben! Entweder Horst Seehofer persönlich oder der Generalsekretär Alexander Dobrindt. Was halten Sie für wahrscheinlicher?

Oberreuter: Ja, das ist so eine Frage, die man eigentlich unter Gesichtswahrung kaum beantworten kann. Man ist nicht dabei! Ich will da mal, also, sozusagen die Indizien zusammenkratzen, die einem so zur Verfügung stehen: Von seinen Reaktionsweisen her, wiederhole ich, kann Seehofer es nicht gewesen sein. Von dem her, was gelaufen ist, ist das für Herrn Strepp, der in der Münchener Journalistenszene eigentlich einen sehr guten und besonnenen Ruf hat, persönlichkeitsfremd. Sollte ihm der Generalsekretär – ich sage: sollte! – einen entsprechenden Hinweis und Auftrag gegeben haben, oder jemand anderer aus dem Apparat, dann würde ich sagen: Jemand, der so klug, besonnen und juristisch beschlagen ist wie Strepp, der muss dann auch mal die Fähigkeit aufbringen, Nein zu sagen und einem unsittlichen Auftrag entgegenzutreten. Aber ob es diesen Auftrag gab und von wem er denn gekommen wäre, dazu kann man eigentlich verlässlich nichts sagen, da kann man höchstens spekulieren. Und dann müsste man im Apparat der Partei, in der Landesleitung, die vielleicht in der Euphorie, in der gegenwärtigen Stimmung sich wie in einer Glasglocke agieren sieht und sich ihr eigenes Bild von der Welt zusammenzimmert.

Hatting: Der CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt hatte sich noch am Mittwoch hinter den Parteisprecher gestellt und eine entsprechende Erklärung veröffentlicht. Wie finden Sie jetzt im Nachklapp sein Krisenmanagement?

Oberreuter: Also, das Krisenmanagement muss man nicht mit Gold- und Silber- und Bronzemedaillen auszeichnen! Ich glaube schon, dass der Versuch, den Vorgang zu beschönigen und ihn mit Erklärungen nichtssagender Natur, die vier oder fünf Zeilen umfasst haben, zu bereinigen, dass dieser Versuch vergeblich war, und damit war das Krisenmanagement ja eigentlich unter aller Kritik. Auf der anderen Seite weiß ich nicht, ob man von politischen Potentaten heutzutage erwarten kann, dass sie sich vor die Medien stellen und sagen, wir haben gefehlt!

Hatting: Es ist ja nicht die erste umstrittene Aktion und nicht das erste umstrittene Verhalten von Alexander Dobrindt. Ist er ein Söder hoch zwei?

Oberreuter: Ich habe meine Zweifel. Also, Herr Söder hat in seiner Rolle als Generalsekretär sich sozusagen selbst ein bisschen entblößt, indem er die intellektuellen Fähigkeiten, die er hat und in anderen Ämtern ja unter Beweis stellt, eher verborgen. Und bei Dobrindt hat man den Eindruck, dass er die Rolle des Generalsekretärs ausfüllt, weil er das kann. Ob er sich in anderen Ämtern herausgehobener Natur bewähren würde, das steht aus. Da kann man auch drüber streiten. Vielleicht ist eben ein so umfassendes politisches Gespür, wie es Söder durchaus hat, doch nicht gegeben.

Hatting: Horst Seehofer hat entschieden, nicht an dem Ministerpräsidententreffen in Weimar teilzunehmen, sondern lieber in München zu bleiben und an der Landtagssitzung teilzunehmen. Hat er damit das Thema unnötig aufgeblasen?

Oberreuter: Na ja, er hat gezeigt, dass er das Thema ernst nimmt. Und man muss die Situation sich vor Augen stellen: Er hat am Tag, an dem das Ganze ruchbar wurde, die nun weiß Gott hoch renommierten und viel beachteten Münchener Medientage eröffnet und ausgerechnet mit einem Referat über die Freiheit der Presse und der Medien! Und da hagelt eben eine solche Affäre ins Kontor! Wenn man diesen Hintergrund mit dem Vorgang dann in Beziehung setzt, dann, muss man sagen, ist es leicht nachvollziehbar, dass er vor Ort geblieben ist, um das Seine zu tun, die Angelegenheit zu bereinigen. Im Übrigen habe ich keine Einwände gegen verfassungspolitische Sensibilität von politischen Potentaten, die ist ja eher unterbelichtet in unserem Land, aber in anderen Ländern auch. Ich würde es nicht unter dem Gesichtspunkt betrachten, dass die Angelegenheit unziemlich aufgeblasen worden sei, die Situation war halt so!

Hatting: Was schätzen Sie, wie lange braucht die Halbwertszeit der Affäre für die CSU?

Oberreuter: Ja, das hängt ein bisschen von der Opposition ab.

Hatting: Die versucht da gerade Kapital draus zu schlagen!

Oberreuter: Ja, natürlich! Die CSU versucht selbstverständlich alles, das würde jede Partei, die von so was betroffen ist, tun, um die Dinge also schnellstmöglich vom Tisch zu kriegen! Die Opposition hat natürlich größtes Interesse daran, das Feuer am Kochen zu halten. Und wie immer das auch gerechtfertigt sein mag, sie wird behaupten, dass es hier ein langes Sündenregister gäbe, sie wird auf die "Spiegel"-Affäre hinweisen, die sich ja gerade jubiläumsartig jährt, wird Franz Josef Strauß unterstellen, dass er etliche Dinge subkutan immer meisterlich verstanden hat. Ich würde abraten davon, das zu tun, denn wenn wir diese Diskussion kriegen, dann müssten wir über alle Parteien diskutieren, die irgendwo in der Bundesrepublik gefestigte, absolute Mehrheiten hatten und denen es sehr daran gelegen war und denen es auch gelungen ist, symbiotische Verhältnisse zu Redaktionen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk aufzubauen, bis hin zu der Tatsache, dass man ja manchmal in den Gremien die Sitze und die Positionen verteilt hat nach eins rechts, eins links. Also, ich glaube, wir haben uns davon eher befreit und insofern ist, diese Diskussion in die Länge zu ziehen, eher unfruchtbar!

Hatting: Der Politologe Heinrich Oberreuter von der Universität Passau, vielen Dank für das Gespräch, Herr Oberreuter!

Oberreuter: Ja, bitte schön!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

Links auf dradio.de:

Kein Anruf unter dieser Nummer! - Die CSU, der Parteisprecher und die Einflussnahme (DLF)

Der Rücktritt von Strepp ist "ein halbes Eingeständnis" - Publizist fordert ein Zurückdrängen der Parteien in den Gremien der Öffentlich-Rechtlichen

CSU-Sprecher Strepp wirft hin -
Parteichef Seehofer entbindet Parteisprecher von seinen Aufgaben
Mehr zum Thema