"Man hat den Wählern zu viel versprochen"
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Weder Timmermans noch Weber: Dass keiner der Spitzenkandidaten EU-Kommissionspräsident wird, stößt auf heftige Kritik. Der Politologe Josef Janning hält dagegen: "Was passiert ist, ist genau das, was die europäischen Verträge vorsehen."
Ein Schlag ins Gesicht der Wähler, Trickserei, schäbig Hinterzimmerdiplomatie: Nachdem der Europäische Rat keinen Vertreter des EU-Parlaments als Präsidenten der EU-Kommission nominiert hat, sondern die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, herrscht vielerorts Empörung.
"Das ist nicht das Versprechen, das den Bürgerinnen und Bürgern vor der Wahl gegeben wurde: dass sie entscheiden können, wer EU-Kommissionspräsident wird", kritisierte etwa die Spitzenkandidatin der Sozialdemokraten bei der Europawahl, Katarina Barley.
Die Nominierung liegt beim Europäischem Rat
Der Politikwissenschaftler Josef Janning versteht die Empörung mancher Politiker nicht. "Wenn man es so darstellt wie Frau Barley, dann hat man den Wählern zu viel versprochen", sagte er im Deutschlandfunk Kultur.
Denn die europäischen Verträge gäben dem Europäischen Parlament nicht das alleinige Recht, über den Kommissionspräsidenten zu entscheiden. "Sondern der Europäische Rat muss eine Person nominieren und dabei die Ergebnisse der Wahlen berücksichtigen, wie es in den Verträgen heißt, und das Europäische Parlament muss diese Nominierung dann mehrheitlich annehmen", betonte der Direktor des Berliner Büros des Thinktanks European Council on Foreign Relations. "Was passiert ist, mag vielleicht nicht jedem gefallen, aber ist genau das, was die Europäischen Verträge für diesen Fall vorsehen."
Falsche Versprechen steigern die Verdrossenheit
Kritisch äußerte sich der Politikwissenschaftler auch dazu, wie das Auswahlverfahren für den Kommissionspräsidenten vor der Wahl gegenüber den Wählern kommuniziert wurde. "Man hat ihnen diese Vereinfachung vorgelegt, in dem Glauben, dass dieses von den Wählern als Stärkung der Demokratie und als zusätzlicher Anreiz, zur Wahl zu gehen, interpretiert werde", sagte er und mahnte gleichzeitig:
"Ich glaube, da müssen politische Akteure fein aufpassen, dass sie die Verdrossenheit oder auch die Kritik, die viele Menschen am politischen Prozess haben, nicht dadurch steigern, dass man im Versuch, die Dinge zu vereinfachen, sie so vereinfacht, dass man zu falschen Schlussfolgerungen kommt."
(uko)