Polizeiausbildung in Afghanistan trägt Früchte
Der Leiter der EUPOL-Mission, Friedrich Eichele, wertet die Befreiung der entführten deutschen Entwicklungshelferin in Kabul als "Interimserfolg" der Polizeiausbildung in Afghanistan. Dennoch bleibe bei dem Aufbau ziviler Strukturen noch viel Arbeit, sagte der ehemalige GSG-9-Chef.
Leonie March: Erleichterung gestern in Deutschland, nach der Befreiung der deutschen Entwicklungshelferin in Kabul. Nur anderthalb Tage lang war sie in der Gewalt der Geiselnehmer, dann stürmten afghanische Polizisten das Haus, in das die 31-Jährige verschleppt worden war. Seit 2002 bilden Deutsche in Afghanistan Polizisten aus, darauf baut seit Mitte Juni diesen Jahres die europäische Polizeimission EUPOL ihre Arbeit auf. Aufgabe ist es, Ausbildung, Infrastruktur und Ausstattung der afghanischen Polizei zu koordinieren. Den Leiter von EUPOL, Friedrich Eichele, begrüße ich nun am Telefon. Guten Morgen, Herr Eichele.
Friedrich Eichele: Guten Morgen aus Kabul.
March: War die Befreiung der deutschen Geisel gestern nicht nur ein Erfolg für die afghanischen Behörden, sondern auch für EUPOL?
Eichele: Ich glaube, dass wir uns mitfreuen können, weil all das, was beispielsweise Deutschland und auch EUPOL-Afghanistan im Rahmen dieser Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik mittlerweile auf den Weg gebracht haben, dort ein sehr schönes Interimsergebnis gezeitigt hat.
March: Welche Rolle spielt EUPOL, die europäische Polizeimission in Afghanistan, die Sie ja leiten, denn generell bei Geiselnahmen?
Eichele: Also sicherlich keine direkte, weil die Verantwortung liegt bei den afghanischen Polizeibehörden und auch dem Innenministerium. Aber wir stellen natürlich einiges im vorhinein bereit und wir leisten Arbeit, die sich dann irgendwann zu einem bestimmten Einsatzzeitpunkt hoffentlich positiv auswirkt.
March: Deutschland unterstützt die Ausbildung der afghanischen Polizei ja bereits seit 2002, EUPOL hat die Arbeit erst vor rund zwei Monaten begonnen. Wie gut ist die afghanische Polizei denn inzwischen aufgestellt?
Eichele: Ich glaube, dass wir erste positive Früchte unserer Arbeit sehen, aber es gibt natürlich noch sehr viel zu tun. Sie müssen bedenken, dass es quasi 30 Jahre Krieg in diesem Land gab, und da sind natürlich viele Strukturen vollkommen vernichtet worden. Insoweit – es gibt viel, viel Arbeit noch zu tun.
March: In welchen Bereichen gibt es diese Arbeit vor allem?
Eichele: Natürlich auch im Aufbau der zivilen Strukturen, auch im Aufbau der justiziellen Grundstrukturen und natürlich insbesondere auch im Bereich der Polizeiarbeit.
March: Vor einer guten Woche berichtete der "Spiegel", EUPOL habe kaum zu tun, weil es an Teilnehmern für die geplanten Trainingskurse fehle. Stimmt das so?
Eichele: Diese Meldung ist leider vollkommen falsch. Im Gegenteil, meine Mitarbeiter sind sehr stark belastet. Ich glaube, dass wir auf gutem Wege sind.
March: Was genau tun denn Ihre Mitarbeiter derzeit?
