Die Rückkehr der Buttons
Eigentlich sind sie ja so was von Seventies: politische Buttons, auf denen man die eigene Überzeugung der Welt gegenüber kundtut. Doch die Anstecker erleben offenbar gerade eine Renaissance. Was dahintersteckt, erklärt Stickerexperte Andreas Ullrich – und verrät uns seinen Lieblingsbutton.
Der politische Button ist zurück: Im US-Wahlkampf zeigten viele Menschen per Anstecker, ob sie für oder gegen Trump waren, und auch die SPD setzt im Wahlkampf auf den guten, alten Button: Seit kurzem vertreibt sie "Zeit für Martin": fünf Stück für 2,10 Euro. Damit gehe die Partei auf Strategien zurück, mit denen bereits Willy Brandt gearbeitet habe, sagt Andreas Ullrich von "Stickma", eine Dresdner Agentur für Botschaften auf Aufklebern, Aufnähern oder eben Buttons. So habe es 1972 ein paar Millionen Anstecker mit "Willy wählen" gegeben.
Buttons mit Hashtag?
Insofern seien diese Buttons ein "alter Hut" und gehörten seit den 1960er-Jahren zur Grundausstattung der bürgerlichen Demokratie. Andererseits seien sie durchaus zeitgenössisch, betonte Ullrich im Deutschlandradio Kultur: "Man kann auf so einen Button auch einen Hashtag aufdrucken, dann sind Sie gleich wieder bei Twitter oder bei den neuen Medien."
Je kürzer der Slogan, desto besser
Was diese Buttons politisch bewirkten, sei schwer einzuschätzen, so der "Stickma"-Gründer. Grundsätzlich gilt für ihn: je kürzer der Slogan, desto besser. "Die Friedenstaube zum Beispiel ist ein ganz einfaches, ganz plattes Ding, und trotzdem, jedes Mal wieder, wenn ich die sehe, habe ich ein Gefühl von, ah, das ist irgendwie ein aufrechter Mensch und das ist ein so ideales Anliegen. Den möchte ich fast umarmen, weil das so naiv erscheint. Ja, das ist so ein ganz kurzes ehrliches Statement, was ich immer sehr gelungen finde."
Das Interview im Wortlaut:
Ute Welty: "Atomkraft? Nein danke!", "Wir schaffen das", und jetzt eben "Zeit für Martin" – politische Botschaften zum An-die-Brust-Heften in Form von Buttons sind schon lange beliebt. Bereits 1789 wurden Buttons, allerdings damals noch ohne Nadel, eingesetzt, um den Wahlkampf von George Washington zu unterstützen. Und die SPD setzt jetzt eben auch auf Buttons – fünf Stück gibt es für 2,10 Euro –, und zum Slogan Rot auf Weiß gibt es dann noch das Konterfei der sogenannten Ikone aus der Eurozone. Aber ist so ein kleines, rundes Ding tatsächlich wahlkampfentscheidend? Das ist eine der Fragen, mit denen sich Andreas Ullrich beschäftigt. Er und seine Firma Stickma sind die Spezialisten für große Botschaften im kleinen Format, egal ob als Aufkleber, Aufnäher oder eben als Button. Guten Morgen, Herr Ullrich!
Andreas Ullrich: Ja, schönen guten Morgen!
Welty: Hätten Sie der SPD zu einem Martin-Schulz-Button geraten? Wobei es ja ein historisches Vorbild von 1972 gibt. Damals hieß es dann eben "Willy wählen" und war nicht Rot auf Weiß, sondern Weiß auf Rot.
Ullrich: Grundsätzlich kann man immer dazu tendieren, Botschaften an die Brust zu heften. Die Leute können sich dadurch sehr gut mit der Botschaft identifizieren, und man kann auch gleich darüber sprechen mit demjenigen, der ihn trägt. Also der Rückgriff auf die alte Form ist doch ein ganz günstiger, wenn es darum geht, einen kleinen Diskurs in der Öffentlichkeit zu führen. Deshalb, wir als Stickerspezialisten, machen das ja auch mit kleinen Zettelchen überall – an sich ist das ein guter Anfang.
