"Man muss sich Sorgen machen"
Kriegstreiber, Inkarnation des Teufels: So wird John Bolton betitelt. Heute tritt er sein Amt als neuer Nationaler Sicherheitsberater von US-Präsident Trump an. Wie gefährlich Bolton tatsächlich ist, erklärt der Politikwissenschaftler Jochen Hippler.
Mit der Berufung Boltons trete eindeutig eine Verschärfung des Kurses von Trump ein, meint Hippler: Nach einer "gewissen Beliebigkeit" bei der Besetzung von Posten am Anfang setze der US-Präsident nun systematisch auf Hardliner. Boltons Vorgänger, Herbert McMaster, sei hingegen ein "seriöser General" gewesen, der sein Handwerk beherrscht habe.
Öl ins Feuer bei internationalen Konflikten
Dass Bolton von Stabschef John Kelly mit den Worten begrüßt wurde, ob er nicht die "Inkarnation des Teufels" sei, sei sicher als Witz gemeint gewesen. Tatsächlich aber deute das auf eine Verschärfung auch bei den internationalen Konflikten mit Iran, Nordkorea oder den Palästinensern hin: "Das ist nun eher das Symbol, dass man Öl ins Feuer gießt, als zu versuchen, die Konflikte zu mäßigen."
Hippler sieht mehr als Kriegsrhetorik: "Man muss sich deswegen Sorgen machen, weil in der Vergangenheit Kräfte wie Tillerson oder wie McMaster versucht haben, die spontanen Impulse, die auch sehr emotionalen Impulse des Präsidenten zu mäßigen und in eine wirklich pragmatische Richtung zu lenken." Die Instinkte des sprunghaft agierenden Präsidenten, der "manchmal auch so Impulse hat, immer draufzuhauen", würden noch angefeuert durch Leute wie Bolton. "Das ist tatsächlich gefährlich", meint Hippler. (bth)
Das Interview im Wortlaut:
Stephan Karkowsky: US-Präsident Donald Trump dürfte nicht gerade der beliebteste Arbeitgeber Washingtons sein. Die Liste gefeuerter Mitarbeiter ist lang und sie wird immer länger. Jüngst kam Außenminister Rex Tillerson hinzu, ihn ersetzt CIA-Chef Mike Pompeo. Neuer nationaler Sicherheitsberater wird ab heute John Bolton, heute tritt er seinen Dienst an, und Bolton halten nicht wenige für einen Kriegstreiber. Wofür steht dieser Umbruch, wie tief greifend ist er, das fragen wir den Politikwissenschaftler Jochen Hippler von der Universität Duisburg-Essen. Herr Hippler, guten Morgen!
Jochen Hippler: Guten Morgen, Herr Karkowsky!
Karkowsky: Trumpf wechselt schon seit Amtsantritt seine Mitarbeiter regelmäßig aus, sind denn die beiden jüngsten Personalien aus Ihrer Sicht Business as usual oder doch noch mal eine Verschärfung seines Teamprofils?
Hippler: Es ist eindeutig eine Verschärfung. Es deutet darauf hin, dass er jetzt nach so einer gewissen Beliebigkeit am Anfang, wo er relativ bunt zusammensetzte, jetzt eben eher auf Hardliner setzt, jetzt eher systematisch Leute darauf setzt, dass die eben besonders Verschärfung zum Ziel haben. Bolton ist sicher ein Symbol für diese neue Richtung.
Karkowsky: Nun befürworten beide Politiker, Bolton und Pompeo, eine Politik des Regimewechsels gegenüber dem Iran und Nordkorea. Bolton ist auch bekannt als Gegner des Atomdeals mit dem Iran. Ist der deswegen gefährdet?