Eichele: Also wir haben vielfältigst Arbeit, insbesondere im Bereich der Beratung. Wir stellen Mentoren für einflussreiche Mitarbeiter im Innenministerium, auch im Justizministerium oder beim Bundesanwalt. Wir stellen das nicht nur im Bereich der Hauptstadt Kabuls, sondern auch in der Region und in den Provinzen. Und wir sorgen natürlich auch dafür, dass ausgebildet wird. Das machen wir nicht selber, sondern wir organisieren das. Darüber hinaus koordinieren wir auf strategischer Ebene alle Aktivitäten, die in Afghanistan im Gebiet der Polizeiarbeit stattfinden. Insoweit können Sie sich vorstellen, da wir noch im Aufwuchs befindlich sind, dass wir sehr, sehr, sehr viel zu tun haben und auch gut belastet sind.
March: Polizisten haben in Afghanistan ja einen gefährlichen Job. Nach Angaben des Innenministeriums in Kabul wurden allein in diesem Jahr schon mehr als 450 Polizisten getötet. Gerade fand in Deutschland die Trauerfeier für die drei getöteten deutschen Polizisten statt. Was unternimmt EUPOL für die Sicherheit der einheimischen Polizisten und ihrer Ausbilder?
Eichele: Also wir haben natürlich auch analysiert, woran es liegt, dass so viele Polizisten zu Schaden kommen. Und in Zusammenarbeit mit dem Innenministerium und auch den anderen internationalen Akteuren haben wir derzeit ein Trainingsprogramm erstellt. Wir werden auch dafür sorgen, dass bestimmte Ausrüstungsgegenstände noch bereit gestellt werden. Insoweit finde ich, haben wir gut Rechnung getragen. Insbesondere unseren amerikanischen Freunden bin ich sehr dankbar dafür, dass sie uns da sehr viel zuarbeiten.
March: In Deutschland wurde über militärischen Schutz und gepanzerte Fahrzeuge für die Polizisten diskutiert. Was davon ist aus Ihrer Sicht sinnvoll?
Eichele: Wir brauchen als Polizeibeamte natürlich den Kontakt zur Bevölkerung. Wenn wir in einem militärischen Panzer sitzen würden, wäre das nicht mehr der Fall. Insoweit kann ich nur sagen, wir analysieren täglich die Sicherheitslage, wir stellen uns täglich neu darauf ein, aber gleichwohl wissen alle von uns, dass es keinen absoluten Schutz gibt.
March: Sie haben eben den Kontakt zur Bevölkerung genannt. Kritisiert wird in diesem Zusammenhang ja auch immer die deutsche Vision einer zivilen Bürgerpolizei in Afghanistan. Wird EUPOL in Zukunft, wie es die USA ja bereits tun, stärker auf paramilitärische Ausbildung setzen?
Eichele: Ich glaube, die Vision ist die richtige insoweit, dass wir nach wie vor in diese Richtung gehen. Gleichwohl muss man auch unterscheiden, dass es in bestimmten Gebieten in Afghanistan natürlich andere Ansätze zur Bekämpfung der Problematik geben muss. Und ich glaube, zusammen mit unseren amerikanischen und internationalen Partnern stellen wir uns sehr gut auf. Gleichwohl, die Vision ist die richtige.
March: Das heißt, die Sicherheitslage ist auch kein Grund zum Umdenken?
Eichele: Nein, natürlich muss man sich darauf einstellen. Wenn jetzt das Feuer brennt, brauche ich beispielsweise sofort jemanden, der löscht, und nicht in drei Jahren Ingenieure, die dann ganz genial die Brände bekämpfen könnten.
March: Immer wieder wird auch berichtet, dass afghanische Polizisten aus Sorge vor Anschlägen nicht zum Dienst erscheinen oder sogar die Seite wechseln und sich Warlords oder Taliban anschließen, weil sie von Ihnen besser bezahlt werden. Wie gehen Sie mit diesem Problem um?
Eichele: Es gibt ja derzeit eine Reform der Polizei, nicht nur was die Besoldung, sondern was die Struktur anbelangt. Insoweit hoffe ich, dass wird dieses Jahr das noch abschließen können, und insbesondere beabsichtigen wir natürlich gerade für die unteren Ränge die Besoldung so anzuheben, dass diese Befürchtung nicht mehr gegeben ist.