Mehr als nur Alltagspropaganda
Welty: Aber so einen Sticker kann man ja irgendwo hinkleben, einen Button muss man ja schon selber tragen.
Ullrich: Genau, das macht die Sache natürlich ein bisschen brenzliger, aber natürlich auch ein bisschen offener. Das heißt, wenn es wirklich ein Politikverständnis gibt, welches diskursiv ist, dann bedeutet das, dass ich zu meiner Botschaft stehe und die auch vertrete. Das ist aber schon länger so. Also eine Friedenstaube am Revers oder "Atomkraft? Nein danke" – Sie haben vorhin davon gesprochen – sind dann einfach ganz persönliche Messages. Wenn die auf einem Sticker oder einem Plakat sind, na ja, dann sieht man das, dann ist das so eine Alltagspropaganda, aber zum Button ist eben das Gesicht dazu, das ist schon noch ein bisschen mehr, da haben Sie recht.
Welty: Was bringen politische Buttons überhaupt, wo sind sie beliebt? Wenn man sie musikalisch einordnet, dann gehören sie ja eher so in die Punkszene.
Ullrich: Ah, das würde ich nicht so sehen. Also Propaganda hat an sich ja noch nicht einen Inhalt. Das geht von rechts nach links über Mitte – immer, wenn es was politisch zu sagen gibt, ist das natürlich interessant, solche Formen zu verwenden. Das gibt es genauso im rechten Spektrum. Christian Worch zum Beispiel ist auch ein Spezialist für Street-Art aus der rechten Ecke, da ließen sich genau dieselben Beispiele bringen. Na ja, nur haben wir natürlich Sachen gern, die wir selbst affirmieren, deshalb kommen wir vielleicht auf diese netten Beispiele hier ja auch zu sprechen.
"Ein Button-Maschinchen kriegen Sie für 50 Euro"
Welty: Aber wenn Sie sagen, es hat was von den Rändern, bedeutet das auch immer so ein bisschen was Rebellisches, Sichauflehnenwollen?
Ullrich: Es bedeutet zumindest erst mal zu partizipieren, also selbst für die Sache mit einzustehen. Das hat was sehr Direktes, macht einen auch selbst betroffen, und man hat auch das Gefühl, selbst mit Teil der ganzen Sache zu sein. Das ist natürlich nun eine relativ einfache Sache, sich das anzuheften, aber man geht da einen Schritt weiter, man merkt, mmh, das ist eigentlich ganz einfach zu machen und ich kann das doch auch selbst herstellen. Und der Schritt von der gekauften Botschaften für 2,10 Euro zu der eigenen ist gar nicht so weit. So ein kleines Button-Maschinchen, das kriegen Sie für 50 Euro, und wenn man dann was Lokales auch zu sagen, kann man damit beginnen. Es ist aber ein alter Hut, das wirklich seit den 60er-Jahren so ein bisschen die Grundausstattung einer bürgerlichen Demokratie, und ich finde auch sehr schön, dass es wirklich plural verwendet wird. Es gibt es wirklich in jeder Hinsicht.
Welty: Was bedeutet das denn für das Image, dass man jetzt diesen Weg wieder geht, für das Image der SPD?
Ullrich: Das ist eine sehr schöne Frage. Es ist ja einerseits zeitgenössisch, man kann auf so einen Button auch einen Hashtag aufdrucken, dann sind Sie gleich wieder bei Twitter oder bei den neuen Medien. Was bedeutet das für die Propaganda? Wir gehen also auf Strategien zurück, mit denen Willy Brandt dort schon gearbeitet hat, wo es schon ein paar Millionen Sticker mit "Willy wählen" gab. Ich kann dazu noch gar nicht so viel sagen, außer, dass es wahrscheinlich dazu führt, dass die Leute sich wieder ein bisschen mehr mit politischen Botschaften beschäftigen und die sich wirklich an die Brust heften. Das finde ich wörtlich genommen eigentlich ganz schön, weil es führt weg von dieser Unterhaltungsgesellschaft, und ich muss mir dann einfach selbst überlegen, okay, kann ich das tragen, kann ich das ertragen oder nicht. Das beginnt bei jedem selbst, da ist ein Button doch schon mal ein schöner Einstieg.
