Wenig Hoffnung auf ein Abrücken der US-Regierung
Das Verschwinden und die mögliche Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi beschert Saudi-Arabien negative Schlagzeilen, die der eigenen Imagekampagne entgegen wirken. Der Politologe Ali Fathollah-Nejad kritisiert die mangelnde Kritik an Riad.
Von Jamal Khashoggi fehlt jede Spur, seit der Journalist vor rund zwei Wochen das Konsulat Saudi-Arabiens in Istanbul betrat. Türkische Ermittler hegen den Verdacht, dass er dort ermordet wurde. Der internationale Druck auf Riad wächst. Alle Anstrengungen, das Image des Landes auch mit Hilfe von PR-Agenturen zu verbessern, dürften spätestens jetzt gescheitert sein.
Oberflächlicher Blick
"Es gab sicherlich in vielen westlichen Medien eine Verzerrung des Reformanspruchs des Kronprinzen", sagte der deutsch-iranische Politologe Ali Fathollah-Nejad im Deutschlandfunk Kultur, der dem verschwundenen Journalisten 2015 begegnet ist. Einerseits seien in Saudi-Arabien gewisse Reformen eingeleitet worden. Aber gleichzeitig sehe man am Beispiel der Frauen, dass auch sehr viele Frauenaktivisten innerhalb dieser Reformzeit festgenommen worden seien. "Also war es sicherlich eine sehr autoritäre Modernisierung, die er durchgeführt hat."
Der Politologe erinnerte auch an den brutalen Krieg im Nachbarland Jemen. "Der Fall von Khashoggi führt vor Augen, dass es sehr oberflächlich war, was wir wahrgenommen haben."
(gem)
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Das Interview im Wortlaut:
Liane von Billerbeck: Ein saudischer Journalist verschwindet, Jamal Khashoggi verschwindet in Saudi-Arabiens Vertretung in Istanbul, taucht nie wieder auf, und man vermutet, dass er dort gefoltert und getötet wurde. Die Botschaft wird von türkischen Ermittlern durchsucht, indessen ist der US-Außenminister in Saudi-Arabien. Und während die Welt einen Mord an dem Journalisten immer wahrscheinlicher hält, hat Donald Trump den Saudis schon mal den Persilschein ausgestellt, indem er von irgendwelchen Halunken sprach, die Khashoggi umgelegt hätten. PR also für die Saudis.
Oft ist der saudische Kronprinz als Reformer gefeiert worden. Frauen, die wieder Autofahren dürfen, Kinoeröffnungen, angekündigte Lockerungen beim Verschleierungsgebot. Aber kann Saudi-Arabien sein Image vom reformorientierten Golfstaat nach der mutmaßlichen Ermordung des Journalisten noch retten? Darüber reden wir jetzt mit Doktor Ali Fathollah-Nejad, einem deutsch-iranischen Politologen. Er ist derzeit Gastwissenschaftler bei der amerikanischen Bookings-Institution in Doha, und er hat Jamal Khashoggi im September 2015 in der Konrad-Adenauer-Stiftung kennengelernt. Schönen guten Morgen nach Doha.
Ali Fathollah-Nejad: Einen schönen guten Morgen!
von Billerbeck: Warum hat der saudische Kronprinz offenbar solche Angst vor Khashoggi, dass er das große Risiko einer Bloßstellung Saudi-Arabiens eingegangen ist und da diese Geschichten erzählt?
Fathollah-Nejad: Das eine hat was mit Khashoggis Hintergrund zu tun, das andere mit der Ungestraftheit von saudischen Aktionen und dem Mangel an Kritik im Westen vor allen Dingen. Bezüglich des Ersteren muss man hervorheben, dass Jamal Khashoggi ungefähr drei Jahrzehnte lang wichtige Rollen gespielt hat innerhalb des saudischen Königshauses, innerhalb des Herrschaftsapparats sozusagen. Er war ganz zu Anfang Berater vom ehemaligen Geheimdienstchef der Saudis. Später war er Journalist und war in den Medienapparat quasi involviert, und hatte aus diesen Positionen heraus natürlich Insiderwissen, das nicht ein normaler Dissident oder Oppositioneller gehabt hat.
Er selbst war auch erst, nachdem ich ihn kennengelernt habe, zu einem Kritiker geworden und hat vor allen Dingen den Machtanspruch des Kronprinzen Mohammed bin Salman in Frage gestellt und kritisiert, dass durchaus mehr Leute innerhalb der Entscheidungsfindungsprozesse in Saudi-Arabien involviert werden sollten. Das andere ist natürlich die Ungestraftheit von Aktionen, die in der Zeit von Mohammed bin Salman zutage getreten sind.
Man denke da nur an den Fall des libanesischen Ministerpräsident Saad Hariri, der ja auch quasi gekidnappt wurde und aus Saudi-Arabien heraus seinen Rücktritt annonciert hatte. Aber auch natürlich an den sehr brutalen Krieg der Saudis im Jemen, was zu einer humanitären Katastrophe geführt hat. Beide Maßnahmen haben nicht zu der notwendigen Kritik und auch zu keinen großen diplomatischen, politischen und wirtschaftlichen Konsequenzen für Mohammed bin Salman geführt.
