Ursula Münch ist Professorin für Innenpolitik und Vergleichende Regierungslehre an der Universität der Bundeswehr in München und Direktorin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing.
Extremisten fühlen sich im Aufwind
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In der AfD tobt einmal mehr ein Richtungsstreit. Ist das tatsächlich nur eine Unterwanderung durch einzelne Personen, wie AfD-Vorstand Jörg Meuthen behauptet? Nein, meint die Politologin Ursula Münch, die im Interview den Zustand der AfD analysiert.
Ein chaotischer Parteitag in Nordrhein-Westfalen, der Rücktritt fast des gesamten Landesvorstands und ein Ultimatum der Bundesspitze um Jörg Meuthen gegen den verbliebenen Restvorstand in NRW. Was ist da los?
Die Politikwissenschaftlerin Ursula Münch, Direktorin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing, sieht in den Vorfällen den Ausdruck eines Richtungsstreits in der AfD - und "einer tiefen Verzweiflung", die sich angesichts des immer stärkeren Rechtsrucks innerhalb der Partei durch einzelne Landesverbände ziehe.
So interpretiert Münch auch den Rücktritt von neun der zwölf Vorstandsmitglieder der AfD in Nordrhein-Westfalen um Co-NRW-Chef Helmut Seifen. Dieser hatte zuvor vor einer Unterwanderung der AfD-NRW durch den "Flügel" gewarnt. Damit habe der Parteivorstand "an und für sich etwas taktisch Kluges machen wollen", sagt Münch. "Wir legen unsere Ämter nieder, und wir wollen auf die Weise versuchen zu verhindern, dass wir im Grunde von Rechtsextremen unterwandert werden. Und man ist dann dennoch gekapert worden."
Im Rechten und Trüben fischen
Nach Ansicht Münchs geht es bei dieser Unterwanderung, anders als von Jörg Meuthen behauptet, auch nicht nur um einzelne Personen. "Die AfD hat ein Problem mit Extremisten - und zurzeit offensichtlich mit Extremisten, die sich im Aufwind fühlen", betont die Politikwissenschaftlerin mit Blick auf den sogenannten "Flügel" der AfD um Björn Höcke.
Das sähen Teile der Partei zwar einerseits mit Sorge: "Andererseits weiß man, im Rechten und im Trüben kann man durchaus fischen. Aber man kann dort nicht fischen, wenn man gleichzeitig das will, was ja die AfD auch sein will: eine eigentlich bürgerliche Partei. Und beides zusammen geht nicht."
Aber auch der Parteivorstand selbst sei Teil des Problems, meint Münch. Offenbar vor allem Alexander Gauland: "Das Interessante ist ja, dass er anscheinend versucht, beide Flügel zu bedienen: einerseits das bürgerliche Lager innerhalb der AfD und dessen Wählerschaft. Gleichzeitig tanzt er aber auch auf den Hochzeiten dieses extremistischen Flügels."
Befremdlich finde sie eine Äußerung Gaulands, nach der ihm weniger Sorge mache, was die Vertreter dieses Flügels inhaltlich sagten, sondern dass diese möglicherweise die Wähler verschreckten.
"Also, da ist offensichtlich jemand, der von Teilen der Partei unter Druck gerät und selber nicht so recht weiß, soll er jetzt eigentlich eher versuchen, die Mitte zu halten, oder muss er dem extremistischen Flügel nachgeben", sagt Münch. "Herr Gauland scheint zumindest unter starkem Druck zu sein."
Es drohen Abspaltungen und Rücktritte
Etwas Neues ist der Druck von rechts, dem sich die AfD gegenübersieht, Münch zufolge nicht.
"Da bräuchten Herr Gauland und Herr Meuthen nur mit Frau Petry, der früheren Parteivorsitzenden, und deren Vorgänger Herrn Lucke sprechen, das hatten die jeweils auch", betont sie. "Und wir wissen, wie es ausgegangen ist: mit im Grunde eigentlich einer De-facto-Spaltung und Abspaltung, mit Rücktritten. Das wird der AfD immer wieder drohen, weil immer wieder jemand noch rechter sein mag als die Parteiführung."
(uko)