Hippler: Ich glaube, dass insgesamt die Entscheidung für Bolton eine überraschende Entscheidung früher rückgängig gemacht hat. Ich war eigentlich in der Vergangenheit eher über die Entscheidung für General McMaster, der jetzt ja gefeuert worden ist, überrascht, weil der eben ein seriöser General gewesen ist, der sein Handwerk beherrscht, und Bolton eben tatsächlich – Sie werden es vielleicht mitgekriegt haben – von Stabschef Kelly mit den Worten begrüßt worden ist, ob er nicht dieInkarnation des Teufels wäre.
Das war sicher als Witz gemeint, aber tatsächlich deutet das darauf hin, dass diese Verschärfung, die Sie angesprochen haben, eben gerade zum Iran, gerade zu Nordkorea … Denken Sie auch an die Position der Leute jetzt in der Palästinakrise der letzten Tage, das ist nun eher das Symbol, dass man Öl ins Feuer gießt, als zu versuchen, die Konflikte zu mäßigen.
Trumps Impulse, immer draufzuhauen
Karkowsky: Auch wenn es Gerüchte gibt, dass die USA einen Militärflughafen in Syrien bombardiert haben als Antwort auf den mutmaßlichen Giftgasangriff des Assad-Regimes auf Rebellen, denkt man natürlich sofort, da könnte John Bolton dahinterstehen, dabei tritt er heute erst an. Nun schließt Bolton auch Erstschläge nicht aus, ist damit also wirklich auch ein Radikaler. Würden Sie denn sagen, das ist vor allem Kriegsrhetorik, die dort am Start ist, oder muss man sich wirklich Sorgen machen?
Hippler: Man muss sich deswegen Sorgen machen, weil in der Vergangenheit Kräfte wie Tillerson oder wie McMaster versucht haben, die spontanen Impulse, die auch sehr emotionalen Impulse des Präsidenten zu mäßigen und in eine halbwegs pragmatische Richtung zu lenken. Das heißt, wir haben einen Präsidenten, der sehr sprunghaft ist, der erkennbar nach "Was wirkt in den Medien"-Erwägungen entscheidet, der auch manchmal eben so Impulse hat, immer draufzuhauen.
Wenn das nicht mehr ausgeglichen wird durch ein paar Leute, die man halt halbwegs gemäßigt finden kann, sondern wenn jetzt diese Instinkte noch angefeuert werden durch Leute wie Bolton, der die letzten Monate sich wirklich so als Jubelmensch für den Präsidenten ins Amt selbst gelobt hat, wenn das jetzt noch mal zugespitzt wird, das ist tatsächlich gefährlich. Nicht so primär unbedingt wegen Bolton selbst, sondern weil einfach statt eines mäßigen Einflusses ein verschärfender jetzt auftritt.
Karkowsky: Manche Beobachter des US-Präsidenten beschreiben ihn ja gerne als unreifes, aggressives, ungezogenes Kind, um in diesem Bild zu bleiben. Gibt es im Weißen Haus überhaupt noch Erwachsene, also reife und vernünftige Menschen mit Verantwortungsbewusstsein, die die aggressive Politik von Donald Trump in Schach halten könnten?
Soll man lachen oder weinen?
Hippler: Na ja, wenn es die noch gibt, dann trauen die sich, glaube ich, nicht mehr, den Mund aufzumachen. Erinnern Sie sich an dieses Bonmot des früheren vermutlich Wirtschaftsberaters – nicht ganz klar, ob er es wirklich –, Gary Cohn, der formuliert hat, im Weißen Haus ist ein Idiot umgeben von Clowns, und inzwischen ist nun diese Clownnummer gerade durch Herrn Bolton noch mal zugespitzt.
Man weiß wirklich manchmal gar nicht, ob man lachen oder weinen soll, weil sie unseriös sind und so, nun ja, auf Stimmungsmache eher bedacht als auf Politik. Das ist tatsächlich eine Situation, wo auch im Weißen Haus, nach allem, was wir wissen, der Zynismus wächst und die Leute untereinander schon Witze machen, wer denn jetzt als Nächster an der Reihe sein wird, der gefeuert wird.
