Politik jenseits von "rechts" und "links"
Die Linken schicken ihre Kinder auf Privatschulen. Globalisierungskritiker können nicht mehr ohne I-Phone. Und die Radikalen treffen sich im Asia Imbiss. Was ist aus den politischen Lagern geworden? Der Philosoph Arnd Pollmann über eine Gesellschaft, in der es vor Widersprüchen nur so wimmelt.
Endlich scheint es in der Politik wieder "echte" Alternativen zu geben. Ob wir auf den Brexit oder die Wahlen in den USA und Österreich schauen, ob es um Finsterlinge wie Geert Wilders, Marine Le Pen, Frauke Petry oder aber um Martin Schulz geht, die neue Lichtgestalt am siebten Himmel der Sozialdemokratie: Mit dem Antagonismus von nationalistischer Abschottung und liberaldemokratischer Weltoffenheit scheint der traditionelle Widerstreit zwischen "rechts" und "links" in die Postdemokratie zurückgekehrt zu sein. Und doch ist dieser Eindruck irreführend.
Das Problem lässt sich symptomatisch anhand der Flüchtlingsdebatte illustrieren. Auch hier stehen sich bei oberflächlicher Betrachtung zwei unversöhnliche Lager gegenüber. Das eine fürchtet sich vor dem Verschwimmen identitätsstiftender Konturen des "Eigenen" und spottet: "Wenn ich einen Ausländer sehen will, fahre ich in den Urlaub". Hier versammeln sich Wutbürger, Globalisierungsverlierer, verunsicherte Mittelschichtler der sogenannten "Abstiegsgesellschaft". Deren zentrales Credo lautet: Das Eigene, das Traditionelle und Lokale muss gegen die Zumutungen des Globalen und Fremden verteidigt und abgeschottet werden.
Gegenüber stehen jene, die eine vollständige Öffnung der Grenzen samt enthusiastischer Willkommenskultur herbeisehnen. Das sind die sogenannten Kosmopoliten. Sie eint ein buchstäblich grenzenloser Optimismus in Fragen der multikulturellen Integration; eine Vielfaltseuphorie, die sich gegen die Engstirnigkeit und Provinzialität der anderen in Stellung bringt und vielerorts mit der bizarren Furcht einhergeht, dass man am Ende allein unter dumpfen "Biodeutschen" zurückbleiben könnte.
Das Problem lässt sich symptomatisch anhand der Flüchtlingsdebatte illustrieren. Auch hier stehen sich bei oberflächlicher Betrachtung zwei unversöhnliche Lager gegenüber. Das eine fürchtet sich vor dem Verschwimmen identitätsstiftender Konturen des "Eigenen" und spottet: "Wenn ich einen Ausländer sehen will, fahre ich in den Urlaub". Hier versammeln sich Wutbürger, Globalisierungsverlierer, verunsicherte Mittelschichtler der sogenannten "Abstiegsgesellschaft". Deren zentrales Credo lautet: Das Eigene, das Traditionelle und Lokale muss gegen die Zumutungen des Globalen und Fremden verteidigt und abgeschottet werden.
Gegenüber stehen jene, die eine vollständige Öffnung der Grenzen samt enthusiastischer Willkommenskultur herbeisehnen. Das sind die sogenannten Kosmopoliten. Sie eint ein buchstäblich grenzenloser Optimismus in Fragen der multikulturellen Integration; eine Vielfaltseuphorie, die sich gegen die Engstirnigkeit und Provinzialität der anderen in Stellung bringt und vielerorts mit der bizarren Furcht einhergeht, dass man am Ende allein unter dumpfen "Biodeutschen" zurückbleiben könnte.
