Smockey und die friedliche Revolution
Bei friedlichen Revolutionen in Afrika zeigten sich in den vergangenen Jahren starke zivilgesellschaftliche Bewegungen, die für eine Veränderung kämpften - wie zuletzt in Burkina Faso. Häufig sind es Künstler wie der Rapper Smokey, die die Proteste vorantreiben.
Fast hätten Smockey und SAMS 'K Le JAH nicht kommen können. Fast wäre die Revolution in Burkina Faso doch noch gescheitert, nach einem Jahr des friedlichen Übergangs. Mitte September, kurz vor den ersten freien Wahlen seit 27 Jahren, gab es in Burkina Faso einen Putsch der alten Präsidialgarde. Die schwer bewaffneten Getreuen des Ex-Präsidenten setzten die Übergangsregierung fest, rund 30 Menschen starben auf den Straßen. Das Haus von Smockeys Frau und das von seiner Mutter wurden verwüstet, auch sein Musikstudio wurde geplündert, er versteckte sich bei Freunden.
Das große Vorbild: Thomas Sankara
Doch die von ihm und vom Reggae-Musiker gegründete Zivilbewegung "Bürgerbesen" rief über Facebook zum Widerstand auf – und die jungen Leute von Burkina Faso gingen wieder auf die Straße. Mit Erfolg: Die Präsidialgarde wurde aufgelöst und entwaffnet, die Wahlen für Ende November neu angesetzt.
Und jetzt sind sie doch da, in der Alten Feuerwache in Köln. Smockey eröffnet das Konzert ganz locker, mit Mütze auf dem Kopf, Jeans und einem T-Shirt mit dem Konterfei von Thomas Sankara – der in Burkina Faso fast mythisch verehrte Freiheitsheld, der vor 28 Jahren ermordet wurde, mutmaßlich von der gleichen Präsidialgarde.
"Niemand unterwirft sich" Gibt es hier Sklaven im Saal? Gibt es Kämpfer in diesem Saal? Oui! Also singt mit mir das hier: Niemand unterwirft sich niemandem! Niemand unterwirft sich niemandem!"
Smockey sitzt vor dem Konzert backstage:
"Im Unterschied zu Sankara sind wir nicht mehr alleine. Wir sind gut vernetzt. Wir sind den Medien sehr nah, sie sind Mitglieder bei uns. Wir haben Rechtsanwälte und einflussreiche Geschäftsleute an unserer Seite. Wichtig ist: wir sind keine Partei, sondern eine Bewegung, um die Zivilgesellschaft zu mobilisieren. Momentan kommt es vor allem drauf an, die Wahlen gut über die Bühne zu bringen: wir bitten die Leute, ihre Verantwortung als Bürger wahrzunehmen und sicherzugehen, dass alles korrekt abläuft. Der "Bürgerbesen" setzt rund 600 Wahlbeobachter ein – Vertrauen ersetzt Kontrolle nicht."
Ihre Hoffnung: Musik als eine Waffe
Neben Smockey sitzt SAMS 'K Le JAH. Er hat Rastalocken und trägt das T-Shirt des "Bürgerbesen", weiße Schrift auf schwarzem Grund. Es wurde schon tausendfach verkauft. Auch in Deutschland kann man nun Mitglied des Bürgerbesens werden, die Bewegung will sich in ganz Afrika und Europa vernetzen, um ein politisches Bewusstsein zu schaffen, demokratische Strukturen zu schaffen, das System der Bereicherung zu beenden. SAMS 'K Le JAH:
"Rap und Reggae sind wie Volks-Universitäten. Mit der Musik bringen wir der Jugend bei, die richtigen Fragen zu stellen. Ihr müsst verstehen, dass man sich im Leben entscheiden kann. Entweder suhlt ihr euch im Elend. Oder ihr bekämpft das Elend – und wenn ihr verliert, macht das nichts, andere werden euren Kampf fortsetzen. Music is a weapon."
Und was tun sie gegen die Angst? In Afrika wurde schon mancher politische Aktivist ermordet, der sich für Demokratie und gegen Korruption und Misswirtschaft eingesetzt hat. SAMS 'K Le JAH:
"Ja, wir sind bedroht, das ist normal, wir sind gegen ein böses System aufgestanden. Was wir machen, um uns zu schützen? Wir singen. Wir machen viel Lärm. Wir leben. Wir trinken Bier. Wir haben uns das nicht ausgesucht, diesen Kampf zu führen – wir mussten es tun. Die Leute müssen verstehen: Selbst wenn morgen SAMS 'K Le JAH und Smockey nicht mehr da sind, müssen sie den Kampf weiterführen."
Trotz aller Coolness: verantwortungsvoll und staatsmännisch
Es ist faszinierend, wie verantwortungsvoll und staatsmännisch SAMS 'K Le JAH und Smockey trotz aller Coolness auftreten. Letztlich geht es ihnen nicht nur um Burkina Faso, sondern um eine grundsätzliche Neudefinition des afrikanischen Selbstverständnisses. Smockey:
"Wenn man dir dein ganzes Leben lang einredet, du bist ein Esel, dann wirst du auch einer. Dann wachsen dir Eselsohren. Dieser Fatalismus – darunter hat der ganze afrikanische Kontinent jahrzehntelang gelitten. Man hat nicht aufgehört, uns zu infantilisieren. Doch der Stolz, der uns vererbt wurde von unseren Vorkämpfern, diese wiedergefundene Würde, ist fundamental. Um sich zu entwickeln, muss man sich zunächst mal fähig dazu fühlen. Das heißt: An die Möglichkeit glauben, dass man es schaffen kann. Die Naivität ist ein fantastischer Entwicklungsmotor."
Der Anfang ist gemacht. Durch Musik angeheizte, zivile Bürgerbewegungen gibt es inzwischen auch im Senegal oder in Kamerun. Vielleicht haben sie wirklich die Kraft, den Kontinent grundlegend zu verändern.