March: Wie ist der zeitliche Rahmen für EUPOL? Wie lange, denken Sie, werden Sie dort gebraucht werden?
Eichele: Unsere Mission ist ja für drei Jahre zunächst angelegt, aber wie ich eingangs schon sagte, es gibt viel Arbeit noch zu tun.
March: Friedrich Eichele war das, Leiter der EUPOL-Mission in Afghanistan. Ich danke Ihnen sehr für das Gespräch.
Friedrich Eichele: Guten Morgen aus Kabul.
March: War die Befreiung der deutschen Geisel gestern nicht nur ein Erfolg für die afghanischen Behörden, sondern auch für EUPOL?
Eichele: Ich glaube, dass wir uns mitfreuen können, weil all das, was beispielsweise Deutschland und auch EUPOL-Afghanistan im Rahmen dieser Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik mittlerweile auf den Weg gebracht haben, dort ein sehr schönes Interimsergebnis gezeitigt hat.
March: Welche Rolle spielt EUPOL, die europäische Polizeimission in Afghanistan, die Sie ja leiten, denn generell bei Geiselnahmen?
Eichele: Also sicherlich keine direkte, weil die Verantwortung liegt bei den afghanischen Polizeibehörden und auch dem Innenministerium. Aber wir stellen natürlich einiges im vorhinein bereit und wir leisten Arbeit, die sich dann irgendwann zu einem bestimmten Einsatzzeitpunkt hoffentlich positiv auswirkt.
March: Deutschland unterstützt die Ausbildung der afghanischen Polizei ja bereits seit 2002, EUPOL hat die Arbeit erst vor rund zwei Monaten begonnen. Wie gut ist die afghanische Polizei denn inzwischen aufgestellt?
Eichele: Ich glaube, dass wir erste positive Früchte unserer Arbeit sehen, aber es gibt natürlich noch sehr viel zu tun. Sie müssen bedenken, dass es quasi 30 Jahre Krieg in diesem Land gab, und da sind natürlich viele Strukturen vollkommen vernichtet worden. Insoweit – es gibt viel, viel Arbeit noch zu tun.
March: In welchen Bereichen gibt es diese Arbeit vor allem?
Eichele: Natürlich auch im Aufbau der zivilen Strukturen, auch im Aufbau der justiziellen Grundstrukturen und natürlich insbesondere auch im Bereich der Polizeiarbeit.
March: Vor einer guten Woche berichtete der "Spiegel", EUPOL habe kaum zu tun, weil es an Teilnehmern für die geplanten Trainingskurse fehle. Stimmt das so?
Eichele: Diese Meldung ist leider vollkommen falsch. Im Gegenteil, meine Mitarbeiter sind sehr stark belastet. Ich glaube, dass wir auf gutem Wege sind.
March: Was genau tun denn Ihre Mitarbeiter derzeit?
Eichele: Also wir haben vielfältigst Arbeit, insbesondere im Bereich der Beratung. Wir stellen Mentoren für einflussreiche Mitarbeiter im Innenministerium, auch im Justizministerium oder beim Bundesanwalt. Wir stellen das nicht nur im Bereich der Hauptstadt Kabuls, sondern auch in der Region und in den Provinzen. Und wir sorgen natürlich auch dafür, dass ausgebildet wird. Das machen wir nicht selber, sondern wir organisieren das. Darüber hinaus koordinieren wir auf strategischer Ebene alle Aktivitäten, die in Afghanistan im Gebiet der Polizeiarbeit stattfinden. Insoweit können Sie sich vorstellen, da wir noch im Aufwuchs befindlich sind, dass wir sehr, sehr, sehr viel zu tun haben und auch gut belastet sind.
