Politologe Jackson Janes

Risse im Fundament der USA

06:58 Minuten
Proteste gegen Polizeigewalt und Rassismus nach dem Tod von Georg Floyd in Washington am 2. Juni 2020.
"Die Pandemie, zweitens das wirtschaftliche Desaster, drittens der Fall in Minnesota. Diese Dinge wirken wie eine Röntgenaufnahme von Amerika", sagt Jackson Janes. © dpa / TT NEWS AGENCY
Moderation: Stephan Karkowsky |
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Das Problem des Rassismus ist in den USA eng mit wirtschaftlichen und sozialen Problemen verbunden, sagt der Politikwissenschaftler Jackson Janes. Dass US-Präsident Trump das Land einen kann, hält er für ausgeschlossen - und hofft auf einen Machtwechsel.
Stephan Karkowsky: Auch gestern demonstrierten Zehntausende in den USA erneut gegen Rassismus und Polizeigewalt. Ich habe darüber mit dem Politikwissenschaftler Jackson Janes von der Johns Hopkins University in Washington gesprochen - und ihn gefragt, ob die Ausgangssperren in Washington eingehalten werden.

Jackson Janes: Jetzt vor einigen Minuten, da sind noch Hunderte von Menschen, die sich versammeln an einer Stelle, wo sie das Weiße Haus sehen können, aber nicht nur dort. Auf jeden Fall: Die halten sich nicht dran. Und das ist auch in New York der Fall und sonstwo, quer durch das Land.

Karkowsky: Fernsehbilder können täuschen, weil sie meist nur das Extreme zeigen: die Brände, die Gewalt, die Plünderungen. Sind das aus Ihrer Sicht nur vereinzelte Ausschreitungen? Oder merkt man diese Ausschreitungen in ganz Washington?

Janes: Die Ausschreitungen, wenn es darum geht, dass Leute in der Stadt Rabatz machen – das ist schon da, spät abends meistens. Aber überwiegend sind die Versammlungen friedlich. Und in dem Maße, wo sie sich konzentrieren, übrigens auch da in der Ecke von dem White House – das sind dann eher Demonstranten, die ihre Stimme laut machen wollen. Insofern, ich glaube, das ist nicht unbedingt das Problem, dass manchmal in der Presse oder im Fernsehen etwas groß verbreitet wird. Das ist ein Problem, das da ist, aber es ist nicht gewaltig.

Die Risse sind schon länger da

Karkowsky: Es sollen die größten Proteste sein seit den Tagen von Martin Luther King. Wie schätzen Sie das ein? Haben diese Proteste womöglich das Potenzial, in der US-amerikanischen Gesellschaft etwas zum Guten zu ändern?

Janes: Ja, das ist die Hoffnung vielleicht. Es ist sind drei Dinge, die zusammenkommen: erstens die Pandemie, zweitens das wirtschaftliche Desaster, das damit verbunden ist, und drittens jetzt dieser Fall in Minnesota. Und alle diese Dinge, die wirken wie eine Röntgenaufnahme von Amerika, die die Risse zeigt, und die Risse sind schon länger da.
Irgendwo war ein Wendepunkt, oder das Wasser hat gekocht und es kochte über. Und es ist erstaunlich auch für mich, weil ich selber ein Achtundsechziger bin, wie ähnlich mir das erscheint momentan, damals und jetzt. Wie sich das entfaltet, kann man nicht sagen. Aber es ist erstaunlich, wie weit und wie schnell es sich verbreitet hat.

Der Zugriff auf die Armee ist eingeschränkt

Karkowsky: Trauen Sie dem Präsidenten zu, seine Drohung wahr zu machen und tatsächlich die Armee gegen die eigenen Bürger einzusetzen?

Janes: Nein, das glaube ich nicht. Ich meine, Washington D.C. ist natürlich kein Bundesstaat, insofern hat er einen gewissen Zugriff hier – was in Maryland oder Virginia oder auch in den anderen Staaten in Amerika nicht unbedingt erlaubt ist, es sei denn, dass der Gouverneur von dem jeweiligen Land aufsteht und sagt: Ich brauche Hilfe.
Insofern glaube ich, dass das eine Drohung ist. Aber ich sehe das nicht kommen, weil die meisten, die jetzt sich dazu geäußert haben - die Gouverneure in den letzten Tagen - die haben gesagt: Das erwarten wir momentan nicht. Er hat vielleicht das Recht, juristisch gesehen, aber nur, wenn es dann mit der Erlaubnis vom jeweiligen Gouverneur passiert.

"Wir haben alle dieselbe Herausforderung"

Karkowsky: Auch in Deutschland solidarisieren sich viele mit den Protesten in den USA, es gab Demonstrationen, und zumindest in dem Teil von Berlin, wo ich wohne, sieht man überall Graffiti an den Wänden mit dem Namen George Floyd, Black Lives Matter, vielfach wird drauf hingewiesen, auch in den sozialen Medien, Rassismus gäbe es überall. Stimmen Sie zu, oder ist der US-amerikanische Rassismus ein Sonderfall?

Janes: Nein, es ist kein Sonderfall, es gibt das überall auf der Welt. Und ich glaube, das ist das Problem jetzt, wenn man auf der einen Seite dann sieht, wie Leute sich nicht nur in Berlin, sondern zum Beispiel auch in Amsterdam und quer durch Europa versammeln: Es müsste verstanden werden, dass man dort auch Probleme hat.
Und wenn man solidarisch ist und man sagt, Amerika hat das Problem aus ganz bestimmten historischen Gründen – haben wir auch! -, aber das Erscheinungsbild quer durch die Bilder, die wir sehen, quer durch die Welt, die sind alle irgendwo miteinander verbunden. Insofern: Wir haben alle dieselbe Herausforderung.

"Typisch Trump, eine Lüge"

Karkowsky: Der US-Präsident betreibt auf Twitter seinen eigenen Nachrichtenkanal mit Millionen von Followern. Da liest man heute Morgen, die Trump-Regierung habe mehr getan für die Schwarzen in den USA als jeder Präsident seit Abraham Lincoln. Glauben Sie das auch?

Janes: Das ist typisch Trump, eine Lüge, wenn ich so was sagen darf. Es ist nicht der Fall. Es ist in diesen letzten dreieinhalb Jahren, sehr viel passiert in der Wirtschaft, wofür er sich seine Lorbeeren aufsetzen will, aber das ist nicht der Fall.
Das Problem, das wir haben mit Rassismus, ist verbunden ist mit wirtschaftlichen Problemen, sozialen Rissen, Rissen in unserem eigenen Fundament. Und das ist dann über eine lange Zeit sichtbar.
Und er hat dann die Neigung, alles an sich zu reißen und zu sagen 'Ich habe das jetzt mal korrigiert' oder 'Ich habe das jetzt gelöst, das Problem'. Das ist überhaupt nicht wahr. Präsidenten vor ihm haben das Problem nicht gelöst und er wird es auch nicht lösen. Und ich glaube, was wir brauchen momentan, meiner Meinung nach, ist ein Wechsel im November, weil ich meine, ganz ehrlich gesagt: Dieser Mann ist nicht imstande, die Einigkeit zu ermöglichen, die wir momentan schwer brauchen.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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