"Wir sind möglicherweise am Vorabend eines großen Krieges"
Der frühere Verteidigungsstaatssekretär Walther Stützle hält die Lage im Osten der Ukraine für "hochdramatisch" – und warnt vor westlichen Waffenlieferungen. Stattdessen müsse nun die Isolation Russlands beendet werden.
Der Politikwissenschaftler und ehemalige Verteidigungsstaatssekretär Walther Stützle (SPD) warnt vor einer weiteren Eskalation im Osten der Ukraine. "Wir sind möglicherweise am Vorabend eines großes Krieges", sagte er im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur.
Mögliche westliche Waffenlieferungen an die ukrainische Armee nannte Stützle "absurd". Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) habe sich zurecht dagegen gewehrt. Wer Waffen liefere, mache sich zur Partei, sagte Stützle. "Wollen wir wirklich eine Entwicklung, wo die Nato in einen Krieg gegen Russland hineingezogen wird?"
Waffenlieferungen von einem Nato-Partner würden offene Waffenlieferungen der Russen nach sich ziehen und die diplomatischen Versuche durchkreuzen, die "subkutanen" Lieferungen aus Russland zu stoppen, sagte der Politikwissenschaftler.
Stützle begrüßte die Reise von Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem französischen Staatspräsidenten François Hollande nach Moskau. Diese müssten nun die "von ihnen mitverursachte Isolation" Russlands durchbrechen. Ohne eine solche Initiative hätte sich die Lage weiter zugespitzt. "Und möglicherweise hätten sich Irrtümer eingeschlichen", sagte Stützle. "Wir wissen aus der Geschichte aus zahlreichen Beispielen, wie schnell sich von einem Irrtum aus ein Feuer, ein Konflikt entwickeln kann."
Nun gehe es darum, "die selbstverständliche Rolle Russlands für eine europäische Friedensordnung anzuerkennen", sagte Stützle. Zwar sei die völkerrechtswidrige Annexion der Krim durch Russland "verdammenswürdig". Dennoch dürfe man die Ukraine nicht isoliert, sondern nur in einem europäischen Gesamtrahmen betrachten.
Stützle gehörte im Dezember zu den Unterzeichnern eines Aufrufs von Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur, in dem eine neue Entspannungspolitik gegenüber Russland angemahnt wurde. Bei Deutschlandradio Kultur sagte er nun: "Die Kanzlerin müsste sich bei uns dafür bedanken, dass wir einen diagnostischen Weckruf in die Welt gesetzt haben."