"Gambia has decided"
Welty: Wo Sie eben die Hashtags angesprochen haben, welche Trends können Sie ausmachen in der Button-Szene?
Ullrich: Mich interessiert vor allem Kunst im öffentlichen Raum, natürlich auch politische Propaganda, aber da ich nicht in jeder Subkultur unterwegs bin …
Welty: Nicht?
Ullrich: … und das ist heutzutage … Nein, das ist wirklich zu fragmentiert, da muss ich ganz ehrlich sein. Mein Blick ist natürlich gefiltert, und dazu jetzt eine Aussage zu machen, wäre ein bisschen viel verlangt. Ich bin natürlich mit allen möglichen künstlerischen Sachen gut vertraut, dort können wir viel sprechen, aber was jetzt zum Beispiel die aktuelle Button-Kampagne der Grünen wäre – obwohl mir das relativ nahesteht –, kann ich Ihnen gar nicht sagen.
Welty: Aber gibt es Strömungen aus anderen Ländern beispielsweise, wo Sie sagen, das ist eine schicke Idee, das ist ein interessanter Gedanke, der diese Entwicklung vielleicht auch noch mal wieder ein Stück voranträgt?
Ullrich: Ja, also mir fällt jetzt ganz aktuell ein natürlich das Beispiel aus Gambia. Ich hab da selber persönlich ein bisschen Beziehungen, und die Kampagne, als Jammeh die Wahl verlor, mit "Gambia has decided" war sehr interessant. Also alles, was auf dem Button beziehungsweise auf den T-Shirts stand, war, Gambia hat sich eben entschieden, und die Ersten, die die getragen haben, sind verhaftet worden, einfach für diesen Slogan. Es war ja eine demokratische Wahl, bis sich das Ganze durchgesetzt hat. Also mit ganz einfachen, ja fast Binsenweisheiten sozusagen, die aber auf eine bestimmte Wahrheit verweisen, kann man sehr weit kommen. Solange das sehr niederschwellig ist und dann auf einmal Zehn- oder Hunderttausende mit diesem Button oder mit diesem Shirt zu sehen sind, ja, dann merkt man, uh, das Ganze wird eine Massenbewegung. Ja, und dazu kann so ein ganz kleines Medium auch beitragen.
Lieblingsbutton: die Friedenstaube
Welty: Haben Sie einen politischen Lieblings-Button, den Sie für hundert Prozent gelungen halten?
Ullrich: Ach, das ist eine gute Frage. Müsste ich, glaube ich, lange drüber nachdenken, weil je kürzer das Ganze ist, desto besser.
Welty: Desto schwieriger, ja.
Ullrich: Ja, ja, weil die Perfektion ist dann erreicht, wenn man nichts mehr weglassen kann.
Welty: Verzeihen Sie den langen Brief, die Zeit für einen kurzen hat nicht gereicht.
Ullrich: Ganz genau. Die Friedenstaube zum Beispiel ist ein ganz einfaches, ganz plattes Ding, und trotzdem, jedes Mal wieder, wenn ich die sehe, habe ich ein Gefühl von, ah, das ist irgendwie ein aufrechter Mensch und das ist ein so ideales Anliegen, den möchte ich fast umarmen, weil das so naiv erscheint. Ja, das ist so ein ganz kurzes ehrliches Statement, was ich immer sehr gelungen finde.
Welty: Wir lernen: Politische Botschaften müssen nicht Manifestausmaß haben, das weiß auch Andreas Ullrich von Stickma, der genau beobachtet, welcher Button und welcher Aufkleber wie erfolgreich ist, und das genau ist sein Geschäft. Haben Sie herzlichen Dank für Ihre Einschätzung!
Ullrich: Ja, danke schön für das Gespräch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.