Männlichkeit im "Polizeiruf 110"

Was ändert ein queerer Kommissar?

06:40 Minuten
Links auf dem Szenenefotos steht ein Mensch, der einen dunklen Rock trägt und auf den ersten Blick wie ein Mann aussieht, rechts steht ein Mann, der ein weißes Hemd und seinem Blouson trägt.
André Kaczmarczyk (links) spielt in "Hildes Erbe" den Kommissaranwärter Vincent Ross, der auch mal Rock trägt. Lucas Gregorowicz (rechts) ist dagegen ein klassischer TV-Ermittler. © rbb / Hans-Joachim Pfeiffer
Stefan Mesch im Gespräch mit Ramona Westhof |
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Im ARD-Krimi "Polizeiruf 110" trägt der Ermittler Vincent Ross einen Rock. Die Figur erkundet so neue Möglichkeiten in einer renommierten deutschen TV-Serie. Ansätze, queeres Leben sichtbar zu machen, seien wichtig, findet der Kritiker Stefan Mesch.
Im "Polizeiruf 110" aus Frankfurt an der Oder ist am Wochenende in der ARD ein neuer Kommissar aufgetreten – manche würden sagen, ein neuer Typus eines Kommissars: André Kaczmarczyk spielt den Ermittler Vincent Ross.
Kommissaranwärter Vincent Ross macht Yoga, er will sein Studium der Psychologie noch beenden und er zeigt eine ganz andere Form von Männlichkeit als die klassischen Fernseherermittler. Denn manchmal trägt er Röcke, schminkt sich die Augen mit Kajal und zeigt auch emotionale Intelligenz und Verletzlichkeit.

Keine voreiligen Schlüsse

Gibt es nun also einen genderfluiden und nicht-binären Ermittler, wie es mitunter hieß. Nur auf Grundlage der ersten Folge mit der Figur, "Hildes Erbe", will Kritiker Stefan Mesch keine voreiligen Schlüsse ziehen:
„Jetzt mal langsam: Dass jemand einen Rock oder Kajal trägt, das heißt für mich nicht, hier ist jemand queer oder trans. Wir können Geschlecht nicht erkennen, weder am Körper, an dem, was wir bisher Geschlechtsmerkmale nannten, noch an der Mode. Wir können jede Person einfach nur fragen: Du, soll ich ‚er‘ zu dir sagen, soll ich ‚sie‘ zu dir sagen? Sag mir, wer du bist'“, sagt Mesch.

Noch zu wenig bekannt

„Bisher ist Vincent einfach ein Kommissar, der sich mit 'Herr' und mit 'Mann' anreden lässt und halt manchmal einen Rock trägt. Wir wissen noch überhaupt nicht, wie Vincents Gender funktioniert."
Und noch etwas, was mit Gender nichts zu tun habe, sei offen, fügt Mesch an. "Wir wissen auch noch nicht, auf welche Geschlechter Vincent steht. Keine Ahnung, ob das ein schwuler Mann ist. Er sieht bisher nur so aus, wie sich TV-Serien oft schwule, etwas feminine Männer stereotyp vorstellen."

Figuren deutlich besser gespielt als geschrieben

Die "Polizeiruf"-Folge sei kein Meilenstein der Fernsehunterhaltung, findet Mesch: „Ganz viel Ermittlungsblabla, sehr nach Schema F. Die Auflösung fand ich drittklassig", sagt er.
"Aber es ist sommerlich, heiter und ein wenig schrullig. Es hat viel Schwung und Tempo. Ich fand alle Figuren deutlich besser gespielt als geschrieben. Alle sind charismatisch. Das kann man wirklich gucken, das ist solide.“
Er möge auch die Figur des Kommissaranwärters: „Das ist eine Figur, die ich gern sehe, die auch Schwung reinbringen. Ich finde solche Sichtbarkeit wichtig.“ Allerdings wisse man nach den 90 Minuten noch nicht genau, was nun queer an Vincent ist. Da müsse man wohl noch auf die nächste Folge warten.
(mfu)

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