Sorge vor Botschaftsbesuch
von Billerbeck: Sie haben es erwähnt, den Hintergrund des Journalisten Khashoggi. Wie kann es aber sein, dass er, seit er den Kronprinzen und das Herrschaftssystem kritisiert, nicht davon ausgegangen ist, dass er vielleicht in Gefahr sein könnte, wenn er da wegen Heiratspapieren in die saudische Vertretung in der Türkei geht?
Fathollah-Nejad: Wie man von seinem persönlichen Umfeld ja mitbekommen hat, hat er durchaus Bedenken gehabt, dass er sich in das saudische Konsulat begeben sollte. Aber aufgrund der Heiratspapiere musste er das ja machen. Er hatte also sicherlich Sorge, dass ihm vielleicht etwas zustoßen würde. Deswegen ja auch die Kommunikation mit seiner Verlobten, sich an die Behörden zu wenden, falls er da nicht rauskommt aus der Botschaft.
Und es scheint so, dass die Saudis gegenüber Kritikern, die auch dem Herrschaftshaus nahe sind, diese versuchen, in diplomatische Vertretungen zu locken, wie man ja auch von einem Vertreter der saudischen Herrschaftsfamilie oder einem Teil der saudischen Herrschaftsfamilie in Düsseldorf nunmehr auch in den Medien ja gehört hat. Das sind natürlich sehr unglückliche Umstände.
von Billerbeck: Der Fall Khashoggi beschädigt ja empfindlich das Bild, das der Kronprinz bin Salman so gern von sich zeichnen lässt, auch im Westen, das Bild eines modernen, zukunftsgewandten Herrschers. Denken wir nur an die Eröffnung eines Kinos in Riad, die Erlaubnis für Frauen, Auto zu fahren et cetera. Und andererseits muss man natürlich immer wieder sagen, wurden in Saudi-Arabien 133 Menschen geköpft seit Juni 2017. Was ist das jetzt für ein Bild, das da von diesem Herrscher und diesem Herrscherhaus vor uns steht?
Fathollah-Nejad: Es gab sicherlich in vielen westlichen Medien eine Verzerrung des Reformanspruchs des Kronprinzen. Einerseits ist es richtig, dass er gewisse Reformen eingeleitet hat. Aber gleichzeitig sieht man am Beispiel der Frauen – in der Frauenbewegung wurden ja auch sehr viele Frauenaktivisten innerhalb dieser Reformzeit festgenommen.
Also war es sicherlich eine sehr autoritäre Modernisierung, die er durchgeführt hat. Und nicht nur, dass die Menschenrechtslage innerhalb Saudi-Arabien sich nicht verbessert hat, sondern, wie vorhin auch erwähnt, führt Saudi-Arabien weiterhin einen sehr brutalen Krieg im Nachbarland Jemen. Und Saudi-Arabien hat sicherlich eine Imageverbesserung gewollt, und es gab sicherlich auch im Westen sehr viele, die da mitgespielt haben. Aber der Fall von Khashoggi führt vor Augen, dass es sehr oberflächlich war, was wir wahrgenommen haben.
Trump will gute Beziehungen behalten
von Billerbeck: Nun ist ja der US-Außenminister Pompeo in Saudi-Arabien gewesen. Donald Trump braucht niedrige Ölpreise, um die Midterm Elections im November zu gewinnen. Wird der eine ernsthafte Abkühlung in den ja so überaus guten Beziehungen zu Saudi-Arabien zulassen?
Fathollah-Nejad: Es deutet darauf hin, dass man sich von amerikanischer Seite mit den Saudis verständigen will, dass man einigermaßen Gesicht wahrend aus dieser Sache herauskommt.
von Billerbeck: Meinen Sie, das ist noch möglich?
Fathollah-Nejad: Das, was in den USA jetzt neu zu beobachten ist, es gibt sehr viel Kritik seitens der politischen Klasse, seitens des US-Kongresses gegenüber der Saudi-freundlichen Politik des Präsidenten, und vonseiten der Medien wird diese Kritik auch nicht verstummen. Das ist einerseits der Fall. Andererseits haben wir natürlich auch den Rückzug amerikanischer Firmenbosse vom Wirtschaftsforum in Saudi-Arabien. Aber man muss bezweifeln, ob dieser Rückzug und diese wirtschaftlich kritischen Signale an Saudi-Arabien auch weiterhin Bestand haben werden. Trump wird natürlich alles daran setzen, dass er seine guten Beziehungen, die er mit Saudi-Arabien aufgebaut hat, weiter behält. Deswegen muss man insgesamt unterm Strich durchaus kritisch sein, ob dieser Fall wirklich zu einem neuen Denken und zu einer neuen Politik und womöglich zu Sanktionen führen wird.
von Billerbeck: Einschätzungen waren das von dem Politologen Ali Fathollah-Nejad, der auch den Journalisten Khashoggi kannte und derzeit Gast der Brookings-Institution in Doha ist. Dort habe ich mit ihm telefoniert. Ich danke Ihnen für das Gespräch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.