Politologin zu Coronakrise und Weltpolitik

Klage über mangelnde Solidarität in Europa

08:05 Minuten
Die deutsche Politikwissenschaftlerin Ulrike Guerot
Dass die EU kein gutes Bild abgibt, wage gerade niemand zu bestreiten, sagt Ulrike Guérot. © picture-alliance/APA/Herbert Pfarrhofer
Ulrike Guérot im Gespräch mit Julius Stucke |
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Angesichts der Coronapandemie vermisst die Politologin Ulrike Guérot ein solidarisches Europa. Sie sieht mit Sorge, wie die Demokratie in Ungarn und Polen weiter ausgehöhlt wird - und andere Akteure wie China mehr Einfluss nehmen.
Die Coronapandemie verstärke einige Krisen in Europa, die es schon vorher gegeben habe, sagt die Politologin Ulrike Guérot. Das zeige die Entwicklung in Ungarn, wo die Orban-Regierung die Rechtsstaatlichkeit schon länger abbaue und die Medienfreiheit einschränke. Aber das werde jetzt mit dem Virus noch mal extrem verschärft.
In Polen stelle sich die Frage, wie die bevorstehende Präsidentenwahl ablaufen werde, wenn praktisch kein Wahlkampf stattfinde. "Das sind schon ganz, ganz wichtige Fragen", betont die Politologin.

Geopolitische Interessen Chinas

Guérot beklagt eine mangelnde Solidarität in Europa. "Wer in Italien hilft, das sind die Russen, das sind die Chinesen, kubanische Ärzte." Aber da seien keine schwedischen Ärzte im italienischen Bergamo, gibt sie zu bedenken.
China habe mit seinem Seidenstraßenprojekt Europa längst erreicht, bis nach Serbien oder in die Slowakei. Es lasse sich vermuten, dass da unter dem Deckmantel der Krise geopolitische Strategien verwirklicht würden.

Stunde der Nationalstaaten

"Dass die EU gerade kein gutes Bild abgibt, das wagt gerade niemand zu bestreiten", sagt Ulrike Guérot. Die Frage sei, ob das die Schuld der EU oder der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sei. Europa habe eben keine Souveränität.
"Wer handeln will, muss über den Ausnahmezustand entscheiden können – das kann die EU nicht", kritisiert sie. Stattdessen handelten gerade die Nationalstaaten und hätten die Grenzen geschlossen. Das sei wenig koordiniert gewesen und nicht abgesprochen.
"Es wird jetzt Gott sei Dank ein wenig besser, Gott sei Dank haben wir jetzt ein paar italienische Patienten, die in Sachsen behandelt werden", sagt die Politologin. Aber ob das an Bildern reichen werde, damit die EU aus der Krise herauskomme und das Gefühl eines solidarischen Europas entstehe, das wage sie zu bezweifeln, so Guérot.
(gem)
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