Politische Utopien

Großes denken und im Kleinen ausprobieren

Enno Schmidt und Daniel Häni, Gründer der Volksinitiative "Bedingungslosen Grundeinkommens" mit dem Tesla Werbemobil, und Deutsche Aktivistinnen- und Aktivisten zur Einführung der direkten Demokratie in Deutschland mit ihrem Omnibus, beim Fototermin vor dem Bundeshaus auf dem Bundesplatz in Bern, am 12.05.2016.
Utopien haben Konjunktur: Einer Schweizer Volkinitiative zum Beispiel ging es um das bedingungslose Grundeinkommen. © picture alliance / dpa / Lukas Lehmann
Marc Engelhardt im Gespräch mit Oliver Thoma |
"Völlig utopisch" heißt ein Buch, in dem Journalisten über Projekte berichten, die Utopien zur Wirklichkeit machen wollten. Grenzen überschreiten, etwas Neues denken: Das gebe es an allen möglichen Ecken der Welt, sagt Herausgeber Marc Engelhardt.
Die Beiträge zu dem 2014 erschienenen Buch Völlig utopisch. 17 Beispiele einer besseren Welt haben 16 "Weltreporter" geschrieben. Das ist ein Netzwerk freier Korrespondenten, die aus mehr als 160 Ländern für deutsche Medien berichten. Marc Engelhardt ist Herausgeber des Buches und hat auch zwei Texte beigesteuert.
War dieses Buch von Thomas Morus' "Utopia" inspiriert?
"Tatsächlich war es eher anders herum. Wir haben uns Gedanken darüber gemacht, wie das eigentlich so ist in einer Welt und zu einer Zeit, wo ja alles sehr geordnet und organisiert abläuft, ob Leute eigentlich sich noch trauen, auszubrechen und eben Utopien zur Wirklichkeit zu machen. Wir haben dann schon fast überrascht festgestellt, dass es an allen möglichen Ecken der Welt genau solche Versuche gibt. Dann sind wir erst so ein bisschen eingestiegen und haben uns gefragt: Wo kommt das eigentlich her mit der Utopie?"
"17 Beispiele einer besseren Welt" heißt das Buch im Untertitel – beginnt die bessere Welt also eher im Kleinen?
Marc Engelhardt: "Ja, das ist tatsächlich so. Wobei mich dann schon manchmal überrascht hat, dass wirklich große Themen realisiert werden, tatsächlich erst im Kleinen, die aber auch ganz große Auswirkungen haben können."
Über ein konkretes Beispiel hat Marc Engelhardt selber berichtet – das bedingungslose Grundeinkommen für die Bewohner eines "ziemlich heruntergewirtschafteten" Dorfes in Namibia.
"Da hat man ein Projekt begonnen, an das niemand geglaubt hat am Anfang, inklusive der Dorfbewohner. (…) Geld, ohne dass sie dafür irgend etwas tun mussten. Das haben sie erst an dem Tag geglaubt, als sie das Geld bekommen haben. Dahinter standen die Kirchen in Namibia, die das ausprobieren wollten in einem sehr 'unwahrscheinlichen' Dorf und schauen wollten: Kann man daraus ein Modell machen für das ganze Land? Da ist etwas Großes gedacht worden, man hat es im Kleinen ausprobiert."
Welche Reaktionen gab es von Lesern des Buches auf die 17 Utopien?
Marc Engelhardt: "Wir haben ein bisschen erwartet, dass Leute uns sagen: 'Ist ja alles gut und schön, aber ehrlich gesagt, das sind Träumereien.' Und so war es dann nicht. Das hat uns alle ein bisschen überrascht. Es gibt ganz viele Rückmeldungen, dass Leute sagen: 'Mensch toll, was die Leute sich da trauen. Vielleicht sollte ich mich in meinem Leben auch mal mehr trauen.' Und das heißt dann nicht, dass man seinen Job schmeißt und irgendein utopisches Projekt aufbaut, aber es heißt dann vielleicht doch, dass man im Kleinen sich einfach mal traut, Grenzen zu überschreiten, etwas Neues auszuprobieren − vielleicht auch nur, etwas Neues zu denken! Auch das ist ja etwas, was Thomas Morus wollte, dass man darüber nachdenkt, wie könnte die Welt anders aussehen?"
Was ist aus den Utopien und Visionen von Thomas Morus geworden? Der Schwerpunkt "Zukunft denken. 500 Jahre 'Utopia'" in Deutschlandradio Kultur sucht nach Antworten vom 18. bis 27. Dezember. Die Übersicht der Themen und alle bereits gesendeten Beiträge gibt es hier zu lesen und zu hören: Utopien in Politik, Gesellschaft und Kunst – Welche anderen Welten sind möglich?
Ausschnitt aus "Paradies", dem Mittelportal des Triptychons "Der Garten der Lüste" von Hieronymus Bosch (um 1450−1516)
"Paradies" von Hieronymus Bosch© Bild: Imago
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