Hauptsache irgendwie bewegt?
Es scheint in zu sein, eine Bewegung zu gründen. Nach Trump, Macron und Kurz springen auch Sahra Wagenknecht oder Robert Habeck auf den Zug auf. Aber was versprechen sich Initiatoren und Anhänger davon? Und wie unterscheiden sie sich von historischen Vorgängern?
Donald Trump kam - nach eigener Aussage – nicht über seine Republikaner-Partei ins Weiße Haus, sondern über eine konservative Bewegung. Bei seiner Amtseinführung im vergangenen Jahr verkündete der US-Präsident:
"Es ist eine Bewegung entstanden, man sagt, wie es sie es noch nie auf der Welt gegeben hat. Etwas ganz, ganz Besonderes. Wir werden Amerika für das ganze Volk großartig machen, für alle!"
Ähnliches postuliert Emmanuel Macron. Um französischer Präsident zu werden, gründete er 2016 La République en Marche!, "Die Republik in Bewegung!" – mit Ausrufezeichen.
"Ich habe mich entschieden, eine politische Bewegung zu gründen. Sie soll weder links noch rechts sein."
Und Sebastian Kurz, der österreichische Bundeskanzler, hatte sich im vergangenen Jahr von der Österreichischen Volkspartei distanziert – und vor der Nationalratswahl die "Liste Sebastian Kurz - Die neue Volkspartei" ins Leben gerufen.
"Dass wir eine Bewegung starten, dass wir auf bewährte Kräfte aus der Volkspartei setzen, aber gleichzeitig neue Leute an Bord holen."
"Es ist eine Bewegung entstanden, man sagt, wie es sie es noch nie auf der Welt gegeben hat. Etwas ganz, ganz Besonderes. Wir werden Amerika für das ganze Volk großartig machen, für alle!"
Ähnliches postuliert Emmanuel Macron. Um französischer Präsident zu werden, gründete er 2016 La République en Marche!, "Die Republik in Bewegung!" – mit Ausrufezeichen.
"Ich habe mich entschieden, eine politische Bewegung zu gründen. Sie soll weder links noch rechts sein."
Und Sebastian Kurz, der österreichische Bundeskanzler, hatte sich im vergangenen Jahr von der Österreichischen Volkspartei distanziert – und vor der Nationalratswahl die "Liste Sebastian Kurz - Die neue Volkspartei" ins Leben gerufen.
"Dass wir eine Bewegung starten, dass wir auf bewährte Kräfte aus der Volkspartei setzen, aber gleichzeitig neue Leute an Bord holen."
Keine Bewegung, sondern eher eine Partei
Wer genauer hinschaut, merkt allerdings: Ob in den USA, Frankreich, Österreich – oder auch in Italien und Deutschland – oft handelt es sich um einen Etikettenschwindel.
"Die meisten sind eigentlich keine echten Bewegungen. Sondern bei den meisten kann man sagen, dass sie parteienähnlichen Charakter haben oder gar Parteien sind."
Uwe Jun, Parteienforscher an der Uni Trier, erklärt: Eine Bewegung wachse eigentlich von unten. Davon könne etwa bei La République en Marche nicht die Rede sein.
"Die meisten sind eigentlich keine echten Bewegungen. Sondern bei den meisten kann man sagen, dass sie parteienähnlichen Charakter haben oder gar Parteien sind."
Uwe Jun, Parteienforscher an der Uni Trier, erklärt: Eine Bewegung wachse eigentlich von unten. Davon könne etwa bei La République en Marche nicht die Rede sein.
"Das heißt, es gibt einen Vorsitzenden, es gibt Parteitage, die Programme verabschieden sollen, wo Entscheidungen getroffen werden unter starkem Einfluss von Macron. Man kann sogar sagen, dass hier von oben nach unten in seiner Bewegung, die jetzt Partei ist, agiert wird."
Im vergangenen Herbst traten 100 Mitglieder – aus Protest – aus Macrons Bewegung aus, weil dieser eine "Herrschaft der Eliten" durchgesetzt habe. Noch autoritärer gehe es bei der sogenannten Fünf-Sterne-Bewegung in Italien zu, betont Politikprofessor Jun.
"Der Parteivorsitzende Beppe Grillo lässt es sogar nicht mal zu, dass andere Mitglieder gegenteilige Auffassungen vertreten. Wenn das der Fall ist, dann werden diese zum Teil auch wieder aus dieser Partei ausgeschlossen. Und auch Beschlüsse der Parlamentsfraktion, auch die werden vorher von Herrn Grillo kontrolliert und bedürfen der Zustimmung des Parteivorsitzenden Beppe Grillo."
Die starken Männer an der Spitze
"Ich muss der politische Chef einer Bewegung sein, doch meine Rolle besteht darin, ein Garant zu sein. Ich muss eine Garantie dafür sein, dass kontrolliert wird, wer dazugehört", räumt Grillo unumwunden ein.
"Das ist der einzige Weg, sonst hätten wir Anarchie. Jeder würde machen, was er will."
"Das ist der einzige Weg, sonst hätten wir Anarchie. Jeder würde machen, was er will."
Simon Teune untersucht an der TU Berlin soziale Bewegungen. Der Soziologe unterstreicht, dass sich bei einer echten Basisbewegung die Akteure weitgehend gleichberechtigt vernetzen. Bei einer Pseudo-Bewegung stehe hingegen oft eine charismatische Führungsperson an der Spitze, die sich medial perfekt inszeniert. So wie Donald Trump, der einst Fernsehshows moderierte.
