Politische Krise zwischen Russland und dem Westen

"Der Kalte Krieg ist da"

Russlands Präsident Wladimir Putin
Russlands Präsident Wladimir Putin © imago stock&people
Andrej Gurkov im Gespräch mit Hans-Joachim Wiese und Liane von Billerbeck |
Nach dem Anschlag auf den früheren russischen Doppelagenten Skripal und seine Tochter haben 24 westliche Länder beschlossen, russische Diplomaten auszuweisen. Russland droht bereits mit Gegenmaßnahmen. Der Journalist Andrej Gurkov spricht sogar von einem "Kalten Krieg".
Beweise, dass Russland die Schuld am Tod der Skripals trägt, gibt es bisher keine – vielleicht wird es auch nie welche geben. Trotzdem haben zahlreiche westliche Länder beschlossen, russische Diplomaten auszuweisen. Der russische Außenminister Sergej Lawrow hat bereits Gegenmaßnahmen angekündigt.
Für den deutsch-russischen Journalisten Andrej Gurkov ist klar, in einem neuen kalten Krieg stecken wir nicht erst seit diesem Ereignis. Schon seit 2014 sei das Misstrauen zwischen dem Westen und Russland gewachsen, sagte er im Deutschlandfunk Kultur. Die Ausweisung der russischen Diplomaten sei insofern keine juristische Maßnahme, sondern eine politische Reaktion.
"Der Westen wurde seit 2014 immer wieder mit russischen Lügen konfrontiert. Lassen Sie es uns schnell einmal in Erinnerung rufen: Auf der Krim gab es keine russischen Soldaten – danach wurden sie sogar ausgezeichnet für die Krim-Annexion. Russland hat die malaysische Boeing nicht abgeschossen. In der Ukraine gab es keine regulären russischen Streitkräfte. Es gab keine Einmischung in den US-Wahlkampf. Es gab kein Doping bei der Sotschi-Olympiade. Es gab auch keine Hacker-Angriffe auf den Deutschen Bundestag. Nichts von dem ist bewiesen, außer der russischen Präsenz bei der Krim-Annexion, der Militärtruppen – aber man hat politische Schlussfolgerungen gemacht. Gut, Doping ist bewiesen, obwohl die russische Seite auch da sagt, da ist nichts bewiesen."

Kalter Krieg seit 2014

Wie gewohnt, behaupte Russland unschuldig zu sein, sagt Gurkov. Nun sei dem Westen aber offenbar "die Geduld gerissen". Die Ausweisung russischer Diplomaten sei deshalb eine Reaktion auf eine Krise, die viel weiter zurückreiche.
"Der Kalte Krieg ist da. Seit 2014, seit der Annexion der Krim und dem Versuch einer gewaltsamen Aufteilung der Ukraine, ist er in vollem Gange. Deshalb diese massenhafte Ausweisung, das ist auch eine Kriegshandlung innerhalb dieses neuen Kalten oder hybriden Krieges."
Genährt durch die staatlichen Medien, sei schon seit 2012 - dem Jahr des Beginns der dritten Amtszeit Putins - in der russischen Gesellschaft das Misstrauen gegenüber dem Westen und Europa gewachsen.
"Man hat das Gefühl: Wir sind von Feinden umgeben. Wir sind hier in einer Festung und natürlich müssen wir uns um den Kommandanten der Festung scharen."
Nur eine verschwindend kleine Minderheit in der russischen Gesellschaft hinterfrage diese Haltung, erklärt Gurkov:
"Das sind Leute, die sehen, dass das ein außenpolitisches Desaster ist, dass das ein Weg in die Isolation beziehungsweise Selbstisolation ist. Dass man für das Geschirr, dass jetzt kaputt gemacht wird, sehr lange brauchen wird, um es wieder in Ordnung zu bringen. Diese Stimmen gibt es auch. Aber sie werden wenig gehört."
(mw)
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