Karkowsky: Normalerweise spielt die Bürokratie in jeder Regierung eine große Rolle, gegen die Beamten geht wenig. Ist es denn im Weißen Haus, nach all dem, was Sie wissen, überhaupt noch möglich, Trump mithilfe der Bürokratie zu umgehen, oder ist sein Regime so weitreichend, dass es bis in die Büros reicht?
Hippler: Regime würde ich gar nicht sagen, weil eben Regime sehr systematisch klingt, aber es ist tatsächlich so, dass der Präsident eben häufig stimmungsabhängig ist. Viele Leute im Weißen Haus und in manchen Ministerien beschweren sich eben darüber, dass der Präsident immer danach entscheidet, wen er entlässt, den er als Letzten gerade gesprochen hat. Und das ist natürlich das Gegenteil von einer bürokratischen Einhegung.
Oder denken Sie daran, dass im Außenministerium Herr Tillerson, der ja eigentlich noch versuchte, mäßigend zu wirken, Herr Tillerson aber trotzdem die Verantwortung dafür trägt, dass ein sehr großer, überdurchschnittlicher Teil der Führungspositionen überhaupt noch nicht besetzt worden ist im letzten Jahr oder im überletzten Jahr, seitdem Herr Trump im Amt ist. Und wenn Sie halt im Weißen Haus nicht nur 30 Prozent der Stellen kürzen wollen, sondern die Schlüsseljobs überhaupt nicht besetzen mit kompetenten Bürokraten, dann kann natürlich die Bürokratie auch nicht die Rolle spielen, den Präsidenten irgendwie einzuhegen, was bei diesem Präsidenten ohnehin eine ziemlich schwierige Aufgabe …
Die Republikaner werden nervöser
Karkowsky: Sie haben nun Gary Cohn bereits genannt, auch der Wirtschaftsberater hat das Weiße Haus verlassen, Veteranenminister David Shulkin, auch der musste gehen. Welchen Einfluss haben denn dann die Republikaner heute überhaupt noch auf Trump und das Weiße Haus?
Hippler: Ich glaube, in den letzten paar Monaten ist der Einfluss massiv gesunken, ich würde allerdings damit rechnen, dass er in den nächsten zwei Jahren wieder steigen wird. In gewissem Sinne kann man sagen, dass, als Trump ins Weiße Haus kam, der größere Teil oder der größte Teil der Republikaner nichts von dem Präsidenten hielt. Sie erinnern sich an die Vorwahlkämpfe, wo eben auch viele relativ pointierte Republikaner massiv Trump als unseriös und als alles Mögliche und als Schlimmeres kritisiert haben.
Nachdem er Präsident war, gab es eine sehr starke Tendenz in die Richtung, sich zu unterwerfen sozusagen und die Republikaner dem Präsidenten auszuliefern, weil es ja eine sehr schwierige Situation wäre, den Präsidenten zu stellen und gleichzeitig Opposition gegen ihn zu machen. Da haben wirklich viele Republikaner im Kongress erst mal Ruhe als erste Bürgerpflicht verkündet, mein Eindruck ist aber, wenn es jetzt in Richtung Kongresswahlen geht, dass die Nervosität in der Partei wieder zunehmen wird und dass irgendwann, wenn es – in Wählerstimmen gesehen – sich nicht mehr auszahlt, sich hinter den Präsidenten zu stellen, dass wir dann tatsächlich auch wieder innerhalb der Republikanischen Partei eine gewisse Unabhängigkeitsbewegung vom Präsidenten sehen werden. Das ist noch ein bisschen früh, aber in den nächsten ein, zwei Jahren, glaube ich, dass es in die Richtung sich zurückruckeln wird.
Karkowsky: Neuer nationaler Sicherheitsberater der USA ist ab heute der Hardliner John Bolton. Wir sprachen über die Personalentscheidung von Donald Trump mit dem Politikwissenschaft Jochen Hippler von der Universität Duisburg-Essen. Herr Hippler, Ihnen herzlichen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.