Kosmopolitisch reden, provinziell leben
Immer häufiger also kollidieren zwei ideologische Weltanschauungen: ein weltoffener, globalistischer Universalismus und ein protektionistischer, globalisierungskritischer Partikularismus. Es wäre aber falsch, das Problem auf die Frage der sozialen Gerechtigkeit zu reduzieren; so wie das derzeit etwa der SPD-Kanzlerkandidat versucht. Denn diese Weltbilder lassen sich gerade nicht auf den alten Rechts-Links-Gegensatz bringen, sie finden sich nämlich auf beiden Seiten: Viele Linke befürworten emphatisch die Willkommenskultur, schicken ihre Kinder aber in Schulen mit möglichst geringem Migrationsanteil. Das ist mit dem in diesen Kreisen so beliebten Motto "Global denken, lokal handeln" sicher nicht gemeint! Auf der rechten Seite treffen wir auf protektionistische Globalisierungskritiker, die sehnsuchtsvoll auf den Verkaufsstart des neuen I-Phones warten. Und die rechtsradikale Blase trifft sich beim Asia-Imbiss, um zu beraten, wie aus dem eigenen sächsischen Dorf eine national befreite Zone wird.
Es geht dabei stets um den "gefühlten" Widerspruch von "uns" und den "anderen", dem Lokalen und der großen weiten Welt, zwischen Heimat und Fremde, den "guten Sitten" hier vor Ort und dem Universalismus der Menschenrechte. Und die entscheidende Frage lautet: Sind das nicht immer auch innere Widersprüche? Ist das nicht ein Riss, der sich derzeit in vielen Menschen auftut? Zumal sich heute zeigt: Das Globale ist lokal – und umgekehrt.
Diese Widersprüche sorgen tagtäglich für politischen Sprengstoff. Was fehlt, das ist so etwas wie ein lokalpatriotischer Globalismus oder umgekehrt: eine kosmopolitische Heimatverbundenheit. Das klingt schon begrifflich widersprüchlich. Aber wenn das katastrophale Auseinanderdriften der Gesellschaft gestoppt werden soll, wird politische Fantasie vonnöten sein; eine Fantasie, die zwischen dem berechtigten Anliegen lokaler Selbstbestimmung und dem ebenso berechtigten Ansinnen kosmopolitischer Weltoffenheit zu vermitteln weiß.
Arnd Pollmann, geboren 1970, ist Philosoph und Mitherausgeber des philosophischen Online-Magazins www.slippery-slopes.de. Er schreibt Bücher über Integrität und Unmoral, Menschenrechte und Menschenwürde. Im kommenden Sommersemester vertritt er eine Professur für Sozialphilosophie an der Humboldt-Universität zu Berlin.
Es geht dabei stets um den "gefühlten" Widerspruch von "uns" und den "anderen", dem Lokalen und der großen weiten Welt, zwischen Heimat und Fremde, den "guten Sitten" hier vor Ort und dem Universalismus der Menschenrechte. Und die entscheidende Frage lautet: Sind das nicht immer auch innere Widersprüche? Ist das nicht ein Riss, der sich derzeit in vielen Menschen auftut? Zumal sich heute zeigt: Das Globale ist lokal – und umgekehrt.
Diese Widersprüche sorgen tagtäglich für politischen Sprengstoff. Was fehlt, das ist so etwas wie ein lokalpatriotischer Globalismus oder umgekehrt: eine kosmopolitische Heimatverbundenheit. Das klingt schon begrifflich widersprüchlich. Aber wenn das katastrophale Auseinanderdriften der Gesellschaft gestoppt werden soll, wird politische Fantasie vonnöten sein; eine Fantasie, die zwischen dem berechtigten Anliegen lokaler Selbstbestimmung und dem ebenso berechtigten Ansinnen kosmopolitischer Weltoffenheit zu vermitteln weiß.
Arnd Pollmann, geboren 1970, ist Philosoph und Mitherausgeber des philosophischen Online-Magazins www.slippery-slopes.de. Er schreibt Bücher über Integrität und Unmoral, Menschenrechte und Menschenwürde. Im kommenden Sommersemester vertritt er eine Professur für Sozialphilosophie an der Humboldt-Universität zu Berlin.