Wie attraktiv ist Politik für Jüngere? Wo bleibt die Generation, deren Stammtisch nicht die Eckkneipe ist, sondern der Chat auf Facebook, WhatsApp und Co? Wie engagiert sie sich politisch: in Parteien oder lieber in Nichtregierungsorganisationen? Und wie kann man Alt und Jung zusammenbringen, den Polit-Stammtisch und Internet-Kampagnen?
Darüber diskutiert Klaus Pokatzky heute von 9 Uhr 05 bis 11 Uhr mit Diana Kinnert und Linda Neddermann. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 0800 2254 2254, per E-Mail unter gespraech@deutschlandfunkkultur.de – sowie auf Facebook und Twitter.
Informationen im Internet:
Über Linda NeddermannÜber Diana Kinnert
Literaturhinweis: Diana Kinnert: "Für die Zukunft seh' ich schwarz. Plädoyer für einen modernen Konservatismus", Rowohlt Taschenbuch Verlag, 2017
Politik ja, aber Parteien…?
Mit Stammtischen können Parteien keine Jugendlichen für sich gewinnen. Da sind sich die 26-jährige Diana Kinnert von der CDU und die Campact-Campaignerin Linda Neddermann einig. Aber wie dann? Sind Parteien überhaupt noch für politisch engagierte Jugendliche zeitgemäß?
In vier Wochen ist Bundestagswahl. Der Wahlkampf dümpelt eher so dahin, dennoch kommt es auf jede Stimme an – auch auf die der jüngeren Wähler. Zwar sind mehr als ein Drittel der 61,5 Millionen Wahlberechtigten über 60 Jahre und nur 15 Prozent unter 30. Die Jungen werden dennoch immer intensiver umworben. Denn die Parteien vergreisen: Das Durchschnittsalter der Parteimitglieder liegt bei Ende 50.
Wie aber wirbt man um die jungen Wähler? "Es wäre auch nicht gut, wenn der Wahlkampf ganz aus dem Straßenbild verschwinden würde. Dennoch sollten wir auch die Social Media bedienen", sagt Linda Neddermann. Die 29-Jährige saß von 2011 bis 2015 als zweitjüngste Abgeordnete für "Bündnis 90/Die Grünen" in der Bremischen Bürgerschaft.
Super gut, "nicht in Parteistrukturen" zu stecken
Heute arbeitet sie als Campaignerin bei Campact. Die Bürgerbewegung organisiert politische Aktionen und Proteste im Internet und auf der Straße und hat nach eigenen Angaben 1,9 Millionen Unterstützer. "Bei Campact ist super gut, dass wir nicht in Parteistrukturen stecken. Als Politikerin habe ich gelernt, dass man immer in gewissen Zwängen steckt, im Koalitionszwang oder im Fraktionszwang. Das ist auch alles in Ordnung. Aber momentan habe ich das Gefühl, in einer NGO mehr bewegen zu können."
Politiker müssten mehr dorthin gehen, wo junge Leute sind: in Schulen, Vereine. Oft fehlten den Parteien aber das Knowhow und die Ressourcen, Facebook und Co entsprechend zu bedienen. "Ich habe es versucht, mit Besuchen in Schulen und Gesprächen aufzuzeigen, dass Politik nicht ´die von oben` ist: Ihr könnt selbst aktiv werden, schreibt Eingaben, Mitteilungen, macht ein Snapchat mit politischen Botschaften. Macht was bei Campact. Dort könnt ihr Petitionen starten, geht zu anderen NGOs wie Greenpeace, dem BUND."
Parteien bleiben "Politikmacher Nummer eins"
"Partei ist der Politikmacher Nummer eins, davon war und bin ich überzeugt", sagt Diana Kinnert. "Wir können jahrelang Unterschriften sammeln für eine nachhaltige Umweltpolitik, wir können Hunderte Demonstrationen anmelden für eine menschenwürdige Flüchtlingspolitik – am Ende des Tages sind wir nur allzu oft davon abhängig, dass die Abgeordneten der Parteien auf unsere Zurufe reagieren."
Die 26-Jährige ist seit fast zehn Jahren CDU-Mitglied und gilt als eines der jungen Aushängeschilder der Partei. Mit mit ihrer schräg gesetzten Baseballkappe, ihrem Plädoyer für die Ehe für alle und die Legalisierung von Cannabis scheint sie zunächst nicht in das Parteiklischee zu passen. Und doch sieht sie ihren Platz klar in einer konservativen Partei.
Weg vom Stammtisch, mehr Digitales
Kürzlich veröffentlichte Diana Kinnert ihr erstes Buch: "Für die Zukunft seh' ich schwarz. Plädoyer für einen modernen Konservatismus". Die Studentin der Politikwissenschaft und Philosophie hat die CDU bereits ziemlich aufgemischt: Sie ist Mitglied der Reformkommission "Meine CDU 2017", war Leiterin des Büros des 2016 verstorbenen Peter Hintze und hat verschiedene Ämter bei den Christlich-Sozialen in der CDU inne. Und sie engagiert sich für die Digitalisierung der Partei.
Das Stammtisch-Gesitze ziehe keinen jungen Menschen an, so blieben Parteien "Closed Shops". "Wir brauchen mehr Technologie, Apps, WhatsApp-Gruppen; mit der digitalen Technik könnte alles noch viel demokratischer sein. Sie ermöglicht es, dass jederzeit und von überall politisch mitgearbeitet werden kann."