March: Polizisten haben in Afghanistan ja einen gefährlichen Job. Nach Angaben des Innenministeriums in Kabul wurden allein in diesem Jahr schon mehr als 450 Polizisten getötet. Gerade fand in Deutschland die Trauerfeier für die drei getöteten deutschen Polizisten statt. Was unternimmt EUPOL für die Sicherheit der einheimischen Polizisten und ihrer Ausbilder?
Eichele: Also wir haben natürlich auch analysiert, woran es liegt, dass so viele Polizisten zu Schaden kommen. Und in Zusammenarbeit mit dem Innenministerium und auch den anderen internationalen Akteuren haben wir derzeit ein Trainingsprogramm erstellt. Wir werden auch dafür sorgen, dass bestimmte Ausrüstungsgegenstände noch bereit gestellt werden. Insoweit finde ich, haben wir gut Rechnung getragen. Insbesondere unseren amerikanischen Freunden bin ich sehr dankbar dafür, dass sie uns da sehr viel zuarbeiten.
March: In Deutschland wurde über militärischen Schutz und gepanzerte Fahrzeuge für die Polizisten diskutiert. Was davon ist aus Ihrer Sicht sinnvoll?
Eichele: Wir brauchen als Polizeibeamte natürlich den Kontakt zur Bevölkerung. Wenn wir in einem militärischen Panzer sitzen würden, wäre das nicht mehr der Fall. Insoweit kann ich nur sagen, wir analysieren täglich die Sicherheitslage, wir stellen uns täglich neu darauf ein, aber gleichwohl wissen alle von uns, dass es keinen absoluten Schutz gibt.
March: Sie haben eben den Kontakt zur Bevölkerung genannt. Kritisiert wird in diesem Zusammenhang ja auch immer die deutsche Vision einer zivilen Bürgerpolizei in Afghanistan. Wird EUPOL in Zukunft, wie es die USA ja bereits tun, stärker auf paramilitärische Ausbildung setzen?
Eichele: Ich glaube, die Vision ist die richtige insoweit, dass wir nach wie vor in diese Richtung gehen. Gleichwohl muss man auch unterscheiden, dass es in bestimmten Gebieten in Afghanistan natürlich andere Ansätze zur Bekämpfung der Problematik geben muss. Und ich glaube, zusammen mit unseren amerikanischen und internationalen Partnern stellen wir uns sehr gut auf. Gleichwohl, die Vision ist die richtige.
March: Das heißt, die Sicherheitslage ist auch kein Grund zum Umdenken?
Eichele: Nein, natürlich muss man sich darauf einstellen. Wenn jetzt das Feuer brennt, brauche ich beispielsweise sofort jemanden, der löscht, und nicht in drei Jahren Ingenieure, die dann ganz genial die Brände bekämpfen könnten.
March: Immer wieder wird auch berichtet, dass afghanische Polizisten aus Sorge vor Anschlägen nicht zum Dienst erscheinen oder sogar die Seite wechseln und sich Warlords oder Taliban anschließen, weil sie von Ihnen besser bezahlt werden. Wie gehen Sie mit diesem Problem um?
Eichele: Es gibt ja derzeit eine Reform der Polizei, nicht nur was die Besoldung, sondern was die Struktur anbelangt. Insoweit hoffe ich, dass wird dieses Jahr das noch abschließen können, und insbesondere beabsichtigen wir natürlich gerade für die unteren Ränge die Besoldung so anzuheben, dass diese Befürchtung nicht mehr gegeben ist.
March: Wie ist der zeitliche Rahmen für EUPOL? Wie lange, denken Sie, werden Sie dort gebraucht werden?
Eichele: Unsere Mission ist ja für drei Jahre zunächst angelegt, aber wie ich eingangs schon sagte, es gibt viel Arbeit noch zu tun.
March: Friedrich Eichele war das, Leiter der EUPOL-Mission in Afghanistan. Ich danke Ihnen sehr für das Gespräch.