"In der Trump-Kampagne ist ja bekannt, dass er bei der Vorstellung seiner Kandidatur Leute engagiert hat, die ihm zujubeln sollten. Man kennt ja die Bilder, wie er die Rolltreppe runter gefahren kommt und dann ans Rednerpult tritt – und da war ein großer Teil des Publikums einfach gekaufte Leute, Schauspieler. Aber die Tatsache, dass man viele Menschen versammelt, die einem zujubeln, hat noch nichts mit einer Bewegung zu tun."
Pegida und die AfD
Auch in Deutschland treten politische Bewegungen auf den Plan, selbst im rechtsnationalen, fremdenfeindlichen Lager. Wissenschaftler Teune bezweifelt jedoch, dass zum Beispiel die Identitäre Bewegung tatsächlich eine Bewegung darstellt. Hierbei handele es sich um eine kleine, professionelle Neonazi-Kadergruppe. Bei Pegida wiederum sei das anders. Diese Strömung sei durchaus von unten entstanden. Nach Ansicht des Forschers steht die Protestbewegung aber inzwischen der AfD-Partei so nahe, dass dies zum Pegida-Tod führen könnte.
"Die AfD hat ja auch viele Proteste mit organisiert und hat lange so getan, als hätte sie mit Pegida nichts zu tun – aber inhaltlich gab es da nie eine Trennungslinie zwischen den beiden. Es kann gut sein, dass viele Leute, die in dieser Welle jetzt auf die Straße gegangen sind, auch sagen: Wir haben jetzt die AfD gewählt, die übernimmt ab jetzt, und ich muss jetzt gar nicht mehr auf die Straße gehen."
Aber auch im linken Lager "gibt es Bewegung". So hat der Bundesvorsitzende der Grünen, Robert Habeck, eine neue Bewegung vorgeschlagen. Genauso wie Sahra Wagenknecht, die Linken-Fraktionschefin im Bundestag. Wagenknecht will eine linke Sammlungsbewegung, die auch SPD-Mitglieder erfasst. Simon Teune erkennt hier eine historische Parallele.
"Da ist die Unterstellung, wir befinden uns in einer ähnlichen Situation wie in der Weimarer Republik. Die rechten Kräfte gewinnen an Stärke. Und wenn wir uns als Linke nicht zusammenschließen, dann passieren Sachen, die wir nicht mehr einfangen können – also dass die Demokratie demontiert wird."
Durchschaut der Wähler den Etikettenschwindel nicht?
Die Experten wissen: Auch wenn sich viele Initiativen an historischen Vorbildern orientieren, wie an der Arbeiterbewegung des 19. Jahrhunderts oder der Friedens- bzw. Frauenbewegung der 20. Jahrhunderts: Die meisten politischen Bewegungen, auch Pseudo-Bewegungen, vermeiden ganz bewusst geschichtliche Bezüge. Politikprofessor Uwe Jun begründet dies mit dem Ziel einer jeden Bewegung, alte Strukturen zu zerschlagen und Neues zu schaffen.
"Was auch ihren Appeal, ihre Anziehungskraft, erklärt, dass sie nach vorne gerichtet sind. Dass sie Veränderungen bewirken wollen. Das hat wenig Anziehungskraft, dann an etwas Vergangenes zu erinnern, was längst in die Geschichtsbücher eingegangen ist."
Politische Bewegungen, die hierarchisch organisiert sind, die keine Mitarbeit ihrer Aktivisten wünschen: Bewegungen, die eigentlich Parteien sind. Und doch haben sie Erfolg. Durchschaut der Wähler nicht den Etikettenschwindel?
"Na, die meisten Leute haben ja gar kein Interesse, sich basisdemokratisch zu organisieren."
Der Berliner Soziologe Simon Teune resümiert – ganz abgeklärt: Sieht der Bürger sein politisches Anliegen vertreten, reicht ihm dies oft aus. Egal, welche Strukturen sich hinter einer Bewegung verbergen.
"Wenn man sich die große Mehrheit der Wählerinnen und Wähler ansieht, dann ist es so, dass es für sie mit der Stimmabgabe dann auch erledigt ist."
"Was auch ihren Appeal, ihre Anziehungskraft, erklärt, dass sie nach vorne gerichtet sind. Dass sie Veränderungen bewirken wollen. Das hat wenig Anziehungskraft, dann an etwas Vergangenes zu erinnern, was längst in die Geschichtsbücher eingegangen ist."
Politische Bewegungen, die hierarchisch organisiert sind, die keine Mitarbeit ihrer Aktivisten wünschen: Bewegungen, die eigentlich Parteien sind. Und doch haben sie Erfolg. Durchschaut der Wähler nicht den Etikettenschwindel?
"Na, die meisten Leute haben ja gar kein Interesse, sich basisdemokratisch zu organisieren."
Der Berliner Soziologe Simon Teune resümiert – ganz abgeklärt: Sieht der Bürger sein politisches Anliegen vertreten, reicht ihm dies oft aus. Egal, welche Strukturen sich hinter einer Bewegung verbergen.
"Wenn man sich die große Mehrheit der Wählerinnen und Wähler ansieht, dann ist es so, dass es für sie mit der Stimmabgabe dann auch erledigt ist."