Keiner sägt an Merkels Stuhl
Kanzlerin Merkel in der Defensive: Auf Regionalkonferenzen der CDU lässt die Basis ihren Unmut über die Flüchtlingspolitik freien Lauf. Der Politologe Oskar Niedermayer sieht dennoch keine Kanzlerinnendämmerung – auch weil der potenzielle Nachfolger fehlt.
Kürzlich wurde Bundeskanzlerin Merkel noch als Favoritin für den Friedensnobelpreis gehandelt. Grund: ihre Flüchtlingspolitik. Jetzt wird klar: Die Basis ihrer Partei, der CDU, hätte ihr den Preis nicht verliehen. Merkels Reisen in die Provinz zeigen: Es herrscht Unmut über das Prinzip der offenen Grenzen. Und auch beim Wahlvolk sind die Umfragewerte der Bundeskanzlerin abgesackt.
Der Politologe Oskar Niedermayer von der Freien Universität Berlin sieht Merkel dennoch nicht in Gefahr. Noch nicht. Im Deutschlandradio Kultur verwies er darauf, dass sie sich inzwischen durchaus auch auf restriktive Ideen eingelassen habe, um die Krise zu managen – zum Beispiel die Transitzonen. Sie sei damit von ihrer "Basta-Politik ordentlich abgerückt", sagte der Politologe. Dennoch müsse Merkel nach wie vor "ein bisschen aufpassen, dass sie die Leute stärker mitnimmt".
Die Unzufriedenheit ist groß - dennoch wird nicht an Merkels Stuhl gesägt
"Es ist ja keine Rebellion in dem Sinne, dass tatsächlich an ihrem Stuhl gesägt wird", sagte Niedermayer. Und wenn die Flüchtlingskrise halbwegs beherrschbar bleibe, werde es auch nicht so weit kommen. Einerseits stimme, dass Merkels Umfragewerte gesunken seien. Andererseits seien die der potenziellen Nachfolger noch viel schlechter. "Und es steht auch niemand bereit, der jetzt als Kronprinz oder Kronprinzessin eine innerparteiliche Revolte gegen Frau Merkel anführen könnte", sagte der Politikwissenschaftler.
Möglicherweise entfalte die Flüchtlingskrise in den nächsten Monaten eine Dynamik, die Merkel nicht mehr auffangen könne, so Niedermayer. Es sei aber unklar, was sie überhaupt dagegen tun könne. Viele der Vorschläge, die man ihr mache, seien nicht so eben umzusetzen. So könne Deutschland nicht einfach die Grenzen dichtmachen. Deswegen müsse Merkel nun "nach außen hin den Eindruck erwecken und auch durch ihre Arbeit deutlich machen, dass sie alles dafür tut, dass in Deutschland die Krise beherrschbar bleibt", sagte er.